Es ist ein warmer Herbstmorgen in der Umgebung des Städtchens Amandola im Apennin. Am Rande des Nationalparks Monti Sibillini in der Provinz Fermo scheint die Sonne. Irgendwo in einem Waldstück ist das Treffen mit einem Trüffelsucher vereinbart. «Ich heisse Nazzareno Polini und bin ein Tartufaio, ein lizenzierter Trüffeljäger. Ich liebe meine beiden Hunde Greis und Rita über alles und bildete sie selbst zu Trüffelhunden aus», sagt der umtriebige, 48 Jahre alte Italiener aus dem Ort Capodarco beim Rendez-vous. Er engagiert sich hauptberuflich für eine innovative Umweltbildung und hat ein naturpädagogisches Angebot für Schulen. Die Trüffeljagd ist sein Nebenberuf und er nimmt auch Touristen mit auf die Suche. Nazzareno trägt einen Bart und eine warme Weste, hellbraune Wanderhosen und Bergschuhe. Wie der Jäger das Gewehr, so schultert der Trüffelsucher seinen 60 Zentimenter langen Spaten (eine Vorschrift für professionelle «cacciatori di tartufi»).

«Wo ist der Ball!»…

«Dov'è la pallina!» ruft er seinen zwei Hunden zu, «Wo ist der Ball!». Eigentlich meint er: Sucht Trüffel!, doch das will er lieber nicht im Wald rufen und andere Leute anlocken. Die Trüffelsuche in Italien ist im vollen Gange. Hauptsaison für den begehrten weissen Trüffel ist November und Dezember. 

Unter den Füssen – morsche Walderde. Es riecht nach feuchtem Geäst und alten Wurzeln. Trüffel kommen in kalkhaltigem Boden vor und bevorzugen Standorte mit Laubbäumen wie Eiche, Pappel, Buche, Kastanie und Haselnuss. Die Spürhunde, die Witterung aufgenommen haben, sind wie ein rastloses Trüffelschwein auf der unermüdlichen Suche nach den Schätzen des Waldes, an denen die meisten von uns für gewöhnlich vorübergehen. Trüffel kann man nicht sehen oder riechen. Nazzareno folgt den flinken Hunden – beides Mischlinge – so gut es geht. Nach kurzer Zeit fängt die Hündin Greis bei einem Eichenbaum an zu wühlen und zu graben. Er zieht Greis zur Seite, damit sie den vermuteten Trüffel beim Graben nicht verletzt. Sofort nimmt Nazzareno seinen langen Trüffelspaten (Vanghetta) in beide Hände und fängt vorsichtig an, die Erde abzutragen. Die knolligen Trüffel wachsen flach, normalerweise zwischen null und 15 Zentimeter tief, oft auch direkt unter dem Laub. Sie können aber auch bis zu 30 Zentimeter unter der Erde gedeihen. Nach kurzer Zeit legt er erste Teile des knolligen Schlauchpilzes frei. Der Trüffel ist erst mal genauso braun wie die Erde, aber mit geübtem Blick erkennt man dessen Warzenstruktur, erklärt der Pilzsucher. Er fördert aus dem Boden behände einen weissen Trüffel zutage. Die Knolle ist die Frucht des Trüffelpilzes. Der Pilz selbst ist ein unterirdisches Geflecht aus Myzelfäden. Die Fäden umspinnen die Wurzelenden der Bäume. So entsteht eine Zweckgemeinschaft zwischen Baum und Pilz. 

«Brava, brava», lobt Nazzareno seine Hündin Greis. «Schauen Sie, was für ein schöner Trüffel!» Dann gibt er seinem Hund zur Belohnung ein Stückchen Wurst, das er in seiner Bauchtasche hat. Schon im Wald wird die eben erst ausgegrabene Knolle gewogen – aus Neugier und Freude am lukrativen Fund: 71,8 Gramm! Der aktuelle Kilopreis für weissen Trüffel beträgt 3'000 bis 5'000 Euro je nach Grösse und Qualität und Aussehen (bei Globus Delicatessa in St. Gallen kostet das Kilo im November 10'800 CHF Franken). Trüffelpreise seien keine Fantasiepreise, sondern basieren auf ökonomischen Prinzipien wie viele andere Produkte auch, sagt ein Trüffelfachmann aus der Schweiz. Weisse Trüffel gedeihen nur in wilder Form und nur an wenigen Orten. Jeder Versuch der Zucht sei bisher trotz intensiver Forschung gescheitert. Wenn man berücksichtigt, dass ein erfahrener Trüffelsucher an einem Tag im Schnitt nur 50 bis 80 Gramm findet, verwundert es nicht, dass dabei ein Kilopreis von mehreren tausend Franken resultiert. Dabei darf man nicht vergessen, dass wenige Gramm (3-5 g) genügen, um einem Gericht den gewünschten Geschmack zu geben.

