Ein Rehrücken Baden-Baden ist ein Rehrücken Baden-Baden und kein rosa gebratenes Rückenstück. Die alte Art der Zubereitung sieht nämlich vor, den gespickten Rehrücken mit Crème Fraîche zu bestreichen und während des Bratens mit Bratensaft zu arrosieren, so dass eine glacierende Schicht auf dem Fleisch entsteht – nach diesem Prozedere ist das Fleisch durchgegart. *

Darüber hinaus wird heutzutage das Rehfleisch oftmals bardiert, also mit Speckscheiben und manchmal sogar mit Tranchen von Schwarzwälder Schinken umhüllt. Das alles darf man natürlich, hat allerdings nichts mehr mit Rehrücken Baden-Baden zu tun. Das Pökelsalz, im Falle des Specks zusammen mit dem Raucharoma des Schinkens, «killt» alles, was diese Variante des Rehrückens so feingliedrig geschmackvoll macht - das durchdringende von Wachholder und Thymian, welches sich mit dem glacierten Sauerrahm-Fleischsaftgemisch verheiratet. 

Namensgeber des Rehrückens ist der Ort Baden-Baden. Die Kur- und Bäderstadt, deren Thermalquellen schon die alten Römer schätzten, war die «Capitale d’éte» Europas des 19. Jahrhunderts und Treffpunkt der Adligen, Reichen und Schönen. Dies nicht zuletzt wegen der Spielbank im Kurhaus, das eigentlich gar nicht Kurhaus, sondern Konversationshaus genannt wurde. Es war nämlich auch ein Treffpunkt für die Elite aus Musik, Literatur, Wissenschaft und Kunst. Von Clara und Robert Schumann bis Franz Liszt gaben sich die Musiker die Klinken in die Hand.

Woher der Rehrücken Baden-Baden kommt, wer ihn wann erfunden hat und welcher Koch diesen so taufte, sei dahingestellt: Sicher ist, ein opulentes Gericht war unabdingbar. Und was passt besser als der Rücken eines Sommerbockes für die Sommerhauptstadt?

Abschliessend: Natürlich ist es heutzutage genau so wenig falsch, den Rücken des Rehs, wie es sich für eine mondäne Küche gehört, rosa und ohne Schweinefett zu braten, um den feinen Geschmack des Rehfleisches zur Geltung zu bringen. Es ist allerdings ebenfalls genau so wenig falsch, den Rehrücken Baden-Baden nach alter Art zuzubereiten. Wie dem auch sei, in der Folge somit nicht DAS, sondern EIN Rezept, das der ursprünglichen Art nahekommen dürfte.

*Anmerkung zum Durchbraten von Reh- und Hirschfleisch: Zur Zeit der vorletzten Jahrhundertwende waren Kühlmöglichkeiten beschränkt. Es war üblich, das Wild in der Decke also im Fell bis zum Hautgôut bzw. Federwild zum Tropf abhängen lassen. Als Hautgôut wird das sehr ausgeprägte und eigene Aroma bezeichnet, das Wildbret entwickelt, wenn es so lange abgehangen wird, dass der Umwandlungsprozess von Glukose und Glykogen in Milchsäure sowie die Enzymatischen Prozesse also Abbau und Zersetzung von Proteinen im Gange sind. Dieser Verlauf zersetzt die Fasern, macht Fleisch Mürbe und entwickelt den Geschmack. Am kopfüber aufgehängten Federwild bildet sich ein Fetttropf am Schnabel – deshalb zum Tropf abhängen. Im Grunde handelt es sich hierbei bereits um die ersten Verwesungsprozesse von Fleisch, die jedoch noch als Fleischreifung angesehen werden. Wenn nach den Enzymen im Muskelfleisch auch noch Bakterien richtig in Gang kommen, fängt das Fleisch für menschliche Verhältnisse an zu stinken. Je näher der Reifeprozess an diese Bakterielle Tätigkeit herangeführt wird bzw. desto strenger wird der Geschmack. Die Kombination wenig verfügbare Kühlmöglichkeiten + Bakterielle Tätigkeit führte zur Tatsache, dass zur Zeit der Entstehung des Rehrückens Baden-Baden – vermutlich im 19. Jahrhundert, ein Rehrücken durchgegart werden musste.

