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  Was hat das nicht automatische Türöffnen in ÖVs und die privat bezahlten Handyabos für den Schulfernunterricht mit Brodmanns 68-Milliardenbitte zu tun? Ganz einfach: Solidarität und Vorbildfunktion des Staates.

Jede Stimme zählt. Ein Leser, der ungenannt bleiben möchte, hat auf meine «Bitte an den Bundesrat» geschrieben, die Forderung nach den 68 Milliarden sei unnötig. Ich erklärte darauf hin, dass es mir nicht per se um die Zahl, sondern um die Solidarität und um die Haltung gehe, mit aller Entschlossenheit hinter den KMUs zu stehen. Diese Haltung des Staates ist, wie ich finde, noch ausbaufähig.

 

Der Leserbriefschreiber hat natürlich recht: «Auch wir sind wirtschaftlich massiv von den Massnahmen gegen das Corona-Virus betroffen. Auch wir hoffen, dass es den Behörden gelingt, mit vielen Milliarden die gröbsten wirtschaftlichen Schäden dieser Massnahmen zu lindern. Und ja, auch wir haben vor 12 Jahren alle unsere UBS-Konten gekündigt.» Ihr 68 Milliarden-UBS-Vergleich ist jedoch in mehrfacher Hinsicht nicht korrekt (…) Es stimmt überhaupt nicht, dass der „Steuerzahler“ oder der „Bund“ seinerzeit die UBS gerettet hat. Das ist (…) Polit-Propaganda. Tatsache ist, dass nach der Lehmann-Pleite die amerikanischen Hypothekenpapiere von denen die UBS zum Einstandspreis von über 100 Milliarden in ihren Aktiven hatte, unbewertbar wurden. Da das Eigenkapital der UBS zu diesem Zeitpunkt weniger als 100 Milliarden betrug, entstand dadurch eine bilanztechnische Überschuldung und die UBS hätte laut Gesetz ihre Bücher bei einem Richter deponieren müssen. Bevor die UBS zum Richter ging, sprach sie mit dem Bund. Der Bund entschied, dass die Nationalbank die unbewertbaren Papiere der UBS für 60 Milliarden (nicht zum Einstandspreis von 100 Milliarden) abkauft und in eine Zweckgesellschaft auslagert. Zudem zeichnete der Bund eine Wandelanleihe für 6 Milliarden, die der UBS ein bisschen Cash verschaffte. Mit dieser Lösung musste die UBS „nur“ etwas über 40 Milliarden abschreiben. Die Wandelanleihe zahlte die UBS pünktlich mit 8 Milliarden zurück. Der Gewinn für den Bund oder die Steuerzahler betrug 2 Milliarden. Noch besser erging es der Nationalbank mit dem Verkauf der kurzfristig nicht bewertbaren amerikanischen Hypotheken. Dort entstand ein Gewinn von 8 Milliarden, den sich die Nationalbank und der Bund brüderlich teilten. Im Nachhinein gesehen hätte die UBS nicht zum Bund gehen sollen. Wenn sie gewartet hätte, hätte sie selbst von der Tatsache profitieren können, dass sich bei den amerikanischen Papieren wieder ein Preis bildete. Aber da ist halt das Gesetz, das besagt, man müsse die Bilanz deponieren in dem Moment wo eine Überschuldung festgestellt wird. Selbst dann, wenn es nur eine theoretische Überschuldung ist. Man könnte es auch so sehen. Der Finanzdienst des Bundes und die Nationalbank haben eiskalt das Gesetz ausgenutzt, in dem nicht vorgesehen ist, dass bei „technischer“ Überschuldung eine Karenzfrist gewährt werden kann.»

Nochmals: Der Leser von Das Pauli Magazin und Leserbriefschreiber hat hierbei natürlich recht. Mir ging es, schrieb ich ihm zurück, aber nicht um die konkrete Forderung nach den 68 Milliarden, sondern um die Dimension des Ausdrucks der solidarischen Haltung gegenüber den KMUs. Es ging mir weniger um die Zahlen, sondern vielmehr um das Zeichen, den Ausdruck, die Signalisation des Bundes gegenüber den KMUs, für diese jedes mögliche Risiko einzugehen, denn weder Bund noch Nationalbank wussten damals, ob das eingegangene Risiko der 68 Milliarden verloren gewesen sein würde. Es ist ja glücklicherweise anders bzw., zum Best Case gekommen. Damals war aber der Bund bereit, im Worst Case dieses Geld zu verlieren. Diese Haltung ist meine Erwartung.

