Home made Convenience

Rückblick:

Noch vor zirka 20 Jahren waren die Convenience Produkte der Nahrungsmittelindustrie in der Regel recht gut von den hausgemachten Varianten zu unterscheiden. Beispielsweise konnten die Teige für frische oder tiefgekühlte Pasta (Tortelloni, Ravioli etc.) von den industriellen Maschinen nur bis zu einer gewissen Dicke verarbeitet werden. Das hat sich radikal verändert. Heute entsprechen sowohl frische als auch tiefgekühlte Pasta in Bezug auf Geschmack, Teigdicke und Beschaffenheit, aber auch der allgemeinen Verarbeitungsqualität oft denen der kleinen handwerklichen Manufakturen. Die Industrie hat in der technischen Verarbeitung derart grosse Fortschritte gemacht, sodass quer durch alle Produktegruppen industriell gefertigte Waren oft nicht mehr von handwerklich hergestellten zu unterscheiden sind. Dies gilt bei teilfertigen bis zu verzehrfertigen Convenience- Produkten.

Die Grundlagen für den Fortschritt und die Qualitätserfolge der Industrie schafften und schaffen vor allem gut ausgebildete Köche. Diese forschen, entwickeln, setzen um und verbessern laufend. 

Die Entwicklungen hatten deutliche Auswirkungen für die Gastronomie, Küchen und Köche. Das zeigt sich schon alleine in den prägnantesten Hauptargumenten pro Convenience-Food: Mit Convenience können Mitarbeiter eingespart werden. Mit Convenience Food werden Prozesse vereinfacht und es kann Zeit gewonnen werden, die dann frei ist für Kreativität. Das beeinflusste die Bauweise von Küchen genauso wie die Aufstellung und Organisation von Brigaden. Alles wurde kleiner, kompakter, oft geschrumpft auf ein Minimum.

Die Frage pro- oder contra Convenience Food war schon immer müssig und überflüssig. Es war und ist eine Frage des Konzeptes und der Kalkulation. Convenience-Food bedeutet nichts anderes als ein Outsourcing der Produktion. Dabei gab es ein Kernproblem: Mit dem Outsourcing der Produktion wurde mehr oder weniger auch die Wertschöpfung an die Industrie ausgelagert.

Eine weitere Tatsache: Es bildeten und bilden sich mehr oder weniger Normierungen, was Geschmack, Inhalt und Konsistenz betrifft. Diese lassen sich oft auch durch individuelle Zubereitungsarten nicht oder nur bedingt „wegkochen.“ Da die Produkte für den Gross- und   den Detailhandel über dieselben industriellen Produktionswege laufen, kennen die Konsumenten und damit die Gäste der Gastronomie sehr wohl Qualität, Geschmack und Konsistenz. Zuhause wird also dasselbe gegessen wie in der Gastronomie. Schlussfolgerung: Gäste fragen sich zunehmend, weshalb sie für das vermeintlich gleiche, austauschbare Produkt aus dem Detailhandel den wesentlich höheren Preis in der Gastronomie bezahlen sollen.

 

Gegenwart

Der Vorteil von „Convenience“ liegt neben der vereinfachenden Art, also der «Bequemlichkeit» in den kostensenkenden Auswirkungen, in der Erhöhung der Haltbarkeit, der Ausdehnung der Verfügbarkeit zu jeder Zeit bei tieferen Lohnkosten und gleichzeitiger Reduktion von Lebensmittelverschwendung durch Rüstabfälle, Verderb, Überproduktionen etc.

Es sind doch überzeugende Vorteile, die zur Annahme führen, dass sich diese Entwicklungslinie des Convenience Food auch in Zukunft halten kann. Wohin das führt ist klar – in logischer Konsequenz in eine radikale Zunahme der Entwicklung / Verwendung von mehr und mehr verzehrfertigen Convenience-Produkten.

