Nina Vagli: Bieten Sie Ihren Gästen den «Doggy Bag» an!

Mirko Burri: Sein oberstes Ziel: keine Lebensmittel verschwenden. Nach Jahren als Küchenchef an den besten Adressen im In- und Ausland hatte er genug. Jetzt kocht er in seinem eigenen Restaurant «Mein Küchenchef» nur noch, was und wie es ihm passt: regional und fast ohne Lebensmittelabfälle. Mirko Buri schärft im Gespräch die Sicht auf «Food Waste».

 

NV: Herr Buri, vom Spitzenkoch zum «No Food Waste»- Koch, wie kam der Sinneswandel?

MB: Durch den Dokumentarfilm «Taste the Waste», der das Thema Lebensmittelabfall aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und das Ausmass der Verschwendung aufzeigt. Nach dem Film hatte ich diesen Moment, in dem man sich über etwas aufregt und denkt, dagegen sollte jetzt jemand etwas unternehmen. Ich bin aufgestanden und habe zu mir selber gesagt, dieser jemand bist du. Das war der eigentliche Ursprung meines Wandels.

 

NV: Rund fünf Prozent der schweizerischen Lebensmittelabfälle (115 000 Tonnen pro Jahr) entstehen in der Gastronomie. Wie sensibilisieren Sie Ihre Gäste für diesen Fakt?

MB: Im Mittagsservice weisen wir jeden Gast darauf hin, dass wir nur kleine Portionen servieren, um Abfälle zu vermeiden. Immer mit der Option, dass jeder Gast selber nachschöpfen darf. Wenn bei einem Gast etwas übrigbleibt, fragen wir nach, ob wir die Reste für zuhause einpacken dürfen. Das «Doggy Bag»* ist im Moment sehr im Kommen. Auf unseren «Doggy Bags» sind verschiedene Fakten zum Thema «Food Waste» aufgeführt. Auf jedem Produkt, das wir verkaufen, wird unser Herstellungsprinzip nach «No Food Waste» dargestellt. Dann führen wir Team- Events durch, bei denen es in einer halbstündigen Einführung nur um Fakten, sowie die Entstehung von Lebensmittelabfällen geht. Zudem sind wir mit unserem Konzept regelmässig auf Publikums- und Fachmessen sowie an Familientreffs, Schulen und Projektwochen unterwegs. *Doggy Bag (wörtlich: «Hundetüte») ist die englischsprachige Bezeichnung für verschiedene Formen von Behältern, die in der Gastronomie für das Einpacken und den Transport der Reste von bestellten und nicht vollständig verzehrten Mahlzeiten bestimmt sind. Diese Speisereste können so von Gästen für den späteren Verzehr mitgenommen werden.

 

NV: Vermeidung von «Food Waste» beginnt nicht erst in der Küche – sondern bereits beim Produzenten. Durch den Einsatz von Gemüse aus Überproduktion oder Brot von gestern. Wie haben Sie die richtigen Partner gefunden?

MB: Bei den Bauern benötigten wir rund 1,5 Jahre, bis wir sie für unsere Sache gewinnen konnten. Das war wirklich schwierig. Zum Teil können diese heute nicht mehr an ihrem Stammtisch sitzen, weil sie mit uns zusammenarbeiten. Verschiedene Comestibles haben wir ebenfalls angefragt, aber sind dort auf totales Unverständnis gestossen. Sie sind, so meine Erfahrung, noch sehr weit weg vom Thema. Unsere Bauern besuchen wir monatlich, auch auf dem Feld. Das sind Beziehungen, die uns sehr wichtig sind und in die wir investieren. Mittlerweile sind wir so weit, dass wir beim ersten Bauern Candle-Light-Dinner mit «No Food Waste» durchführen. Am Wichtigsten ist es, immer wieder das Gespräch mit den Produzenten direkt zu suchen. Und auch direkt nach Restposten und Produkten mit Mängeln zu fragen.

 

NV: Ihnen ist es ein zentrales Anliegen, Prozesse und Abläufe so zu optimieren, dass keine Rohstoffe verloren gehen. Welche drei Massnahmen können unsere Leser bereits morgen in ihrem Betrieb umsetzen?

MB: Die erste Massnahme betrifft die Planung, also konkret, wie gross eine Portion ist. Der Gastgeber beginnt damit, sich zu überlegen, wieviel er serviert und das in Form eines Gramm-Gewichts. Vor allem bei einem Tagesmenü «schicken» Viele ungefähr. Als zweite Massnahme empfehle ich, das «Doggy Bag» aktiv anzubieten. Wir rufen nun bereits zwei Jahre dazu auf und langsam zeigt es Wirkung. Jedoch muss dazu gesagt werden, dass der Gastgeber den ersten Schritt machen muss und in der Verantwortung steht. Wir vakuumieren die Reste und geben sie in einer passenden Box nach Hause mit. Als dritte Massnahme empfehle ich, dass der Küchenchef nach jedem Service den Überschuss kontrolliert, entsprechend erfasst und nach Bedarf Anpassungen vornimmt.