Text und Fotos von Urs Oskar Keller

 

«Die Baumnussernte fällt dieses Jahr sehr gering aus, der Frost hat viele Nussbäume getroffen. Diese haben zwar wieder ausgetrieben und teilweise auch geblüht. Die Befruchtung hat aber nicht so gut funktioniert. Ich habe festgestellt, dass es teilweise zu Nüssen gekommen ist, diese weisen aber nur teilweise Kerne auf. Sie sind auch deutlich kleiner als üblich», sagt Urs Müller, Leiter der Abteilung «Obst, Gemüse, Beeren» am Bildungs- und Beratungszentrum Arenenberg in Salenstein TG.

Offizielle Angaben zur Walnussernte in Kanton Schaffhausen gibt es nicht. Dienststellenleiter Markus Leumann: «Seitens des Landwirtschaftsamtes haben wir keine Informationen dazu.»

 

Agroscope: Sehr kleine Ernte erwartet

«In der Nordwestschweiz wird es praktisch keine Nüsse geben. Nur die Sorten, die nach dem Frost ausgetrieben haben, tragen Nüsse. Dies sind aber ganz wenige Sorten. Aber auch in der restlichen Schweiz wird die Nussernte klein ausfallen. «Der Frost zerstörte zwar nicht überall gleich stark, aber Einfluss hatte die Kälte überall. Der Hagel hat noch sein Übriges mitgetragen. Alles zusammen wird es eine kleine bis sehr kleine Ernte geben», sagt Thomas Schwizer, Obstbauingenieur FH, Leiter des Agroscope-Versuchsbetriebes Steinobstzentrum Breitenhof in Wintersingen BL

 

Rheintalregion: 80-90 % der Nussernte erfroren

In Absprache mit der Fachstelle für Obstbau im Kanton St. Gallen teilt Hans Oppliger, Präsident des Vereins Nussdorf Frümsen in Salez SG mit, dass in der Rheintalregion rund 80 bis 90 Prozent der Nussernte erfroren sind. Das Hauptproblem waren die zwei Frostnächte hintereinander. Oppliger: «Wenige Sorten wie beispielsweise die Franquette, hatten erst nach dem Frost ausgetrieben und werden deshalb eine Ernte bringen. Hingegen sind die erfrorenen Bäume nicht eingegangen. Sie haben wieder ausgetrieben, allerdings nur auf den Reserveknospen, welche keine Blüten hervorbrachten.»

 

«Bäume selber haben kaum gelitten»

«Bei uns im St. Galler Rheintal, wie in vielen Regionen der Schweiz, haben die ausserordentlich harten Frostnächte im Frühling die meisten Nussblüten zerstört» bestätigt Landwirt, Nussbaumbesitzer und Bieneninspektor Lorenz Huber in Gams SG. Er ist Vizepräsident Bienenzüchtervereins BZV Werdenberg. Ausser bei einigen spät austreibenden Sorten wie Franquette falle die Nussernte bei uns sehr klein aus. «Die Bäume selber haben kaum gelitten und zeigen eine gute Entwicklung.»

 

«Der Behang ist bescheiden»

«Bei der Nussernte wissen wir noch nichts Genaueres. Nach dem Frühjahrsfrost und den Hagelschlägen vom 10. Juli und dem 2. August 2017 ist der Behang bescheiden, sodass wir nicht wissen, ob es sich lohnt, die ganze Maschinerie in Gang zu setzen. Wir sind Ende September am Nüsse auflesen, ob es eine Tonne gibt, bezweifle ich allerdings», sagt Niklaus Zahner in Truttikon ZH. Er ist Weinbauer und Walnuss-Pionier. In guten Jahren werfen seine Bäume im Zürcher Weinland vier Tonnen Nüsse ab. Geringe Mengen seiner Nüsse hat er auch schon nach Hongkong exportiert.

