Bild: rb | Unbeweglicher, starer Beton anstatt kontinuierliche Erneuerung und adaptive Führung: In Trostlosigkeit gegossener Haupteingang der HFZ.
Erstens: DAS ENDE.
Als zur Delegiertenversammlung dieses Jahres hin an einer Präsidentenkonferenz von GastroSuisse die kantonalen Gastrochefs plus die Vertreter der fünf Fachgruppen darüber abstimmten, ob man die Hotelfachschule Zürich retten solle, wurde genau eine Hand von einem einzigen Mitglied dieses Gremiums erhoben. Alle anderen Präsidenten stimmten für das Ende der Institution.
Man ging zur Tagesordnung über, als hätte es die 1925 gegründete Hotelfachschule nie gegeben. Auf der Homepage der Hotelfachschule selbst wurde auf den ersten Blick nichts geändert. Es lässt sich wählen zwischen Diplom-Vollzeitstudium oder Diplom berufsbegleitendes Studium: «Deine Kariere kann beginnen» steht da gross. Erst auf den zweiten Blick ist die rosafarbene Box zu bemerken: «Der Vorstand von GastroSuisse hat beschlossen, an der Hotelfachschule Zürich (HFZ) auf den Start eines neuen Studierenden-Jahrgangs im August 2024 zu verzichten. GastroSuisse erwägt eine Anpassung seiner HFZ-Aktivitäten in den nächsten Jahren. In diesem Zusammenhang hat der Verband mit verschiedenen Akteuren im Bildungsbereich ergebnisoffene Gespräche eingeleitet. Durch das mittelfristige Vorgehen ist die Qualität des Angebots für die Studierenden gesichert und die laufenden Ausbildungen können beendet werden.»
Der Verband hat also «ergebnisoffene Gespräche» eingeleitet? Die hätten vor 15 Jahren stattfinden müssen, um einen Veränderungsprozess einzuleiten. Die Anzeichen waren damals deutlich erkennbar. Diese sich anbahnenden Marktveränderungen wurden aber einfach als mögliche Störungen abgetan und ignoriert. Im Rahmen des Handlungskonzeptes Themenzentrierte Interaktion gibt es dazu einen passenden Satz: «Störungen haben Vorrang.» Sie müssen bevorzugt beachtet und im Handeln berücksichtig werden.
Zweitens: DAS BOLOGNA SYSTEM.
1998 initiierte der französische Bildungspolitiker Claude Allègre die Reform, um ein einheitliches und international sichtbares Hochschulsystem zu schaffen. 1999 unterzeichneten die europäischen Bildungsminister die Bologna-Erklärung. In den folgenden Jahren wurde die Harmonisierung der Hochschulsysteme in Europa nach und nach als Bologna-Reform konkretisiert und umgesetzt. 2010 wurde der Europäische Hochschulraum symbolisch eröffnet.
Eines der grossen Ziele war es, das Erkennen und Anerkennen von Abschlüssen zu erleichtern. Der Kern des Systems setzt sich aus dem dreistufigen System Bachelor, Master und Doktorat zusammen und es wurde in Leistungspunktesystem (ECTS) eingeführt, um Transparenz und Vergleichbarkeit von Studienlehrgängen zu gewährleisten.
Dieser Vergleichbarkeit und Verständlichkeit von Diplomen hat sich die Hotelfachschule Belvoirpark weitgehend verweigert: Doch wer versteht ausserhalb der Schweiz den Titel Hotelier-Gastronom HF / Diplom Hoteliere-Gastronomin HF? Dieses Diplom, eidg. oder nicht, lässt sich weder in England noch in den USA einordnen, auch wenn es ins Englische übersetzt wird. In Europa bzw. in der ganzen Welt werden folgende Bezeichnungen verstanden: Bachelor, Master, Doktor.
Wenn sich jetzt jemand auf der Homepage der Hotelfachschule Zürich informiert und sich für ein weiterführendes Bachelor- oder Master-Studium interessiert, wird die Person weitergeleitet auf die Kaleidos Fachhochschule. Die haben offensichtlich die Kompetenz, den Bachelor of Science FH in International Hospitality Business & Events Management, oder Bachelor of Science FH in Business Administration anzubieten. Man hat also als Hotelfachschule die Bologna-Titel-Kompetenz outgesourct. Die Kommunikation an den Markt war damit unweigerlich: «Wir können es nicht.»
