«Bienen faszinieren mich. Ihr Verhalten und wie man dem Bienensterben entgegen wirken kann, haben mich motiviert, diese wissenschaftliche Arbeit über Bienen und die Varroa-Milben zu machen», sagt Daniel Barco bei unserem Treffen.
Mit der neuen Smartphone-App «Apizoom» können die Varroa-Milben seit Anfang 2020 automatisch durch visuelle Erkennung und anhand von Machine-Learning-Technologien ausgezählt werden. Varroa-Milben und Pestizide gehören zu den Hauptursachen für das Bienensterben. Apizoom ermöglicht es Imkerinnen und Imkern, das Ausmass des Varroa-Befalls in Bienenvölkern einzuschätzen und dadurch die Mittel zur Parasitenbekämpfung gezielter und weniger häufig anzuwenden. Imker können mithilfe von einem solchen App Varroa-Milben automatisiert zählen.
Dadurch kann der Varroa-Milbenbefall leichter festgestellt werden.Die Anwendungssoftware zählt das Kommen und Gehen von Bienen. Der angehende Data Science-Wissenschafter Daniel Barco: «Das Ergebnis meiner einjährigen Masterarbeit hat die Vereinfachung der bereits bestehenden Apizoom-App des Imkers Alain Bugnon aus Courtepin FR in Verbindung mit einer Web-Plattform und Computer (PC), die den Imkern das Auszählen des Milbenfalls per Auge abnimmt, zum Ziel. Bislang mussten sie über Umwege an die ETH Lausanne (EPFL) übermittelt werden.»
Imker müssen zwar trotzdem noch ein besonderes Brett unter das Bienenvolk-Magazin legen, können diese aber einfach abfotografieren und die Aufnahme auf die Web-Plattform hochladen. Mithilfe eines speziellen Bilderkennungs-Algorithmus wird dann die Anzahl Varroa-Milben auf der Unterlage binnen Sekunden ermittelt und die Bilddaten können einfach auf den Grossrechner der ETH Lausanne (École polytechnique fédérale de Lausanne EPFL) direkt vom Handy gesendet werden.
Barco gelang es mit einem neuen Algorithmus, Bilder der Varroa-Milben in weniger hoher Auflösung zu verarbeiten. Damit können sie gleich auch mit einem Smartphone gemacht und ausgewertet werden. «Meine ersten Tests sind erfolgreich verlaufen. Ob allerdings mein Programm in einer neuen Apizoom-App in Zukunft eingesetzt werden wird, entscheidet die ETH Lausanne in den nächsten Monaten», sagt Daniel Barco. Da die Parasiten nur knapp einen Millimeter lang und zwischen anderem Material auf dem Brett schwer erkennbar sind, ist die Erkennung nur nach langem Training der Algorithmen möglich.
«Im Moment eine experimentelle Version»
Die Anwendung der Smartphone-App «Apizoom» sei im Moment eine experimentelle Version, die im App-Store erhältlich ist. Erst über hundert Mal wurde die Anwendung heruntergeladen. «Wir haben mit der Werbung noch nicht begonnen, da das Modell noch verbessert werden muss. Die Downloads kommen hauptsächlich von Imkern, die uns bei den Tests helfen, oder von Imkern, die von der Anwendung gehört haben. Die aktuelle experimentelle Version ist kostenlos», sagt der Freiburger App-Erfinder und Imker Alain Bugnon auf unsere Anfrage.
Das System werde nun im Rahmen eines von Bugnon gegründeten Start-ups namens «ApiZoom» weiterentwickelt und vermarktet. Apizoom soll helfen, Bienen dank künstlicher Intelligenz vor Parasiten zu schützen und den Einsatz von antiparasitären Mitteln zu minimieren. «Agroscope hat eine Zusammenarbeit mit Apizoom, indem wir Bilder von Varroa zur Verfügung stellen, um die künstliche Intelligenz zu trainieren», sagt Jean-Daniel Charrière, Leiter der Forschungsgruppe «Bienen» bei Agroscope. Alain Bugnon erhält jetzt den landwirtschaftlichen Innovationspreis 2020 des Kantons Freiburg.
