Es gibt für Feingebäck das wunderbare Synonym, das diese technische Angelegenheit würdevoll beschreibt: Viennoiserie.

«Feine Backwaren werden aus Teigen oder Massen durch Backen, Rösten, Trocknen, Kochextrusion oder andere Verfahren hergestellt. Die Teige oder Massen werden unter Verwendung von Getreide und/oder Getreideerzeugnissen, Stärken, Fetten, Zuckerarten bereitet. Feine Backwaren unterscheiden sich von Brot und Kleingebäck dadurch, dass ihr Gehalt an Fett und/oder Zuckerarten mehr als 10 Teile auf 90 Teile Getreide und/oder Getreideerzeugnisse und/oder Stärken beträgt.» (Leitsätze für Feine Backwaren)

Nun kann man sich fragen, woher dieser Begriff kommt. Doch Achtung, diese Frage stellt auch die Herkunft dieses urfranzösischen Brotes in Frage, dessen Bezeichnung bereits aus dem italienischen Bachetta bzw. Bacchio (Stock oder Stab) entlehnt wurde.

Die Viennoiserie ist nicht abgeleitet von der französischen Stadt Vienne, auch wenn hier im La Pyramide August Point kochte und später sein legendärer Sohn Fernand Point drei Sterne zelebrierte und unter anderem Pauli Bocuse ausbildete. Heute kocht hier übrigens Patrick Henrioux auf zwei-Sterne-Niveau. Abgesehen davon liegt in dieser Stadt in der Dauphiné allenfalls noch Pontius Pilatus begraben. Dauphiné? Nein, Pommes Dauphine oder korrekterweise Pommes à la dauphine ist eine andere Geschichte.

Die Bezeichnung Viennoiserie ist, um den Faden wieder aufzunehmen, auch nicht direkt von der gleichnamigen österreichischen Hauptstadt abgeleitet – indirekt allerdings schon. Viennoiserie? Dinge aus Wien? Genau. 

Wer hats erfunden?

Es war der österreichische Verleger und Politiker August Zang, der gegen Mitte des 19. Jahrhunderts in Paris, direkt um die Ecke des Palais Royal (heute Musée du Louvre), an der rue de Richelieu 92 eine Bäckerei eröffnete, diese aussen anschrieb mit Boulangerie Viennoise und ein Pain Viennois herstellte und verkaufte. Er ist einer derjenigen, dem die Erfindung des «Pariser Brotes» zugeschrieben wird. Es gibt auch noch einige andere, denen die Erschaffung des Parisettes zugeschrieben wird. Wer auch immer zuerst war, eines haben sie alle gemeinsam – sie erschufen das Brot zwischen 1839 und 1845.

Baguette, Parisette, Pariser Weissbrot?

Das Baguette (bzw. die Baquette - ist im französischen ausschliesslich weiblich) ist vom Begriff her die Verniedlichungsform von Bacchio, also dem Stock oder Stab. Wie auch immer das Parisette (der alte Schweizer Name) heisst oder wie es bezeichnet wird, es hat folgende Eigenschaften: Das Stangenweissbrot (wie es Anfang des 20. Jahrhunderts ins Deutsche übersetzt wurde), weist gegenüber Krume einen ausserordentlich hohen Anteil an Kruste auf, das die Form und die Art des Backens mit sich bringt.

Die Krume ist durch die verhältnismässig lange Hauptgärung (30 bis 35 Stunden) bei kühlen Temperaturen (4 bis 6 Grad Celsius) und dem eher nass gehaltenen Teig grossporig, grob und damit am Rande bemerkt auch saugfähig und so eine wunderbare Begleitung zu Suppen und Saucen. Gebacken wird bei nicht zu hohen und während des Backens eher leicht rückläufigen Temperaturen. Die Backzeit ist eher lang. Zu Beginn ist eine hohe Schwadengabe, also viel Dampf, notwendig, um die Kruste möglichst lange dehnbar zu halten, so kann das zuvor eingeschnittene Brot ordentlich aufgehen und letztendlich seine typische dicke Goldbraune Kruste entwickeln.

Während die einen nach wie vor auf Hefe setzen (wenig Hefe, lange Garzeit), setzen andere auf Sauerteig und Vorteig. Alles zusammen bildet die Grundlage dieses unglaublich grossartigen Geschmackes eines eigentlich recht banalen Brotes auf der Basis von «einfachem» Weizen. 

So ein Pariser Weissbrot ist 240 bis 310 Gramm schwer, 55 bis 65 Zentimeter lang, im Querschnitt oval bei einem Durchmesser von ca. fünf Zentimeter.

Der Grüne Teig und das Totenmittel

Wie in der Schweiz auch, wurden die Bäckereien wahrlich vergiftet. Die ab der Mitte des 20. Jahrhunderts aufkommenden Backtriebmittel und Lebensmittelzusatzstoffe, zusammen mit der in hohen Dosen angesetzten Hefe, ersetzten die langen Gärzeiten. «Schnellgärer» oder «grüner Teig» nennt man das.  Das Brot der kleinen Bäcker erhielt damit den einheitlichen Geschmack, der lange Zeit auch den Broten der Industriebäckereien eigen war. Daneben, dass die Konsumenten somit das Brot auch billiger im Supermarkt kaufen konnte - es schmeckte ja aus der Bäckerei nicht mehr besser, frassen die Zusätze und Backtriebmittel auch noch grosszügig Marge weg.