 

Aus unbefruchteten Blüten Nüsse bilden

Zahner hat auch immer wieder voll ausgebildete Nüsse beobachtet, allerdings mit leeren Kernen, das heisst die Kerne bestanden nur aus der Umhüllung – dem «Häutchen» –, jedoch zusammengesackt und ohne Inhalt. Nach seinen Informationen gibt es viele Sorten, unter anderem die Geisenheim 139, die auch aus unbefruchteten Blüten Nüsse bilden, aber eben ohne Inhalt. Ohne genauere Untersuchungen angestellt zu haben, glaubt Niklaus Zahner, dass das Phänomen in Jahren mit schlechtem Blühwetter vermehrt auftritt und er vermutet, dass es sich dabei um eben diese  «Parthenokarpie» oder «Jungfernfrüchtigkeit» handelt. Wenn also ein Baum einen reichen Behang trägt, muss man erst sehen – bevor man sich zu früh freut! –, ob die Nüsse voll sind oder eben nicht. Niklaus Zahner: «Da beim Sortieren und abpacken die leeren Nüsse nicht ohne Weiteres erkennbar sind, hatten wir schon das Problem, dass wir zwar makellose Nüsse auslieferten, die Kunden aber dennoch zurückkamen und sich beschwerten, ausser Schalen sei da nicht viel drin. Man bräuchte also fast einen Röntgenapparat, um dem Problem zu begegnen.»

 

Agronom Gubler: Wenige Nüsse in der Ostschweiz

Christof Gubler, Agronom ETH, Nussfachmann aus Hörhausen TG und hauptberuflich bei der Fachstelle Gemüse am Strickhof in Lindau ZH tätig, meint: «Die traditionellen Sorten aus der Deutschschweiz geben wenig bis keine Nüsse, da sie erfroren sind.» Anders sehe es bei den französischen Sorten (Franquette, Lara, Fernor) aus. Weil sie spät austrieben, trugen sie je nach Standort keine Schäden davon und haben Nüsse, sofern die Befruchter nicht erfroren sind.

«Da aber die Plantagen mit französischen Sorten in der Ostschweiz noch jung sind und daher noch wenig am Gesamtertrag ausmachen, wird es dieses Jahr in unserer Region wenig Nüsse geben». In der Westschweiz könnte es erste Nüsse gegeben haben, da dort französische Sorten gepflanzt wurden und diese schon ein gewisses Alter hätten. Christof Gubler, Sohn des Nussbaumschule-Besitzers Heinrich Gubler, besitzt eine 3,5 Hektaren grosse Walnussplantage mit lateralen Sorten in der Nachbargemeinde Herdern TG, eine der grösseren in der deutschsprachigen Schweiz.

 

90 % seiner 300 Walnuss-Sorten erfroren

Der Walnussbaum und auch die Rebe haben eine sehr hohe Frostempfindlichkeit nach dem Austrieb. Die Schadschwelle liege bei minus 0,5 bis 1,0 Grad Celsius, bestätigt Heinrich Gubler, Besitzer der grössten Nussbaumschule in der Schweiz (www.nussbaeume.ch) in Hörhausen. Mit viel Engagement und Herzblut setzt er sich für die Förderung vieler Nussbaumsorten ein. Die drei Frostnächte am 20., 21. und 28. April 2017 – ebenso am 28. April 2016! – hätten 90 Prozent seiner über 300 Walnuss-Sorten erfrieren lassen. «Bei den terminalen Sorten ist dann die Ernte weg. Nur bei ganz wenigen Sorten gibt es trotz Frost noch eine kleine Teilernte wie beispielsweise bei den Sorten Jupiter, Hermikon und Lidwien von Räfis.

Wahrscheinlich haben diese Sorten einen etwas verzögerten Austrieb bei einem Teil der weiblichen Blütenknospen.» Einen normalen Ertrag bringen die Sorten, die erst nach dem Frost, das heisst bezogen auf die beiden letzten Frühjahre erst um oder nach dem 1. Mai 2017 ausgetrieben haben. Es sind das alle alten französischen Sorten, die tschechische Mars und weitere wie Adams, Adams 10, Coenen und Hansen, 17 Westschweizer und vier Deutschschweizer Sorten.