Feldarbeit in einer Winterthurer Imkerei
Von Juli bis November 2019 konnte Barco seine Feldforschungen in der Imkerei von Urs Mannhart in Oberwinterthur durchführen. Die Bienenhaltung betreibt er als Hobby. Der Zürcher Imker sei sehr hilfsbereit und zugänglich gewesen. Er hätte von seinem Wissen sehr profitiert, sagt Barco. Der Thurgauer Masterstudent konnte elf Bienenvölker, die von Varroa-Milben befallen waren, in Mannharts Bienenhäuschen am Winterthurer Lind- und Wolfsberg während fünf Monaten untersuchen und fotografieren. Gesammelt haben die Hundertausenden von Bienen vorwiegend im umliegenden Wald, den Gärten und Balkonen von Winterthur. Der Honig sei «aus einer Gartenstadt mit einer grossen Vielfalt an Pflanzen».
Trotzdem sind alle Bienenvölker auch bei Imker Mannhart von der Varroa-Milbe befallen. «Zirka 15 Prozent der Schweizer Bienenvölker sterben pro Jahr, wobei ein Hauptgrund dafür die Varroa-Milbe ist», berichtet Barco. In seiner Feldstudie wurden die Bienenstockunterlagen mit verschiedenen Fotokameras (Spiegelreflex und Apple iPhone) aufgenommen. Hierzu wurde ein Kamerastativ verwendet, um die Unterlagen unter gleichbleibenden Bedingungen zu fotografieren.
Diese Fotos wurden schlussendlich durch solche der ETH Lausanne ersetzt, da die Varroa-Milben im ApiZoom-Projekt bereits markiert wurden. Daniel Barco: «Ich hatte Glück, dass ich durch die Zusammenarbeit mit der ETH Lausanne (EPFL) auf die bestehenden App-Bilder zurückgreifen konnte und so auf das Wissen und die Arbeit von ApiZoom sowie der EPFL aufbauen konnte.»
Bibliographie: Daniel Barco: «Towards a mobile Detection of the Varroa Destructor. An analysis of artificial neural networks trained to detect Varroa mites on an image data set of beehive bottom boards.» Masterarbeit betreut von Professor Dr. Mirko Birbaumer. Horw LU: Hochschule Luzern (HSLU), Juni 2020. 37 Seiten mit Abbildungen. www.hslu.ch
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Varroa-Milbe
Des Imkers grösste Sorge: «Das Bienensterben ist kein Mythos»
Honig- und Wildbienen sind sehr nützliche Tiere. Die Biene ist wohl das wichtigste Tier der Welt. 60 bis 70 Prozent der Lebensmittel, die wir essen, hängen in irgendeiner Form mit der Bestäubung der Bienen zusammen, vor allem Dank den Wild- und Honigbienen.
Bienen weisen nicht nur eine grosse Artenvielfalt auf, sondern erfüllen auch wichtige Funktionen in landwirtschaftlichen Systemen. Wildbienen bzw. Insekten sind dabei eine zentrale Gruppe, weil sie die Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen übernehmen. Gemäss Agroscope spielen Bienen als Bestäuber eine wichtige Rolle im Ökosystem und sind somit unabdingbar für die Erhaltung der Biodiversität und die landwirtschaftliche Produktion.
Ohne die Bestäubung durch Bienen wäre zum Beispiel der Obstanbau fast unmöglich. Auch deshalb erhält die Honigbiene viel wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Es gibt in der Schweiz etwa 600 verschiedene Wildbienenarten sowie eine Honigbienenart (Apis mellifera). 45 Prozent davon sind heute bedroht. Auch deshalb erhalten die Bienen viel wissenschaftliche Aufmerksamkeit.
Ist das Bienensterben ein Mythos?