Mit der Umsetzung der Bologna-Reform, und dem damit tatsächlich auch einhergehenden Overkill an Hochschulbildung und einer wahren Titelflut, denen sich niemand mehr entziehen kann, trat noch eine weitere Entwicklung zutage. Die Lehrlingszahlen der gastronomischen Berufe wurden rückläufig. Zuerst zögerlich, dann immer dramatischer. Zuerst versank der Service-Beruf zahlenmässig nahezu in der Bedeutungslosigkeit. Dann brach der Kochberuf ein. Wurden Ende der 1990er Jahre noch über 4000 Köche und Köchinnen in vielen Landgastöfen ausgebildet, sind es heute noch etwas über 1000 Lernende, von denen ein Grossteil in der Gemeinschaftsgastronomie eine Lehrstelle findet. Auch diese Veränderungen wurden ignoriert.
Drittens: DER NEPOTISMUS VERHINDERT DEN CHANGE.
Ab Mitte der 2010er Jahre lagen diese Fakten in einem offenen Buch in der Hand der Verantwortlichen. Das ist unbestreitbar. Damals hätte man Veränderungsprozesse initiieren müssen, mit denen man mit einem strategischen Change Management auf diese für alle sichtbaren dynamischen Marktentwicklung hätte reagieren können. Es ist ja nicht so, dass es sich um eine Entwicklung der chemischen Industrie Chinas handelte, die unvorhersehbar durch Zufall auch für Höhere Schweizer Fachschulen der Gastronomie relevant geworden ist. Niemand kann heute sagen, die Bologna-Reform nicht gekannt zu haben, schon gar nicht der damalige Direktor der Hotelfachschule Belvoirpark in Zürich.
All diese externen Faktoren hätten einer umfassenden Analyse unterzogen werden müssen. Nur, das hätte sicherlich auch eine Analyse interner Einflussfaktoren nach sich gezogen. Eine solche hätte zwangsläufig das herrschende Patriarchat mit integerierten Familienmitgliedern aufgedeckt und in Frage gestellt.
Doch das patriarchale Konstrukt hielt. Auch wenn damit die institutionelle Integrität immer weiter untergraben wurde, während die Schule nach aussen immer noch erfolgreich wirkte.
Eines der wichtigsten Werkzeuge war die für alle im Verband sichtbare, direkte Verbindung des damaligen Belvoirpark-Direktors zum damaligen Präsidenten von GastroZürich und Vizepräsidenten von GastroSuisse direkt in den Vorstand. So wurden einerseits wichtige Anliegen durchgeboxt und andererseits konnten Eingriffe der damaligen operativen Leitung von GastroSuisse verhindert werden.
Damit war die Gewaltenteilung gebrochen. Die Hotelfachschule Belvoirpark war ein eigenständiger Machtbereich, sozusagen ein autopoietisches System, gegen das in entsprechenden Gremien keine Gegenmacht mehr gebildet werden konnte. Das System Überprüfung und Ausgleich konnte nicht mehr funktionieren.
Viertens: AUTORITÄRER STIL NACH TANNENBAUM UND SCHMIDT.
Eines der Kernprobleme war damit die faktisch von allen Kontrollstellen losgelöste, patriarchale Struktur der Hotelfachschule Belvoirpark, die einen autoritären Führungsstil uneingeschränkt erlaubte.
Eine patriarchale Struktur, die im Führungskontinuum (Tannenbaum und Schmidt) als autoritärer Stil bezeichnet wird, muss nicht grundsätzlich schlecht sein, das gilt insbesondere für Unternehmen, die z.B. einer führenden Person gehören oder die tatsächlich als Familienbetrieb funktionieren. Das galt auch lange Zeit für die Hotelfachschule Belvoirpark, die mit einem patriarchalen System seit ihrer Gründung 1925 Jahrzehnte lang gut funktionierte.
Doch in einer öffentlichen Institution anfangs der 2000er Jahre, die noch dazu einen langfristen Change existentiell benötigt hätte, und in einer Zeit kooperativer und partizipativer Führungsstile, ist die patriarchale Art nicht nur unangebracht, sondern in vielerlei Hinsicht kontraproduktiv. Das wurde der Schule mit über einem Jahrzehnt Verspätung bewusst, wenn überhaupt.