 

 

Rezept

Für 2 Personen mit grossem Appetit oder für 4 Personen, die allesamt schon eine Suppe sowie eine Vorspeise gegessen haben.

 

Rehrücken

Stk       1          Rehrücken, küchenfertig, ca. 1 Kg
Stk       10        Rückenspeck (Grüner Speck, SpickSpeck) vom Schwein, Streifen, entweder so lange wie der Rehrücken zum Lardieren oder dann so breit wie der Rehrücken zum Spicken.

Anmerkung:
Lardieren: Speckstreifen werden der Länge nach bzw. den Fleischfasern entlang mit dem Lardoire durch das Fleisch gestossen.
Spicken: Speckstreifen werden quer zur Fleischfaserung mit der Spicknadel durch das Fleisch gezogen.

Stk       15        Wachholderbeeren
Stk       1          Thymian, Zweig

Salz
Pfeffer, aus der Mühle
Olivenöl
Gr        300      Crème fraîche
Dl        4          brauner Wildfond, leicht gebunden
Dl        1          Weisswein

Den Rehrücken auf die Rippen stellen, sodass der Kamm (die Dornfortsätze der Wirbel) nach oben schaut. Dem Kamm entlang die Filets bis auf halbe Höhe der Dornfortsätze lösen. Den Rehrücken entweder der Länge nach mit drei bis fünf Streifen pro Filet mit dem Lardoire bzw. dem Spickstab lardieren oder dann mit kurzen Stücken in der Längsachse, also im rechten Winkel zum Filet, mit der Spicknadel auf ein bis zwei Reihen spicken.

Mit der Spicknadel wird, wie beim Nähen der Faden, die Speckstreifen durch das Fleisch gezogen. Währen des Bratens nimmt das eher trockene Fleisch das Fett des Speckes auf und bleibt so saftiger.

Thymianblättchen abzupfen und zusammen mit den Wachholderbeeren im Mörser zerstossen oder cuttern. Mit einem gestrichenen Espressolöffel Salz vermischen. Diese Mischung beidseits zwischen Kamm und Fleisch streuen, anschliessend das Fleisch wieder an den Knochen drücken. Den Rehrücken salzen, pfeffern und mit wenig Olivenöl einreiben.

Ofen mit Ober- und Unterhitze auf 230° Celsius vorwärmen. Den Rehrücken in einem Rotisseur bzw. Bräter mit wenig Olivenöl auf allen Seiten anbraten und auf die Rippen stellen – Kamm nach oben. Das Fleisch oben mit Crème fraîche bestreichen. Ofen zurückstellen auf 200° Celsius. Nach 10 Minuten mit allfälligem Fett und Fleischsaft mit einem Löffel das Fleisch arrosieren, anschliessend mit Crème fraîche bestreichen. Das Prozedere während der 40- bis 45-minütigen Bratzeit mehrmals wiederholen.

Den Rehrücken in Alufolie schlagen und 10 Minuten abstehen lassen. 

Währenddessen den Bratensatz mit Weisswein und braunem Wildfond ablöschen. Bratensatz löschen und alles in eine Sauteuse geben, zur Hälfte einkochen und zur Seite stellen.

Rehrücken aus der Alufolie nehmen, allen Saft auffangen. Fleisch bzw. Filets auslösen, in Tranchen schneiden und auf dem Rückenknochen wieder zusammensetzen, auf einer Platte anrichten, mit den mit Preiselbeerkompott gefüllten Birnenhälften garnieren und mit der wie folgt im letzten Moment fertig gemachten Sauce servieren.

