Die einfachste Neuerung dürfte wohl sein, den Gewinn oder Verlust des abgelaufenen Jahres in der Bilanz separat auszuweisen. Auch die Änderung, wo allfällige gehaltene eigene Aktien nun ausgewiesen werden müssen, dürfte - je nach Software die verwendet wird - in einem Update enthalten sein.

Herausfordernd sind jedoch Themen, welche nicht eine reine Darstellungsfrage betreffen. Gemäss neuem Recht muss der Verwaltungsrat die Liquidität eines Unternehmens im Griff haben. Dies war bereits bisher verlangt, mit der Gesetzesänderung ist es nun für alle klar lesbar. Seit dem 1.1.2023 ist der neue Art. 725 OR in Kraft: „Der Verwaltungsrat überwacht die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft“ steht nun im Gesetz. Droht eine Zahlungsunfähigkeit, so hat der Verwaltungsrat Massnahmen zu ergreifen. Solche Sanierungsmassnahmen können bis hin zu einem Gesuch um Nachlassstundung gehen. Das Gesetz bezieht sich bei diesem Artikel nicht auf den Jahresabschluss, d.h. man muss die Zahlungsfähigkeit laufend überwachen. Aber spätestens, wenn Kennzahlen wie der Liquiditätsgrad I oder der Liquiditätsgrad II im Jahresabschluss aufzeigen, dass die Liquidität in Schieflage geraten ist, gibt es kein Pardon. Bei einem Liquiditätsgrad II von unter 100%, d.h. wenn die Flüssigen Mittel und kurzfristigen Forderungen nicht die kurzfristigen Verbindlichkeiten decken, könnte ein Handlungsbedarf vorliegen. Eine Dokumentation, die zeigt, dass im Verwaltungsrat darüber gesprochen wurde und welche Massnahmen zur Verbesserung der Liquiditätssituation in Angriff genommen werden, ist notwendig. Auch in einer Ein-Personen-AG empfiehlt sich als Beweis, dass man sich damit beschäftigt hat, ein Protokoll einer solchen Verwaltungsratssitzung. 

Die Erfahrung zeigt, dass die Konsequenzen einer weiteren Gesetzesänderung bei einigen Kleinstunternehmen, die die Buchhaltung selbst erstellen und/oder nicht durch einen professionellen Treuhänder begleitet werden, nicht angekommen ist. Es geht um die Folgen bei einem Kapitalverlust. Wer einen Verlustvortrag ausweist, kann mit einem z.B. von veb.ch erstellten Excel-sheet (Gratis-Download / Anleitung unter https://www.youtube.com/watch?v=W262TuJqtAg) berechnen, ob der letzte Abschluss einen Kapitalverlust gemäss Art. 725a OR ausweist. Handelt es sich um eine Unternehmung, die mittels Opting-Out auf eine Revisionsstelle verzichtet hat, ist bereits seit dem Abschluss 31.12.2022 Handlungsbedarf angesagt. Der Verwaltungsrat muss eine Revisionsstelle beauftragen, den Abschluss zu revidieren. Das Problem: Eine Revisionsstelle wird sich nicht so leicht finden lassen. Einige Abschlussprüfer haben wenig Lust, sich mit einem Problem-Mandat herumzuschlagen. Es empfiehlt sich, gut zu dokumentieren, dass man sich bei der Feststellung dieses Kapitalverlustes umgehend auf die Suche nach einer Revisionsstelle gemacht hat. Eine gleichlautende Vorschrift ist im Falle einer Überschuldung schon seit Jahren in Kraft. Es hat sich in diesem Zusammenhang gezeigt, dass die Gerichte bei der Deponierung der Bilanz auch den Revisionsbericht dazu verlangen. Dies, obwohl es bei einer Überschuldung erst recht fast aussichtslos ist, eine Revisionsstelle zu finden.
Natürlich wird sich zeigen, dass eine Revision einiges kosten kann. Wer eine Revisionsstelle findet, wird dieser die ganzen Kosten für diese erstmalige Prüfung bezahlen müssen. Anders als bei Unternehmen die sich laufend revidieren lassen, werden nun Kosten für die Aufnahme der Firmendaten und sich ein Bild über die Firma machen, anfallen. Mit dazu gehört, sich auch in den Abschluss des Vorjahres zu vertiefen, um sicher zu gehen, dass die Eröffnungsbilanz stimmt. Zusätzlich ist damit zu rechnen, dass die Revisionsstelle bei einem Neukunden dieser Art einen Vorschuss für ihre Leistungen verlangen wird. Alles Gründe die nach einer anderen Lösung suchen lassen.
Wer glaubt, stattdessen mit einem Rangrücktritt auf ein Darlehen, welches zur Sicherung der Liquidität bereits in die Firma gegeben wurde, sei der Kapitalverlust beseitigt, irrt. Eine Forderung mit Rangrücktritt ist kein Eigenkapital, der Kapitalverlust - und somit die Revisionspflicht - bleibt bestehen. Vor dem Jahresabschluss einen Verzicht auf das Darlehen oder die Umwandlung des Darlehens in eine Kapitaleinlagereserve einzuplanen, könnte ggf. Abhilfe schaffen. Dies verlangt eine zeitnah nachgeführte Buchhaltung, um rechtzeitig zu reagieren
Häufig glauben die Eigentümer-Verwaltungsrat-Geschäftsführer in Personalunion, dass es ja ihre eigene Firma sei, also könnten sie trotzdem einfach so weitermachen wie bisher. Sie segnen ihre Jahresrechnung anlässlich einer Generalversammlung ab, und starten das nächste Jahr, das sicher besser werden wird und ihr Problem hoffentlich beseitigt. Dieser Glauben ist falsch, eine Generalversammlung ohne Revisionsbericht, wäre in diesem Fall NICHTIG. D.h. der in einer solchen Generalversammlung notwendige Beschluss, die Jahresrechnung zu genehmigen, kann nicht stattfinden. Damit ist es in der Folge nicht möglich, basierend auf einem Beschluss die Eröffnungsbilanz für das nächste Jahr zu übernehmen. Und diese Nichtigkeit heisst, dass auch die folgenden Generalversammlungen der nächsten Jahre daran leiden, dass kein Revisionsbericht vorgelegen hat.