Der römische Autor Pliny beschrieb Trüffel bereits im ersten Jahrhundert nach Christus als Delikatesse, der französische Küchenphilosoph Brillat-Savarin als «Diamanten der Küche» und dichtete dem seltsamen Knollen aphrodisierende Wirkung zu. Die Faszination ist geblieben.

Ein Trüffelhund für 10'000 Euro

Nazzareno streift seit zwölf Jahren mit seinen Hunden durchs Unterholz auf der Suche nach den «Diamanten der Wälder». Die beiden Hündinnen sind zufrieden, im niedrigen Eichen- und Buchwald herumzuspringen. «Es ist ein Spiel für sie», erklärt der Trüffelsucher. «Greis è una razza originaria della Germania. Un cane dal carattere forte e vivace, non adatto a tutti», erzählt der Trüffelsucher. Seine weiss-schwarze Hündin Greis, «mit viel Charakter und Kraft», ist eine von zwei ausgebildeten Trüffelhunden, die Nazzareno Polini gehören. Ein abgerichteter Hund könne zwischen 1'000 und 10'000 Euro kosten. «Ich züchte und trainiere die Hunde nur für mich und verkaufe sie nicht», sagt Nazzareno und läuft gebückt durchs Gebüsch seinen Hunden nach.

Der Naturfreund und Pilzfachmann nimmt auch Touristen mit auf die «Pirsch». Er weiss, dass zu einem erfolgreichen Trüffeljäger vor allem eines wichtig ist: Die Kommunikation mit seinen Tieren. «Ich habe meine Hunde sehr gut ausgebildet und verstehe, was sie mir mit ihren Bewegungen sagen wollen. Wenn die Hunde zum Beispiel einen faulen Trüffel finden, dann schnüffeln sie nur ganz kurz in die Erde und gehen dann eilig weiter.»

Auch Schnecken lieben Trüffel…

Wilde Trüffel werden nicht nur von Wildschweinen, sondern auch von Igeln, Mäusen, Würmern, Dachsen, Füchsen und Bären gefressen. Im Allgemeinen sei dies kein Problem, da die Trüffel täglich von den Bewohnern in der Region gesucht werden. Nazzareno Polini: «Wenn Wildtiere die Menschen und Hunde wittern und wahrnehmen, meiden sie diese Gegend, auch wenn es dort viele Trüffel gibt.» Tiere, die Trüffel mehr Schaden zufügen, seien die Nacktschnecken. Doch tragen diese, wie Fuchs und Dachs, die Sporen mit sich und erleichtern so die Verbreitung. «Dies ist für die Zukunft der Trüffel hier von Vorteil.»

Trüffelsuche ist überall erlaubt 

Nazzareno Polini ist im Hügelstädtchen Fermo in den Südmarken aufgewachsen. Von Kindesbeinen an liebt er es, in der Natur zu sein. Solange er sich zurückerinnern kann, hatten sie zuhause Hunde. Doch die Idee sich mit Trüffeln zu beschäftigen, kam erst später von seinen Grosseltern. 

Auch 2025 wird Polini, der über ein regionales Patent (Tesserino) verfügt, zusammen mit seinen Hunden die Region Marken und das Küstengebiet auf der Jagd nach wilden Trüffeln «unsicher machen». Trüffel und Pilze darf man in Italien grundsätzlich überall suchen, wo nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es verboten ist. Jeder, der Trüffel sucht, braucht eine kostenpflichtige Lizenz, die nach bestandener Prüfung jährlich neu erteilt wird. Die Gesetze variieren je nach Region.