Wie es hätte funktionieren können, dafür gibt es einen direkten Vergleich: Die École hôtelière de Lausanne (EHL) band die Studierenden im kooperativen und demokratischen Stil in die Gestaltung des neuen Campus sowie in die Neuausrichtungen von Ausbildungsprogrammen aktiv mit ein. Das Resultat liegt diametral zur Hotelfachschule Zürich im Erfolg. Der Führungsanspruch wurde wahrgenommen, und zwar in der Paradedisziplin der Organisationsformen: kooperativ und demokratisch. Dazu gehörte auch, dass man sich dazu durchrang die Verbandsmacht zugunsten des Status einer Hochschule abzugeben. Die EHL Group ist heute eine private Stiftung und unterliegt den schweizerischen Bildungsstandards und Akkreditierungen der Schweizerischen Hochschulkonferenz und anderen offiziellen Gremien. Der Erfolg liegt hierbei in der grossen Fähigkeit führender Persönlichkeiten loszulassen.
Fünftens: REFORM. ERFOLGREICH VERHINDERT.
Ein patriarchalischer Führungsstil verhindert meist die Einbindung und Mitbestimmung der Beteiligten im Umfeld des «grossen Vaters». Agile und flexible Entwicklungsmethoden, um innovativ zu bleiben, werden stark gedämpft oder gar im Keim erstickt, was wiederum nach sich zieht, dass Motivation und Kreativität gehemmt werden, wenn sie sich denn überhaupt entwickeln können. Wohl am tragischsten ist, dass niemand mehr aufmuckt.
Es ist schriftlich in Interviews und Artikeln um 2010 belegt, wie sich der damalige Direktor zur damals aktuellen Bologna-Reform äusserte, eine Zeit, in der sich notabene alle Höheren Fachschulen, Hochschulen und Universitäten den Veränderungen stellten, welche die Bologna-Reform nach sich zogen.
Man sah sich und die Ausbildung über dem Europäischen Hochschulraum stehen und glaubte nicht, dass sich die Titel Bachelor und Master durchsetzen würden, geschweige denn, dass diese für Hotelfachschulabgänger des Belvoirparks notwendig wären. Damit war man nicht alleine. Auch Kodak glaubte nicht an die digitale Fotografie. Auch denen wurde das Licht ausgeknipst.
Als man den Fehler bemerkte, konnte man sich nur noch einer anderen Schule anschliessen, an der Studierende den Bachelor und Master nachholen konnten. Aber jetzt mal ehrlich, wieso soll ein junger Mensch vor dem Bachelor eine «minderwertige» nicht dem Bologna-System entsprechende Hotelfachschule absolvieren, wenn er oder sie woanders auch direkt in das Bachelor- und Masterstudium einsteigen kann?
Es gab bei GastroSuisse durchaus Leute, die das haben kommen sehen, es gab Stimmen, die sich erheben wollten, doch niemand konnte den äusserst stabilen Verteidigungswall dieses patriarchalen Systems durchdringen.
Die Neuausrichtung der Unternehmensstrategie und die Implementierung innovativer Schul- und Geschäftsmodelle wurden in der HFZ also verhindert. Dies führte weiter dazu, dass talentierte Mitarbeiter und Lehrkräfte die Schule verliessen. Es ist schmerzhaft, sich einmal mehr vorzustellen, wie es hätte sein können, wenn mit wirklich offener Haltung und durch kluge adaptive Führung sowohl Mitarbeitende als auch Studierende eingebunden worden wären.
Mit Blick auf die EHL hätte auch im Belvoirpark eine Kultur des Lernens und der Anpassung in der Führung entstehen können, um auf Herausforderungen und Veränderungen zu reagieren. Führungskräfte hätten ihr gesamtes Potenzial an Wissen und Erfahrung genutzt, um adäquat auf Veränderungen einzugehen und Strategien sowie operative Massnahmen anzupassen. Dies hätte Wettbewerbsvorteile gesichert, zur nachhaltigen Geschäftsentwicklung geführt und die Resilienz gestärkt.
Sechstens: NEUER SCHLAUCH FÜR ALTEN WEIN. EIN DRAMA.