Auf eine meiner Reaktionen schrieb der Mann mir, es täte ihm leid, es wäre nicht seine Absicht gewesen, mich persönlich zu verletzen und was er auch noch schrieb: «Sie sind ja schneller als die Feuerwehr.» Ja, ich bin in der Tat schnell. Mit Sicherheit schneller als alle Verbände und Verbandsmedien. Und im Gegensatz zu diesen, habe ich auch noch eine eigene Meinung die ich äussere, mit meinem Namen vertrete und dafür auch die Kritik einstecke. 

Und: Ich für mich bin sehr glücklich, hat Das Pauli Magazin Leserinnen und Leser, die auch wirklich lesen, kritisch betrachten und dann auch noch zurückschreiben…

So kommt nämlich auch solches zu tragen: «(…) Um beim Beispiel Gastronomie zu bleiben, bezahlt die öffentliche Hand wohl die Kurzarbeit, welche sich in den nächsten drei bis vier Monaten ergibt, weil diese Betriebe geschlossen werden. Nebst der Gastronomie gibt es noch Zehntausende von Non-Food-Detailhändler und Betriebe der Reise-, Freizeit- und Beauty-Branche, ganz zu schweigen von den persönlichen Dienstleistungen, die verboten wurden. Wir reden von Hunderttausenden von Existenzen, die dieser Tage betroffen sind. Die Kosten der Kurzarbeit, welche daraus entstehen, ist auf 25 Milliarden zu veranschlagen. Dieses Geld liegt Gott sei Dank in verschiedenen Reservefonds bereit.»

Und dann, hängte der gute Mann mir noch ein «Apercevoir» an, bei dem ich tatsächlich nicht wusste, ob ich vor Lachen brüllen oder vor Betroffenheit weinen soll:

«In der Schweiz wurden die Coiffeur- und Kosmetikbetriebe geschlossen. Wer Kunden hinter verschlossenen Türen bedient, macht sich strafbar. Entweder macht er es gegen Schwarzgeld, was strafbar ist, oder er macht es gegen Quittung, dann hat er die vom BAG empfohlene Distanz nicht eingehalten. Beachten Sie morgen bei der Pressekonferenz unserer Bundesräte. Die sind alle frisch frisiert und professionell geschminkt. Dies ist eine Tatsache, die nicht geleugnet werden kann. Der sehr kluge deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt hat einmal gesagt: «Man darf die Ignoranz von Regierungen niemals unterschätzen.»

Dem habe ich noch etwas anzufügen - nachdem am Freitag 20. März 2020 vom Bundesrat mit gepuderten Nasen und geschniegelten Haaren die neuen Corona-Richtlinien durchgegeben wurden:

Es ist oftmals auch der Staat, der es einfach nicht fertigbringt adäquat zu handeln: Schweizweit wird von den Lehrkräften verlangt, von zu Hause aus zu unterrichten, aber die Handys, die Mobile-Abos müssen die Lehrer zu oft selber einrichten und bezahlen. Und einige öffentliche staatliche Verkehrsmittel – beim Zürcher Verkehrsverbund ZVV bzw. den Zürcher Verkehrsbetrieben ZVB aus eigener Erfahrung – bringen es tatsächlich nicht fertig, die Türen durchgängig automatisch zu öffnen, damit die Fahrgäste den grössten Virenhotspot, den Türöffner, nicht berühren müssen.

Wie sollen wir den Staat, den Bund ernst nehmen, wenn er selber nicht stringent nach den eigenen Vorgaben handelt? Also, bitte lieber Staat und liebe Staatsbetriebe, seid Vorbilder und haltet es wie unser grosser Mentor der Gastronomie Ueli Prager mit seinem Credo, dem «Gut in kleinen Dingen.»

 

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