Neben der Kalkulierbarkeit, der reduzierenden Wirkung auf die Personalkosten, der reduzierenden Wirkung auf die Verschwendung (Foodwast) sowie der absoluten Verfügbarkeit ist auch ein weiterer wesentlicher Faktor zu beachten, der in den letzten 10 Jahren entstanden ist: Die Hygiene / Das Lebensmittelgesetz.

Das heutige Lebensmittelgesetz ist von der Nahrungsmittelindustrie für die Nahrungsmittelindustrie geschrieben und mit dem Lobbying sowohl auf politischer Ebene als auch auf Beamtenebene durchgesetzt worden. Dieses Lebensmittelgesetz ist auf eine lineare Produktion ausgerichtet. Heutige Gastronomieküchen funktionieren aber nie linear, sondern immer kreuz und quer.

Fazit: Je höher der Convenience-Grad in einer Küche, desto geringer ist das Risiko gegen das Lebensmittelgesetz zu verstossen.

Wortwörtlich wurde dabei aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn gleichzeitig ist eine entgegengesetzte Modeströmung in Gang gekommen.

Diese geht eindeutig Richtung haus- und handgemacht. Die Köche wollen wieder Geschmack und Konsistenz selbst bestimmen. Und das tun sie immer öfter mit Industrietechniken, die den Weg zurück in die Gastronomieküchen gefunden haben.  Im Übrigen ist das eine der positiven Auswirkungen der Molekular- / Avantgardeküche, die zum Beispiel das Sous Vide-Verfahren wieder in Szene rückte.

Mit diesen bestehenden, aber auch zukünftigen Gastronomietechniken lassen sich eigene Gerichte linear (z.B. Sous Vide – Combisteamer – Schockfroster – Lagertechniken) als hausgemachte Convenience produzieren - also kreieren, produzieren, verpacken, haltbar machen und bei Bedarf erhitzen und anrichten.

Jede Küche kann sozusagen zu einer mehr oder weniger kleinen industriellen Fertigungslinie werden, in der das eigene Convenience produziert wird.

Die Grundlage für diese Entwicklung zugunsten der Gastronomie liefert also die Nahrungsmittelindustrie selbst. Sie hat Produktionsmethoden und Techniken weiterentwickelt und perfektioniert. Jetzt dreht der Wind: Die Produktionsmethoden und Techniken werden von Küchentechnikherstellern aufgegriffen und für Gastronomieküchen neu- und weiterentwickelt.

Die Geschichte wiederholt sich: 1941 baute der deutsche Konrad Zuse den Z3, der heute als erster Computer angesehen wird. In der Folge kam die britische Kolossus und der amerikanische Antanasoff-Berry. Die Technik der drei Rechner war derart teuer und so unglaublich gross, dass der damalige IBM Boss Thomas J. Watson gesagt haben soll „Ich glaube, es gibt einen weltweiten Bedarf an vielleicht fünf Computern.“ Anfangs war es die Geldindustrie, das Militär etc., die die Computer nutzten und weiterentwickelten... Immerfort wurden die Geräte kleiner und billiger. Jeder von uns hält heutzutage das vorläufige Resultat mit dem Smartphone in den Händen und die Entwicklung ist längst nicht abgeschlossen.

Im Grunde passiert dasselbe mit der Küchentechnik. Die einstigen Grossanlagen zur Convenience-Produktion sind heute in jeder Haushaltsabteilung der Kaufhäuser zu erstehen. Vacuumiergeräte, kochechte Plastikbeutel, Sous-Vide-Kochgeräte etc.

Die Methode, Speisen im Plastikbeutel unter Vacuum verschweisst im Wasserbad oder im Dampf zu garen, wurde in den 1970ern in Frankreich entwickelt. Durchgesetzt hat sich die Technik damals nicht. Die Verwendung in Haushalten oder der Gastronomie war zu teuer, zu aufwendig, zu kompliziert. Ausserdem waren die notwendigen Geräte (Combisteamer etc. existierten damals noch nicht) hauptsächlich auf chemische und biologische Laboratorien zugeschnitten. Doch die Nahrungsmittelindustrie erkannte die Vorteile, adaptierte und integrierte die Technik.