Ab Mitte der 2000er-Jahre, als die Bologna-Reform erst anfing, sich zu konkretisieren, war die Nachfrage nach einem Studium am Belvoirpark ungebrochen. Das mittlerweile in die Jahre gekommene Schulgebäude wurde enger und enger. Am Ende dieses Jahrzehnts entschloss man sich deshalb, die Erneuerung des Schulgebäudes in Angriff zu nehmen – und das eben ohne allfällige Veränderungen des Marktes mit einzubeziehen und inhaltliche Veränderungsprozesse in Gang zu setzen. Stattdessen ging man davon aus, dass wie bisher einfach immer mehr Studentinnen und Studenten die Schule einfach so besuchen würden.
Als dann 2010 an der Präsidentenkonferenz von GastroSuisse der erste architektonische Entwurf vorgestellt wurden, beliefen sich die veranschlagten Kosten auf +/- 12 Millionen Franken. Doch ausgerechnet die Wirte machten die Rechnung ohne den Wirt. Bereits mit dem Einreichen des Baugesuches intervenierte die Stadt Zürich: Der Architekt war den entsprechenden Beamten der Stadt nicht genehm, worauf diese den «Richtigen» vorschlugen. Dessen Entwurf an gleicher Stelle mit denselben Dimensionen kostete dann letztendlich, wie heute alle wissen, 32 Millionen. Notabene für einen Betonklotz im Baurecht, denn das Land gehört der Stadt.
Als damals der neue von den Stadtbeamten gutgeheissene Entwurf des vom Bauamt vorgezogenen Architekten von den GastroSuisse-Kantonalpräsidenten diskutiert wurde, gab es genau eine einzige Stimme, die widersprach. Es war der ehemalige Basler Wirtepräsident Josef Schüpfer, der zu dieser Zeit mit «Aarau» gerade den Neubau von GastroSocial vorbereitete. Er schlug Folgendes vor: GastroSocial baut den Campus in Aarau zu einem Bruchteil der Kosten gleich mit, dann kostet das a) viel weniger und b) gehört das alles auch vollständig den Wirten, zudem könnten sich c) die Hotelfachschulverantwortlichen um die vorangehend beschriebenen, dringend notwendigen strategischen Neuausrichtungen kümmern.
Aber strategische Neuausrichtungen über tiefschürfende und mitunter schmerzhafte Veränderungsprozesse mit ungewissem Ausgang wie vorangehend beschrieben, sind so eine Sache. Volatile Prozesse zu führen ist eben kein rationales Schnitzel, das man panieren und schwimmend backen kann und bei dem man dann sofort weiss, was man hat.
Der Einzige, der folglich für den Vorschlag von Josef Schüpfer stimmte, war natürlich Josef Schüpfer. Ansonsten wurde der durchwegs vernünftige Vorschlag unisono abgeschmettert. Man wollte einen Prachtbau am Zürichsee, koste es, was es wolle, fehlende inhaltliche Strategien hin oder her.
Dann kam der Baubeginn. Theoretisch. Denn praktisch besass ein Japaner eine der zwei Villen zwischen der Schule und dem Restaurant Belvoirpark. Die damalige Schul- und Bauleitung wusste das nicht oder versäumte es, mit dem Japaner zu reden. Der machte von seinem «Vetorecht» Gebrauch und liess dann auch nicht mehr mit sich reden. Der Baustart wurde gestoppt. Der Witz: Eine dieser zwei Villen gehörte einst zur Hotelfachschule Belvoirpark und damit GastroSuisse. Diese wurde wenige Jahre zuvor, dem Sagen nach, zum Spottpreis von 3 oder 4 Millionen verscherbelt. Jetzt musste man dem Japaner die «Hütte» abkaufen, um bauen zu können. 11 oder 12 Millionen soll das zusätzlich gekostet haben.
Resultat: Alles in allem eine Nettoverschuldung von ungefähr 20 Millionen. Immerhin kann heute eines deutlich konstatiert werden: Die Investition in die Villa hat sich im Gegensatz zum neuen Schulgebäude gelohnt. Die Villa konnte lukrativ an die Montessori-Schule vermietet werden.
Nun ja, im schlimmsten Fall müsste GastroSuisse nur jedem Mitglied eine einmalige Sonderrechnung von CHF 1100 ausstellen, um die mehr als 20 Millionen von den rund 19’000 Mitgliedern decken zu lassen. Das dürfte wohl auch der Grund sein, weshalb die Zürcher Kantonalbank mitmachte und den Kredit sprach. Ein hoher Schuldbetrag, der einen hohen Zinsertrag einbringt und durch eine hohe Anzahl Mitglieder, die gar nicht wissen, dass sie haften, abgesichert ist.
