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  (2) Plastik? Entsorgen? Denner und Blick vs Wenger und Nouvel. Brodmann erinnert sich.

Eigentlich ist die Geschichte der Neulancierung von Cailler 2006 längst vergessen. Doch heute, angesichts der Plastikverschmutzung, müsste doch hin und wieder wenigstens ein kurzer Blick auf die Vergesslichkeit und Einseitigkeit der Medien geworfen werden. Es war eine extrem schöne Verpackung. Und es war ein extremer, schon fast persönlicher Krieg – von Blick und Denner, gegen Nelly Wenger und Jean Nouvel.

2006 lancierte Nelly Wenger (63) als damalige Länderchefin von Nestlé Schweiz (vorher Generaldirektorin der Landesausstellung Expo 02 ) die Marke Frigor/Cailler neu. Sie hatte den Mut, einen völlig neuen Blick auf die altehrwürdige Schokolade zuzulassen – es ging damals darum, den Export zu steigern, und es war vor allem die extravagante Verpackung aus PET des Stararchitekten Jean Nouvel (73) welche Kritiker und Befürworter gleichermassen für sich in den Bann zog.

Dabei gab es zwei kritische Punkte, welche den Zorn auslösten. Denner hatte ein Problem mit dem höheren Preis, der unter anderem aus der Investition von 40 Millionen Franken resultierte. Denner warf Frigor aus dem Sortiment und die anderen Detaillisten prügelten im Windschatten ein bisschen mit.

Blick, voll auf die Schiene von Denner aufgesprungen, warf sich auf das Verpackungs-Thema in Bezug auf Ressourcenverschwendungen und Umweltverschmutzung (Man beachte: Der Detailhandel ist mit seitenfüllenden Aktionsinseraten der grösste Werbeauftraggeber von Zeitungen, während die Produzenten kaum mehr selber Anzeigen schalten – man darf also durchaus über eine journalistische Befangenheit nachdenken).

Und heute? Dieselben Journalisten von damals, die unter dem Deckmäntelchen «Plastik-Flut» Wenger und Cailler fast zu tote schrieben, verlieren heute kein Sterbenswörtchen mehr über PET und Plastik, obwohl der Detailhandel mittlerweile jeden beknackten Salat einzeln in eine Plastiktiefziehschale auf Erdölbasis verpackt und die PET-Flut sich vervielfachte.

PS 1: Ich persönlich bin heute noch begeistert, einerseits vom Mut und der gestalterischen Weitsicht Wengers, andererseits von der Schönheit der Verpackung. Nestlé intern dürfte der Misserfolg der Aktion eher der fatalen Kommunikation bzw. dem Nichtvorhandensein von Kommunikation zuzuschreiben sein. Vermutlich gab es da auch ein paar frühzeitig gealterte oder zanlose Nicker und mutlose Herren, die glaubten, eine Frau, dann auch noch mit französischen Eltern, habe auf diesem Posten nichts zu suchen. Es ist also gut möglich, dass sie da drüber gestolpert ist. Aber das ist mittlerweile auch alter Schnee von gestern.

PS 1: Wer sich einen Moment Zeit nimmt und unter Presserückblick Woche 10 nachliesst, wird feststellen, dass Frey in den USA im Schoggi-Exportmarkt aufholte und Lindt&Sprüngli das Wasser reicht. Alle Marketingfritzen die in Marketinseminaren die Cailler-Geschichte als Running-Gag und Beispiel von schlechtem Marketing einsetzen, sollten sich hüten - an dieser Stelle ist der Konjunktiv Irrealis durchaus angebracht: Hätte Cailler die neue Linie unter Wenger durchgezogen, hätten die Marke möglicherweise die ExportvorHERRschaft übernehmen können.

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