Somit bleibt aus gesetzlicher Sicht noch der Weg via einen Nachlass. Hierzu bedarf es für das Gesuch um eine Nachlassstundung
- eine aktuelle Bilanz, 
- eine Erfolgsrechnung und 
- eine Liquiditätsplanung und 
- einen provisorischen Sanierungsplan.
Es braucht somit Unterlagen, aus denen die derzeitige und künftige Vermögens-, Ertrags- oder Einkommenslage des Unternehmens ersichtlich ist, also nicht nur Zahlen, die sich auf den bereits Monate zurück liegenden Jahresabschluss beziehen.
Das Gericht wird in der Regel umgehend eine provisorische Stundung genehmigen und einen Kostenvorschuss für das Verfahren verlangen. M.a.W. billiger als eine Revision wird es nicht. Statt einer unabhängigen Revisionsstelle, wird nun ein Sachwalter einen vertieften Blick in die Buchhaltung werfen.

Die Gesetzesänderung zeigt, dass je länger je mehr eine AG oder GmbH mit Opting-Out zu führen, wenn überhaupt, nur für wirtschaftlich gesunde Unternehmen sinnvoll ist. Eine Revision als lästigen Kostenfaktor und sich einem Dritten gegenüber zu rechtfertigen zu betrachten, ist der falsche Ansatz. Die fachkundige Betreuung durch eine unabhängige Stelle kann ganz generell wertvolle Inputs mit sich bringen.

Einer dieser Inputs könnte aktuell sein, sich mit der Trinkgeld-Frage zu beschäftigen. Ein Thema, bei dem GastroSuisse mit das Schweigen der Lämmer der Branche einen Bärendienst erweist (man denke an den Tagesschau-Beitrag, in dem sie ein Interview ablehnte https://www.srf.ch/news/schweiz/bargeldlos-zahlen-trinkgeld-wird-zum-problem).
In einer Zeit von bargeldlosen Zahlungen lässt sich das Trinkgeld sehr einfach nachweisen. Auch in Betrieben, in denen teilweise noch mit Bargeld abgerechnet wird, ist ein solcher Nachweis möglich. Einmal mit einer Analytics-Anwendung die vorliegenden Kartenzahlungen mit den Konsumationen vergleichen reicht. Bei den Bargeld-Zahlungen würde angenommen, dass prozentual mindestens gleich viel - wenn nicht sogar mehr - Trinkgeld anfällt. Ohne korrekte Abrechnung von Trinkgeldern kommt ein Betrieb seiner Deklarationspflicht nicht nach. Dies beginnt bei der Pflicht, einen korrekten Lohnausweis zu erstellen (und sei es nur auf der Zeile 15 darauf hinzuweisen, dass Trinkgeld in nicht bekannter Höhe möglich sei) und geht weiter zur Abrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen und Quellensteuern. Trinkgelder auf eine falsche Art abzurechnen und/oder falsch in der Buchhaltung zu verbuchen, könnte zudem noch MWST-Probleme nach sich ziehen. 
Den Mitarbeitenden bleiben wegen der nun zu zahlenden Abgaben und Steuern aktuell zwar einige Franken weniger Trinkgeld im Portemonnaie. Der Blick nach vorn zeigt aber, dass im Falle von Krankheit oder Unfall das Taggeld inklusive Trinkgeldanteil bezahlt wird. Spätestens in der Lockdown-Phase haben die Mitarbeitenden erkannt, dass nur der Lohn- und kein Trinkgeld-Ausfall bezahlt wurde. Ein klarer Nutzen dieser gesetzeskonformen Abrechnungsart für die Arbeitnehmenden ist zudem, in einigen Jahren eine entsprechend höheren Rente zu erhalten. Falls ein Unternehmen sich heute um diese Entwicklung foutiert und im Falle einer auf fünf Jahre zurück gehenden AHV-Revision die nachbelasteten Sozialleistungen nicht bezahlen kann, riskieren die Organe, hierfür persönlich zu haften.

Ein weiterer Input könnte sein, sich mit dem Thema Ferienauszahlung bei Angestellten im Stundenlohn zu beschäftigen. Hier entwickelt sich eine Rechtsprechung, wonach es immer weniger Grund zur Ferienlohnauszahlung kombiniert mit dem Stundenlohn gibt. Bisher wurde die Ferienauszahlung damit begründet, es sei sonst kompliziert. Mit entsprechender Software und Organisation lässt sich dies jedoch bewerkstelligen. Das Bundesgericht geht davon aus, dass heutzutage solche modernen Hilfsmittel im Einsatz sind. Erst wenn die Mitarbeitenden wirklich in die Ferien gehen, soll der Ferienlohn auch ausbezahlt werden. Sich nicht mit dieser Entwicklung auseinander zu setzen und in der Folge wegen mangelnder Organisation den Ferienlohn zwei Mal bezahlen zu müssen, tut finanziell weh. 

Lange Rede kurzer Sinn: Wer sich in Form von AG oder GmbH organisiert, muss gesetzeskonform handeln (wobei die Trinkgeld- und Ferienlohn-Thematik für alle gilt, unabhängig von der Rechtsform).