Ab Anfang der 2010er Jahre, mit dem Baubeginn, veränderten sich die Märkte. Die Schülerzahlen sanken und sanken noch lange vor der Corona-Krise. Der kausale Zusammenhang zur Eröffnung des Europäischen Hochschulraumes nach der Bologna-Reform wurde immer augenfälliger. Es waren Schulen gefragt, die einen Bachelor- und Masterabschluss im eigenen Verbund anbieten konnten. Die Hotelfachschule Belvoirpark war da aussen vor. Doch es gab noch andere Gründe.
Siebtens: DIE KANNIBALSIERUNG UNTER DEN VERBÄNDEN.
Wer die Hotelfachschule Zürich früher besuchen wollte, musste einen Vorkurs besuchen. Dieser mehrwöchige Kurs fand immer in den Gebäuden der Hotel Gastro Formation HGF in Weggis statt. Die HGF war einst die stolze, paritätische Bildungsorganisation der Interessensgruppen des Gastgewerbes und der Hotellerie.
Mit der Eröffnung der neuen Schule Belvoirpark 2014 wurden diese Vorkurse ins eigene Gebäude verlegt bzw. teilweise aufgehoben. Man wollte das Geld nicht mehr ausgeben. Damit ging für die HGF in Weggis, neben anderen rückläufigen Ausbildungen, eine gute Auslastung verloren.
Die Folge: Die ursprünglich mehrheitlich von den Unternehmensverbänden getriebene Bildungsinstitution HGF lehnte sich immer mehr an die Gewerkschaft an. Hotelleriesuisse kümmerte das zusehends weniger, ihre École hôtelière de Lausanne wurde als EHL Foundation und EHL Group für die Zukunft gerüstet. Zudem wurde mit der EHL Hotelfachschule Passugg eine kleine eigenständige doch sehr renommierte Hotelfachschule im etwas tieferen Preissegment ebenfalls gut im Markt installiert. Und wer in Passugg das Diplom als Dipl. Hotelier-Gastronom / Hoteliere-Gastronomin HF erhält, kann auch in Passugg und anschliessend in Lausanne in der eigenen Gruppe den Weg zum Bachelor einschlagen. 2019 versuchten einige Exponenten von HotellerieSuisse an einer Delegiertenversammlung die Initiative zu ergreifen, um die HGF abzuschaffen oder dann aus diesem Bündnis auszutreten. Das Vorhaben scheiterte, veränderte aber weiter das Selbstverständnis der Hotel & Gastro Formation.
Die Gewerkschaft Union Helvetia, nun eben mit der HGF an ihrer Seite, war naturgemäss bestrebt, auch über die Berufsbildung mögliche Hotelfachschüler zu ihren Hotelfachschulen nach Luzern und Thun zu lenken. Zudem hat die Gewerkschaft das wohl beste und kostengünstigste Werkzeug eingerichtet, um über die Berufsbildung Neumitglieder zu akquirieren: Alle Lernenden, die das, neu von der HGF ab 2024 auch als Pflicht durchgesetzte digitale Lehrhilfsmittel in der Berufsschule online in Gang setzen wollen, werden, noch bevor sie die AGBs bestätigen müssen, gefragt, ob sie Mitglied der Gewerkschaft werden wollen.
Was bitte hat eine Gewerkschafts-Mitglieds-Akquise in einem Lehrmittel verloren?
Ob das bereits eine Zwangsmitgliedschaft über ein Lehrmittel ist, ist die eine Frage, ob das im Sinne des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) ist, eine andere. Ist das nicht moralisch verwerflich?
Man darf auch getrost die Frage stellen, ob dies noch im Sinne des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb UWG ist.
Wie auch immer, gegeben ist, dass sich die Gewerkschaft für die Zukunft damit auch eine Kommunikationshoheit über den beruflichen Weiterbildungsbereich sicherte und damit die jungen Menschen auf die eigenen Hotelfachschulen Luzern und Thun mindestens ansatzweise konditionieren kann.