Viele kennen vor allem die Honigbiene. Der scheint es insgesamt nicht so schlecht zu gehen. Laut dem Verband «BienenSchweiz» steigt seit 2010 die Zahl der Honigbienenvölker und auch die Zahl der Imker. Das Hobby Imkern wird immer beliebter. Ist das Bienensterben also ein Mythos? «Nein, das Bienensterben ist nicht ein Mythos. Aber man kann es nicht an der Zahl der Honigbienen aufhängen. Wir als Verband haben diesen Ausdruck noch nie gepusht, im Gegenteil», erklärt Mathias Götti Limacher, Imker in Maienfeld GR und Präsident von «BienenSchweiz» – dem Imkerverband der deutschen und rätoromanischen Schweiz mit Sitz in Appenzell.
Und Jean-Daniel Charrière erklärt: «Je nach Winter überleben zwischen zehn bis 25 Prozent der Völker nicht, was viel ist. Es ist dem immensen zeitlichen und finanziellen Engagement der Imker zu verdanken, dass die Zahl der Bienenvölker erhalten bleibt. Die Völker müssen im Frühjahr geteilt werden, was zusätzliche Arbeit und Kosten bedeutet.»
Was Bienen brauchen
Was brauchen Bienen? Für Agroscope Forscherinnen und Forscher ist klar: «Ein gutes Nahrungsangebot während der gesamten aktiven Saison, Nistmöglichkeiten, sowohl in landwirtschaftlichen als auch in städtischen Gebieten, landwirtschaftliche Praktiken, die Wild- und Honigbienen begünstigen, beispielsweise diversifizierter Anbau, stufenweise Mahd, reduzierter Einsatz von Pestiziden, Heckenpflanzung, Ansaat von Blühstreifen.»
Weitere Gefährdungsfaktoren
Was sind weitere Gefährdungsfaktoren für Bienen? Für die Honigbiene bietet die Landwirtschaft eine grosse Auswahl an Honigpflanzen (Raps, Obstbäume, Beeren, Mais, Klee, Löwenzahn), kann aber auch eine Gefahr darstellen, wenn bestimmte Empfehlungen von den Bauern nicht eingehalten werden. Jean-Daniel Charrière: «Ich denke hier an das Mähen während der Vollblüte oder den Einsatz von Pestiziden, ohne die Anweisungen zu befolgen. Dieser letzte Punkt gilt auch für nicht-professionelle Anwender.»
Varroa bedroht ganze Honigbienenvölker
Die Varroa-Milbe (Varroa destructor) bedroht ganze Honigbienenvölker, indem sie an der Brut und Fettkörper der Insekten saugt und so Krankheiten überträgt. In einem Jahr mit warmem Winter wie in diesem sind die Bienen gut in die Saison gestartet. Aber eben auch die Milben.
Es gibt in der Schweiz praktisch kein Bienenvolk, das frei wäre von Varroa-Milben. Diese Parasiten vermehren sich auf den Larven in den Waben der Honigbienen und Imker müssen das ganze Jahr die Parasiten «unter Kontrolle haben». «Wirklich bekämpft mit Mitteln wird nicht das ganze Jahr, sondern einmal im Sommer und einmal im Winter», sagt Oberimker Mathias Götti Limacher. Wildbienen sind von den Varroa-Milben nicht betroffen. Gemäss Agroscope reproduziert sich Varroa ausschliesslich in verdeckelten Brutzellen von Honigbienen.
1984 kam die Varroa-Milbe in die Schweiz. Mathias Götti Limacher: «Die Varroa-Milbe ist momentan die grösste Herausforderung in der Imkerei. Besondere Schwierigkeiten bietet sie unserer westlichen Honigbiene (Apis mellifera), da die Varroa-Milbe aus Asien eingeschleppt wurde. Und, im Gegensatz zur asiatischen Biene (Apis cerana) hat unsere Biene keine Koevolution – gleichzeitige Entwicklung von Eigenschaften einer oder mehrerer Arten in Folge einer Abhängigkeit voneinander – mit diesem Parasiten gehabt und zeigt keine natürliche Resistenz.»
Dauernd «in Schach halten»
Die Varroa-Milbe müsse dauernd «in Schach gehalten» werden, sagen Fachleute. «Während des ganzen Jahres sind verschiedene Massnahmen nötig. Zentral sind, zu rund 95 Prozent, Behandlungen mit organischen Säuren. Ameisen- und Oxalsäure sind die gebräuchlichsten. Es gibt aber noch weitere. Ein grosses Ziel wären Honigbienenvölker, welche mit der Varroa-Milbe auch ohne Behandlungen zurechtkämen. Es gibt Hoffnungen, dass dieses Ziel erreicht werden könnte. Es braucht sicher aber noch etwas Zeit», glaubt Mathias Götti Limacher.