Wiederentdeckt wurde die Sous Vide-Technik unter anderem, weil sich zu garende Komponenten mit einem oder mehreren Gewürzen, Geschmäcker, Aromen etc. imprägnieren lassen (zum Beispiel eine Karotte mit Sternanis, eine Pouletbrust mit Trüffel oder Ähnlichem). Dies gelang mit keinem anderen Verfahren derart gut. Die technische Entwicklung ging schnell – heute sind alle notwendigen Geräte und Produkte zur Umsetzung klein, handlich, einfach zu bedienen und sind erschwinglich.

Und andere industrielle Verfahren werden folgen (Z.B. gefriertrocknen, verpacken, einschweissen, begasen etc.).

 

Ausblick

In nächster Zeit (Zeithorizont von 1 bis 5 Jahre) werden die ersten grossen Küchen beginnen, industrielle Produktionslinien in der Küche zu installieren. Dann werden Gerichte für Bedarfszeiträume von ein bis zwei Wochen zubereitet, verpackt, begast, verschweisst, gekühlt, gelagert und bei Bestellung erhitzt, angerichtet und serviert.

Ein konkretes Beispiel: In der Küche wird ein Gericht von der Karte - z.B. Kalbssteak an Morchelrahmsauce mit glacierten Karotten und hausgemachten Butternudeln – fixfertig gekocht, in einer Plastikschale – so wie es denn auf dem Teller angerichtet sein soll – arangiert, begast, verschweisst, schockgekühlt und gekühlt gelagert. Das Gericht ist jetzt zum Beispiel zwei Wochen haltbar – muss also nur noch alle zwei Wochen produziert werden. Bei Bestellung wird es innerhalb von 3 Minuten in der Mikrowelle erhitzt, auf den Teller angerichtet und serviert.

Fazit: Die Gerichte sind hausgemacht, die Köche bestimmen Geschmack, Aroma und Konsistenz, die Wertschöpfung bleibt im eigenen Betrieb und das unter Beibehaltung aller Vorteile von Convenience Food.

Diese Technik wird als Erstes von Grossküchen wie Spitäler und Heime verwendet werden. Diese haben heute noch eines der wichtigsten zentralen Probleme, das den grössten logistischen Aufwand verursacht: Patienten und Gäste müssen „gestern“ das bestellt haben, was Sie heute essen wollen. Mit allen Diätformen und sonstigen Bedürfnissen sind die Aufwände bis anhin enorm. Mit einer solchen vorhergehend beschriebenen technischen Convenience-Lösung und einer Verlagerung der Fertigung (erhitzen, anrichten) auf Stationen, respektive dorthin, wo serviert wird, werden die Aufwände drastisch reduziert werden können. Als Nebeneffekt werden auch die Resten (Nahrungsmittelverschwendung) zurückgehen, nämlich dann, wenn Gäste und Patienten das bestellen können, was sie 5 Minuten später, also sofort, serviert bekommen – denn wer wusste gestern schon, was er morgen essen will.

Als Nächstes dürfen wohl zentrale Produktionsküchen von Gemeinschaftsverpflegern und sehr gossen Gastronomiegruppen entstehen. Letztendlich, wenn die Technik soweit ist und die Preise für Verpackungsanlagen genug gesunken sind, werden auch grössere Einzelbetriebe einsteigen können.

Interessant wird sein, was auf dem Teller passiert, wenn Restaurantküchen zu kleinen Nahrungsmittel-Industriebetrieben werden und das, was auf dem Bauernhof nebenan oder sogar im eigenen Garten wächst und gedeiht, industriell verarbeitet und als verzehrfertige Convenience haltbar gemacht werden kann. Und aufschlussreich wird es sein, wie die Nahrungsmittelindustrie darauf reagieren wird, wenn denn eine solche Entwicklung eintritt.