Die Hotelfachschule Belvoirpark jedenfalls hatte sich also mit ihrer Strategie, die Vorkurse selbst durchzuführen, einen Teil des Marktzugangs abgeschnitten. Man musste mitansehen, wie die Gewerkschaft Gastro Union und HotellerieSuisse die möglichen Hotelfachschulkandidaten in ihre eigenen Institutionen und weg vom Belvoirpark lenkten. Die einen teilweise auf eine fragwürdige Art und Weise, die anderen mit dem Anspruch, die Besten zu sein. Notabene ist hier die Rede von einem Markt, der zusehends schrumpft und in dem sich die Besten am besten Angebot orientieren bzw. an dem, was ihnen bekannt ist. Das Belvoirpark gehörte längst nicht mehr dazu.
Es ist nicht so, dass das, was hier geschrieben steht, neu ist. Wichtige Zahlen und Fakten sind in der Presse auch längst breitgeschlagen. Mit «Entlassungen und Misswirtschaft an Hotelfachschule« im Mai 2024 und «Die Hotelfachschule kämpft mit argen Problemen» im April titelte die Neue Zürcher Zeitung, 20 Minuten schrieb «Hotelfachschule Zürich steht vor dem Aus». Von Blick über Tagesanzeiger bis SRF waren es ähnliche Schlagzeilen.
Im NZZ-Artikel vom Mai 2024 wird dazu ein Fachlehrer zitiert, der anonym bleiben wollte: «Dass die Nachfrage zurückgegangen sei, sei nur ein Teil der Wahrheit. Die Hauptursache dafür, dass die Hotelfachschule so schlecht dastehe, sind in den Augen der Lehrperson Fehler, die weit in der Vergangenheit lägen. Insbesondere habe sich GastroSuisse beim Bau des Schulhauses an der Seestrasse 141 übernommen. Das Gebäude wurde vor zehn Jahren mit grossem Stolz eröffnet. Es kostete 32 Millionen Franken und scheint seither Unsummen für den Unterhalt zu verschlingen.»
Achtens: IN DER NOT FRISST DER TEUFEL FLIEGEN.
Das stimmt aber so eben auch nicht. Hätte man pro Jahr die Vollauslastung von 300 Studierenden erreicht, würde der Unterhalt kaum derart ins Gewicht fallen. Könnten Studierende im Belvoirpark ein Bachelor- und Masterstudium absolvieren, wäre die Auslastung sicher wesentlich besser.
Doch so? Die Schülerzahlen sanken kontinuierlich. Dann brachte man irgendwann auch die verbandseigene Gastrounternehmerausbildung G123 in den Räumlichkeiten der Hotelfachschule Zürich unter. Die Gastrounternehmerausbildung war, am Rande bemerkt, eine tolle Bildungsinnovation von GastroSuisse. Damit konnte man immerhin die freigewordenen Räumlichkeiten an der Blumenfeldstrasse bei GastroSuisse fremdvermieten. G123 war allerdings auch eine ernstzunehmende direkte Konkurrenz für das eigentlich «nur» auf GastroManagement ohne «Hotel-Pipapo» ausgelegte Belvoirpark. Zudem wird für den Anschluss an ein Bachelorstudium ebenfalls an die Kaleidos Fachhochschule weiterverwiesen. Nur, im Gegensatz zur Hotelfachschule kostet die G123 insgesamt ein Bruchteil. Das war der Hotelfachschule Zürich ebenfalls nicht gerade zuträglich.
Neuntens: DIE NEUE DIREKTORIN KAM. DANN WAR SIE WIEDER WEG.
2019 kam dann als neue Direktorin Ulrike Kuhnhenn ans Belvoirpark. Sie leitete zuvor die Hotelfachschule Passugg. 2020 war sie wieder weg. Wegen bevorstehender Umstrukturierungen war in der Medienmitteilung von GastroSuisse zu lesen. Schwere Meinungsverschiedenheiten war auf Latrinenwegen zu vernehmen.
Es ist davon auszugehen, dass die strategische Vision aus dem Vorstand von GastroSuisse nicht mit der operativen Umsetzung von Ulrike Kuhnhenn korrelierte.
Wie die neue strategische Vision von GastroSuisse aussah, zeigte sich mit der Übernahme der Schule durch die neue Direktorin Claudia Welle. Das für die Bildung verantwortliche Vorstandsmitglied von GastroSuisse, Bruno Lustenberger, präsentierte mit ihr zusammen in der Folge endlich die weitreichenden Massnahmen gegen die sinkenden Schülerzahlen durch nicht initiierte Veränderungsprozesse: neuer Name, neues Logo.