Es gibt bei uns auch immer wieder Fälle der ansteckenden Seuche «amerikanische Faulbrut». Die bakterielle Brutkrankheit kann zum Sterben ganzer Völker führen.
Die europäische Faulbrut ist bei uns weitaus problematischer als die amerikanische Faulbrut. «Für beide bakteriellen Krankheiten beobachteten wir in der Schweiz seit vielen Jahrzehnten rund 50 bis 100 neue Fälle pro Jahr», erklärt Jean-Daniel Charrière von Agroscope. «Für die europäische Faulbrut gab es zu Beginn des Jahrtausends einen sehr deutlichen Anstieg der Fallzahlen und maximal 980 Fälle im Jahr 2010. Derzeit gibt es immer noch etwa 300 Fälle pro Jahr. Bei der amerikanischen Faulbrut liegen wir immer noch unter 100 Fällen. Bei beiden Krankheiten müssen die Völker bei Vorliegen von Symptomen vernichtet werden.»
180'000 Bienenvölker mit je 25'000 Bienen
Aktuell gibt es in der Schweiz rund 180'000 Bienenvölker (mit je etwa 25'000 Bienen) und 18'000 Imkerinnen und Imker. Berufsimker gibt es nur wenige. Der inländische Honig wird also hauptsächlich von Hobby-Imkern produziert. Bei neuen Imkerkursen – je nach Alterssegment – betrage der Frauenanteil bis zu 30 Prozent.
Wie ist die Imkerei in der Ostschweiz gegenüber der restlichen Schweiz zu betrachten? «Es ist schwierig», so Götti Limbacher, «spezielle Eckwerte für die Imkerei in der Ostschweiz zu nennen. Sicherlich imkern in der Deutschschweiz mehr Leute in Bienenhäusern als in der Westschweiz. In der Romandie oder im Tessin wird mehr mit freistehenden Kästen oder Magazinen gearbeitet. Wobei der Trend allgemein mehr hin zu Magazinen geht. Ebenfalls spielen die Bienen in den Obstkantonen wie dem Thurgau und St. Gallen eine grosse Rolle.»
Die Honigernte schwankt von Jahr zu Jahr stark. Das hängt vor allem vom Wetter während der Blütezeit ab. Schweizweit wurden im letzten Jahr durchschnittlich 13 Kilo Honig pro Bienenvolk geerntet. Heuer erwartet der Verband «BienenSchweiz» eine deutliche höhere Ernte. Im Schnitt werden 2'000 bis 4'000 Tonnen Schweizer Honig geerntet. Laut Agroscope, dem Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung, sind davon rund zwei Drittel Waldhonig, der Rest ist Blütenhonig. Die Schweiz deckt nur rund einen Drittel ihres Honigbedarfs aus der eigenen Produktion, der Rest wird importiert. Mit einem Durchschnittskonsum von 1,2 Kilo pro Kopf und Jahr gehören die Schweizer zu den grössten «Schleckmäuler» weltweit.
www.bienen.ch
Link: https://www.agroscope.admin.ch/agroscope/de/home/themen/nutztiere/bienen/zbf.html
Das Zentrum für Bienenforschung ist Bestandteil von Agroscope am Standort Liebefeld-Bern. Das Zentrum arbeitet im Rahmen der landwirtschaftlichen Forschung des Bundes für die Bedürfnisse der Bienenhaltung und Imkerei. Es erarbeitet aktuelle wissenschaftliche und technische Grundlagen und vermittelt sie der imkerlichen Praxis sowie den weiteren interessierten Kreisen. Für viele Jahre nach der Gründung des Zentrums für Bienenforschung im Jahr 1907, war «Liebefeld» die einzige Institution in der Schweiz, die sich ausschliesslich der Bienenforschung widmete.