Allen Fleischsaft zur Sauce geben und aufkochen. Restliche Crème fraîche (ca. Gr) zugeben, einmal gut durchkochen und mit Salz abschmecken. Vom Feuer nehmen und servieren. Nicht mehr weiter kochen, da die Gefahr besteht, dass die Sauce gerinnt.

Der Rehrücken Baden-Baden wird mit badischen Spätzle und oftmals mit einem Eierschwämmchen bzw. Pfifferlings-Ragout serviert.

 

Garnitur

Pochierte Birnen

Zutaten

2          Stk       Birnen*
Gr        200      Zucker
Dl        3          Wasser
Dl        3          Birnensaft
Stk       3          Prisen Salz

Zubereitung

Zucker und Wasser mit Salz aufkochen. Birnen rasch schälen (durch den Luftsauerstoff und die damit verbundene Oxydation laufen Birnen meist umgehend braun an), halbieren und mit einem Pariser Löffel das Kerngehäuse derart entfernen, dass eine schöne Vertiefung für die Preisbelbeeren entsteht. Kommen die Birnen nicht sofort ins Pochierwasser, können diese in kaltes Zitronenwasser eingelegt werden – das hemmt das Braunwerden. Die Birnen in das kochende Zuckerwasser geben, die Pfanne vom Herd nehmen und gar ziehen lassen (Pochieren)

*Wenn möglich süss-säuerlichen Birnen wie die alten Sorten Clapps Liebling oder Gellerts Butterbirne verwenden – diese sind ausserordentlich schmackhaft, müssen allerding als eher weiche Sorten sehr sorgfältig verarbeitet und pochiert werden.

 

Preiselbeerkompott

Zutaten

Gr        300      Preiselbeeren*, frisch, gut gewaschen
Gr        100      Zucker
Stk       1          Prise Salz
Stk       ¼         Zitrone

Zubereitung I

Zucker in eine Pfanne geben und erhitzen. Fängt der Zucker an zu schmelzen, die Preiselbeeren dazu geben und mit einem Holzspatel einrühren. Auf mässigem Feuer die Preiselbeeren im Zucker weichkochen. Salzen und mit ein paar Tropfen Zitronensaft abschmecken. 1/3 der Beeren zerdrücken und nochmals gut durchkochen, in eine Schüssel geben und kaltstellen. Wem das zu wenig «dick» ist bzw. wer keine Beeren zerdrücken und einen klaren Gelee um die Beeren haben will, der kann Gelierzucker verwenden oder auf diese Menge zum Schluss ein halbes, eingeweichtes Blatt Gelatine unter das noch weiche Kompott mischen.

Zubereitung II - kaltgerührte Preiselbeeren

Je nach Wunsch und Süsse auf 500 g Preiselbeeren 250 bis 400 g Zucker rechnen. Preiselbeeren sorgfältig aber gründlich waschen und die «schlechten» herauslesen. Gut abtropfen lassen. Preiselbeeren und Zucker in die Teigmaschine geben und mit dem Knethaken (auf keinen Fall mit dem Schneebesen) auf der niedrigsten Stufe als langsam 1 bis 2 Stunden rühren. Die Beeren dürfen dabei nicht platzen und zerquetscht werden, sondern sie sollen ganz bleiben. Das ist gegenüber der gekochten Variante weder richtig noch falsch sondern einfach anders. Der offensichtliche Vorteil: Der filigrane Geschmack, die wunderbaren Säuren bleiben erhalten, wie sie sind. Hinzu kommt, Vitamin C, Antioxidantien und die nachweislich entzündungshemmenden Stoffe (Gerbstoffe und Phenolsäuren) werde nicht durch Hitze zerstört. 

*Beide gehören zwar der Gattung der Heidelbeeren an, doch echte Preiselbeeren (Vaccinium vitis-idaea) unterscheiden sich geschmacklich deutlich von der Kulturpreiselbeere bzw. der Cranberry, einer grossfruchtigen Moosbeere (Oxycoccus macrocarpos). Beide werden in der herkömmlichen Heilkunde unter anderem als Saft gegen Blasenentzündung eingesetzt.