 

Trotz zweiter Blüte kaum Nüsse

Anders sieht es bei den hochfruchtbaren lateralen Sorten aus. Die weiblichen seitlichen Blütenknospen treiben gegenüber der Blütenknospe an der Triebspitze meist etwas verzögert aus und können sich damit aus dem Frost retten. «Ein neuer Aspekt», so Heinrich Gubler, «den ich erst im vergangenen Mai entdeckt habe, ist, dass bei den fruchtbarsten Sorten wie Lara, Chandler und Ferbel aus den Reserveknospen sich wieder weibliche Blütenknospen bilden und so etwa drei Wochen verspätet eine zweite Nussbaumblüte stattfindet.» Das Problem dabei sei, dass drei Wochen nach der normalen Blüte kaum noch männlicher Pollen vorhanden ist. Sehr späte Pollenspender sind die Sorten Meylannaise und Sibisel. Steht kein solcher Baum in der Nähe, gibt es trotz zweiter Blüte kaum Nüsse.

Gublers Fazit: «Falls es wegen der Klimaerwärmung und damit verbundenem früherem Austrieb wieder vermehrt zu Frostereignissen kommen sollte, muss sich der Nussanbau auf spät austreibende Sorten ausrichten. Die Walnuss bietet uns diese Möglichkeit, hat doch der Austriebszeitpunkt von meiner frühesten bis zur spätesten Sorte eine Zeitspanne von fast zweieinhalb Monaten.»

 

Verletzungen durch Hagelkörner

Ein weiteres Problem ist der Hagel: Ein grosses Unwetter mit starkem Hagel gab es in der Ostschweiz in der Nacht auf den 2. August 2017. «Die Verletzungen der grünen Schale durch Hagelkörner bewirkt oft eine Eintrittspforte für die Bakteriose. Die Nüsse werden schwarz und fallen vorzeitig ab. Die Ernte wird wie beim Obst nochmals reduziert», sagt Heinrich Gubler.

 

Import von Nüssen aus Frankreich und Ungarn

«Da wir selber nicht genügend Nüsse produzieren – die erste Ernte unserer 2016 erstellten Anlage erwarten wir 2019 – kaufen wir Nüsse aus Frankreich und Ungarn. Wie ich aus Frankreich vernommen habe, gibt es eine leichte Preissteigerung bei den grössten Kalibern pro Sorte, weil dieses Jahr in Frankreich die Nussgrössen etwas unter dem Durchschnitt liegen», so Gubler. Dies werde die Qualitäten, die bei den Grossverteilern angeboten werden, kaum betreffen. Die überdurchschnittlichen Grössen, die Gubler direkt bei den Produzenten bezieht, gehen kaum durch die Kanäle des Grosshandels.

 

«Einige Nüsse werden wir bekommen»

«Bereits konnten wir einige Nüsse ernten. Die Ernte wird dieses Jahr dünn ausfallen», bestätigt auch Landwirt Hans Villiger in Hörhausen. Er ist Präsident der Interessengemeinschaft IG Baumnussproduzenten in der Ostschweiz mit heute 30 Mitgliedern. «Einige Nüsse der Sorte Geisenheim 139 werden wir jedoch bekommen.» In den letzten Jahren hat Villiger 250 Hochstamm-Nussbäume der Sorte Mars, Rote Poysdorf, Aufhauser Baden, Geisenheim 139 und Milotai 10 gepflanzt sowie 250 Nussbäume der Sorte Lara in seiner Anlage.

