Text und Bild: Romeo Brodmann
Es gibt nur eine „richtige“ Anchovis. Nämlich die aus Collioure. Das ist dort, wo die Technik Fisch einzusalzen und zu fermentieren über Jahrhunderte perfektioniert wurde. Der Grund war einfach. Die europäische Sardelle (gehört zu der Plankton fressenden Familie der Heringsartigen) war der grosse Reichtum der Messingküste (Côte Vermeille). Die Fische wurden in so unglaublichen Mengen gefangen, dass sie seit jeher konserviert werden mussten. Das Wissen ist nirgendwo grösser, als in diesem kleinen Ursprungsort der Anchovis. Die Sadellen werden noch im Hafen sofort mit Salz vermischt und in Bottiche geschichtet. Nach ein paar Tagen bildet sich ein Gemisch aus Salz, Wasser und Blut. Dieses wird abgegossen. Dann werden die Sardellen von Kopf und Eingeweiden befreit und in frische Fässer in und mit Salz geschichtet und beschwert. Beim Entfernen des Kopfes und der Eingeweide treten Enzyme des Verdauungstraktes aus und verteilen sich auf den Fischen. Diese Enzyme sind verantwortlich für den enzymatischen Abbau des Eiweisses. Dieser Prozess wird auch als Fermentation bezeichnet. Das Salz hält den Prozess unter Kontrolle, indem es den Fäulnisbakterien, Hefepilzen und dergleichen durch Wasserentzug den Garaus macht. Die Fermentation dauert mehrere Monate bis zu einem Jahr. Danach werden die Sardellen gründlich gewaschen und entweder ganz oder filetiert verpackt, respektive eingemacht.
Es gibt drei Arten, wie die Sardellen aus Collioure angeboten werden:
Erstens: Anchois au Sel: Hierfür werden die Sardellen aus dem Bottich genommen und durch Abklopfen und Abreiben vom Salz befreit. Die Sardellen werden so wie sie sind, also ganz, in Einmachgläser mit einer frischen Lake je zur Hälfte aus groben Meersalz und Wasser geschichtet und verschlossen. Vor der Verwendung müssen sie zuerst gewässert, dann von Haut und Gräten befreit werden. Durch die Dauer des Wässerns kann man den Salzgehalt selbst regulieren. Das ist die Kaiserin der Sardelle und um Universen besser als alles, was sonst als Anchovis verkauft wird.
Zweitens: Filet d’Anchois à l’huile: Die Sardellen werden mehrmals gründlich gewaschen, filetiert, die Haut abgezogen, auf einem saugfähigen Papier zum Trocknen ausgelegt, in Gläser geschichtet und mit Olivenöl übergossen.
Drittens: Filet d’Anchois en saumure: Die Sardellen werden mehrmals gründlich gewaschen, filetiert, die Haut abgezogen, auf einem saugfähigen Papier zum Trocknen ausgelegt, in Gläser geschichtet und mit einer Lake je zur Hälfte aus groben Meersalz und Wasser eingelegt.
Traurig aber wahr: Noch in den 1950er Jahren gab es gut 150 gute alte katalanische Barken, mit denen auf traditionelle Weise Sardellen gefischt und im Hafen mitten im Städtchen abgeliefert und weiterverarbeitet wurden. Damals gab es noch über 20 kleine Firmen mit über 300 Angestellten, die Anchois herstellten. Heute ist der Hafen ein Badestrand und es sind noch zwei Firmen in Collioure die Anchovis, welche Sardellen auf die traditionelle Art zubereiten.
Die Gründe liegen auf der Hand: Die EU mit ihren Vorschriften, Hygienegesetzen (Plastiktonnen anstatt Holzfässer) und Industriebegünstigungen von EU-Funktionären, die hintendurch die Hand hinhalten. So sind es heute vor allem spanische Grosskonzerne, die industriell Sardellen zum tiefstem Preis herstellen und in Dosen verpacken. Was da rauskommt, kann man gleich auf den Mist werfen, dort passen sie hin.