Strategische Gremien greifen oft in die operative Leitung ein, weil sie das Bedürfnis haben, ihre Ziele und Visionen direkt umzusetzen. Das basiert meist auf einer unguten Mischung aus Ungeduld, Kontrollbedürfnis und fehlendem Vertrauen. Das Resultat sind unklare Rollen, Ineffizienz, Demotivation. Unter diesen Voraussetzungen ist an einen ernsthaften, langfristigen «Change» kaum mehr zu denken, also konzentriert man sich aufs Rebranding und die Neugestaltung des Logos.
Das Ergebnis liess nicht lange auf sich warten, die Botschaft hatte starken Symbolcharakter: Der Vorzeigebetrieb, das Restaurant Belvoirpark, wurde geschlossen. 2024 kam dann der Beschluss, die Schule ganz aufzugeben.
Derzeit bemühen sich offenbar – immer noch – zwei Gruppierungen darum, die Hotelfachschule zu retten. Eine Gruppierung bewegt sich verschiedenen unüberprüften Quellen zufolge um den Zürcher Gastronomen Christian Kramer, der auch das Restaurant Belvoirpark wieder eröffnete und derzeit betreibt. Die andere Gruppe soll aus einigen Fachlehrern bestehen, die sich darum bemühen. Geoutet hat sich allerdings noch niemand wirklich.
Die Chancen stehen auch nicht besonders gut, aber wer weiss.
Zehntens: EIN LÖSUNGSVORSCHLAG. BACHELOR UND MASTER OF CULINARY ARTS.
Es gäbe tatsächlich einen Markt, sogar im Bereich der einstigen Stärke des Belvoirparks – der Kulinarik. Es gäbe dafür auch die notwendigen Titel: BACHELOR UND MASTER OF CULINARY ARTS.
Die Voraussetzungen wären gar nicht so schlecht: Mit dem «Hotel» in der Fachschule hatte das Belvoirpark noch nie viel am Hut, das könnte also bedenkenlos über Bord geworfen werden. Als Management- und Führungsschule bietet GastroSuisse das erfolgreiche G123 an, das sich mit einer neuen Ausbildung gut kombinieren liesse. Es würde sich also nichts gegenseitig im Wege stehen, nur ergänzen.
Kulinarik? Immer mehr Menschen weltweit suchen die Möglichkeit, sich kulinarisch aus- und weiterzubilden – dazu muss man nur die Liste der kulinarischen Ausbildungsstätten weltweit vor Augen führen. Es würde auch Sinn ergeben, weil in der Schweiz sowohl die Ausbildungsplätze bzw. die Ausbildungsbetriebe für die klassische französische Küche zusehends wegfallen. Zudem hat die Schweiz immer noch eine umfassende kulinarische Kompetenz und ein grosses internationales Renommee.
Die einzigen allerdings, die diesen Markt in der Schweiz bisher anvisierten, sind die Chinesen. Die in Hongkong ansässige Investmentgesellschaft Summer Capital glaubt an den Schweizer Standort und hat mit der Swiss Education Group im César Ritz Colleges in Le Bouveret die Culinary Arts Academy Switzerland eingerichtet – die einzige Institution ihrer Art im Land. Pro Jahr schliessen durchschnittlich 300 Studierende ab, die zwei bis drei Jahre studierten und dafür pro Jahr bis zu 40’000 Franken auf den Tisch legten.
Ein solches Konzept wäre im mindesten zu prüfen.
Auch wenn Casimir Platzer im Interview mit Das Pauli Magazin verständlicherweise sagte, die Branche brauche keine studierten Köche, sondern Leute, die arbeiten. Ein solches Konzept wäre mindestens zu prüfen. Die kulinarische Befähigung auf höchstem Niveau auszubilden, läge sowohl in der Kompetenz als auch im Interesse von GastroSuisse.
Es wäre einerseits nicht weniger, als die Führungsrolle bei der Entwicklung des Aushängeschildes der Gastronomie wieder in die eigenen Hände zu nehmen: dem Kochberuf und der kulinarischen Bildung, Kunst, Technik und Innovation. Und man würde damit dem Nachwuchs eine einzigartige Perspektive bieten. Es würde dem doch wichtigen Verband GastroSuisse gut anstehen.