 

Auch in Ast kaum Nüsse

«Unsere Walnussbäume litten im Frühjahr unten dem Frost und haben leider keine Nüsse. Insgesamt ist die Ernte dieses Jahr klein», teilt Beat Kressibucher (Christbaumkulturen etc.) im Weiler Ast bei Berg TG mit. Er hat etwa 60 wilde Nussbäume und 40 veredelte. Darunter 20 Rote Gubler- und Donaunuss sowie Geisheimer und andere Sorten.

 

Maienfeld GR: «Für nächstes Jahr sieht es gut aus»

«Auch im Kanton Graubünden wird es sehr wenig Walnüsse zu ernten geben. Der grösste Produzent ist Johannes Janggen in Malans, mit Obstanlagen, die vor einigen Jahren gepflanzt worden sind», bestätigt Gregor Canova, landwirtschaftlicher Berater/ Fachstelle Obst Graubünden, Plantahof in Landquart. Ob es nächstes Jahr gut aussieht, könne man aber erst nach dem Frühling 2018 sagen.

«Die Ernte wird dieses Jahr sehr mager ausfallen, bis auf die Sorte Fernor sind alle dem Frost im Frühling zum Opfer gefallen. Für nächstes Jahr sieht es aber gut aus. Die Bäume haben sich gut erholt und sind alle kräftig gewachsen. Vom Hagel blieben wir verschont», berichtet Johannes Janggen, Landwirt aus Malans GR. Als Präsident des 2013 gegründeten Vereins IG Walnusskompetenzzentrum mit 15 Mitgliedern will er den Nussanbau im Kanton Graubünden aufleben lassen und der Bündner Nusstorte ihren wertvollen Rohstoff wieder als einheimisches Produkt zur Verfügung stellen. Rund 2'500 Nussbäume gibt‘s wieder im Kanton.

 

Durchzogene bis magere Ernte im Mittelland

«Wie im Thurgau wird auch im ganzen Land die Baumnussernte sehr, sehr durchzogen ausfallen. Und wie im Obstbau allgemein, warten wir auf ein besseres 2018», sagt Hans-Ruedi Schmutz, Co-Leiter Obstcenter der Biofarm-Genossenschaft in Kleindietwil BE.

«Bei uns auf 650 m u. M. wird die Nussernte mager ausfallen», bestätigt Dr. Hans-Sepp Walker, Walnussveredler und Chemiker in Prez-vers-Noréaz FR. Es habe ein paar Kilo Nüsse auf seinem 90-jährigen frühen Hausnussbaum, der wie letztes Jahr nach dem Spätfrost eine Zweitblüte gemacht hat. Einige Kilo würden ferner die 8-jährigen, späten, selbst veredelten Franzosensorten wie Franquette, Parisienne und Lara geben, die vom Spätfrost wenig betroffen waren. Hans-Sepp Walker: «Sie blühten etwa drei Woche später als die meisten unserer frühen Schweizersorten. Nicht betroffen vom Spätfrost waren offenbar Nussbäume direkt am See wie in Flüelen, Uri, am Vierwaldstättersee und am oberen Zürichsee, wo frühe Sorten auch dieses Jahr normale Erträge geben werden.»

 

«Die Franzosen hatten das schon vor 150 Jahren gemerkt!»

Das Phänomen «Zweitblüte von Walnussbäumen nach Frost» hat Nussveredler Hans-Sepp Walker vor einigen Monaten im Mitglieder-Bulletin der Organisation «Fructus» seine Beobachtungen von 2016 beschrieben. Er hat darin auf die Bedeutung der Befruchtung der Zweitblüte durch späte Pollensortenspender hingewiesen.

Seit einem Jahr hat Walker ein Projekt «Zur Verspätung interessanter früher Walnussorten durch spezielle Veredlung» laufen. «Ich bin überzeugt», so Walker, «dass dem späten Austrieb, den späten Blütezeiten der männlichen und weiblichen Blüten bei der Bewertung der Sorten in der Schweiz zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Franzosen hatten das schon vor 150 Jahren gemerkt!»

(Urs Oskar Keller ist freischaffender Journalist. Kontakt: www.urs-ok.ch)