Das Bäckerhandwerk schützen – die Franzosen tun es

In Frankreich verkam so in den 1970ern der kleine knusprige Stock, also das Baguette, zu einem lahmen, biegsamen Gummiknüppel. Die kurzen Gärzeiten unter Einsatz von Backtriebmitteln verpassten den Supermarkt-Baguettes zudem eine sehr kleine Porung. Anfang der 1990er Jahre war die typische Güte des Baguettes heruntergewirtschaftet und ernsthaft in Gefahr verloren zu gehen. Doch die Franzosen haben ein gutes Gespür für ihr kulinarisches Erbe und Luis de Funès Satire über die Lebensmittelindustrie «Brust oder Keule» mit Gummihühnern aus der Retorte wirkte noch nach. 1993 lüpfte es wohl Éduard Balladur, dem damaligen Premierminister den Hut. Er, der aus dem türkischen Izmir stammte, wollte das französische Erbe bewahren und das Handwerk schützen.

Kleine, unabhängige Bäcker in ihren handwerklichen Bäckereien (Boulangerie artisanale), die ihr Brot am Verkaufsort selber herstellen und sich an die Regeln halten, durften ihr Brot mit dem Dekret von Balladur fortan als «Baguette de tradition française» herstellen und unter diesem Label verkaufen. Als Zutaten sind nur Weizenmehl, Wasser, Salz und Hefe zugelassen. Es dürfen keine chemischen Triebmittel oder Lebensmittelzusatzstoffe verwendet werden. Das hat gewirkt.

Ein Jahr darauf wurde in Paris der Contest «Concours de la meilleure baguette de Paris» ins Leben gerufen. Der Erfolg in Frankreich hält bis heute an.

Der Preis ist heiss – wer macht das beste Baguette

Eben erst sind wieder aus über 200 Teilnehmenden die zehn besten Bäckereien in Paris ausgezeichnet worden. Der Gewinner mit dem besten Baguette, Sami Bouattour von der Boulangerie Brun – darf zum Preisgeld hin sein Brot ein Jahr lang an den Èlysée-Palast liefern.

1. Boulangerie Brun, 193 rue de Tolbiac (13. Arrondissement, Metro: Tolbiac)

2. Aux Délices de Glacière, 90 boulevard Auguste Blanqui (13. Arrondissement, Metro: Glacière)

3. Boulangerie Dupain, 20 Boulevard des Filles du Calvaire (11. Arrondissement, Metro: Filles du Calvaire)

4. Boulangerie Gontran Cherrier, 22 rue de Caulaincourt (18. Arrondissement, Metro: Blanche oder Abbesses)

5. Boulangerie Bichon, 2 rue Cail (10. Arrondissement, Metro: La Chapelle)

6. Les Gourmandises d'Eiffel, 187 rue de Grenelle (7. Arrondissement, Metro: École Militaire)

7. Boulangerie 2M, 215 boulevard Raspail (14. Arrondissement, Metro: Raspail)

8. Le Grenier à Pain, 52 avenue d'Italie (13. Arrondissement, Metro: Tolbiac)

9. Boulangerie Tembely, 33 rue Myrha (18. Arrondissement, Metro: Château Rouge)

10. Maison Hubert Trévisse, 6 rue de Trévise (9. Arrondissement, Metro: Grands Boulevards)

 

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Pressemeldung:

«Juliette - pain d’amour» kommt die erste echte französische Bäckerei nach Zürich.

Wie kann es sein, dass es in Zürich keine französische Boulangerie-Pâtisserie gibt? Das fragten sich die Gründer von «Juliette - pain d’amour» und wagten gleich selbst den Sprung in die Selbstständigkeit. Seit heute Montag, 27. Februar 2023, bietet die erste Boulangerie an zwei Standorten in der Stadt Zürich feinste französische Backwaren und Pâtisserie an. Die Filialen stehen unter Leitung des aus Frankreich stammenden preisgekrönten Bäcker-Talentes Émile Jeannenot sowie des ebenfalls aus Frankreich kommenden erfahrenen Pâtissiers Julien Mallé.

Nach einer Planungs- und Vorbereitungsphase von rund einem Jahr eröffnen am Montag, 27. Februar, zwei Filialen der neuen französischen Boulangerie-Pâtisserie «Juliette - pain d’amour» ihre Tore in der Stadt Zürich. Am Bleicherweg 72 befindet sich der «Flagship-Store» für Backwaren, am Vulkanplatz 9 das Atelier für Pâtisserie. An beiden Standorten können sowohl Backwaren als auch Pâtisserie gekauft werden. 

Der Standort am Bleicherweg 72 steht unter Leitung des Bäcker-Talentes Émile Jeannenot, der zusammen mit seinem Team die Gäste über die Theke bewirten wird. Wer möchte, kann neben dem legendären Baguette auch Köstlichkeiten wie etwa Eclairs oder Tarte au Citron meringuée direkt im Café geniessen, das sich im Laden befindet und rund 20 Plätze bietet. 

Émile Jeannenot wurde schon 2018 als bester Bäcker-Lehrling Frankreichs ausgezeichnet und errang im vergangenen Jahr bei den Berufsmeisterschaften «Worldskills» in Lyon die Bronzemedaille für Frankreich. Gleichzeitig verantwortet der ebenfalls erfahrene Pâtissier- Chocolatier Julien Mallé die Pâtisserie im Atelier am Vulkanplatz 9. 

Die besten Chefs für das beste Pâtisserie- und Brotangebot der Stadt Zürich 

Stéphanie Borge, Co-Gründerin und Mitinhaberin von Juliette, ist besonders stolz, Émile und Julien von Frankreich nach Zürich geholt zu haben: «Meine Mitgründer und ich sind grosse Fans der französischen Backtradition. Baguette ist ein Kulturgut, das wir den Menschen in Zürich anbieten wollen. Dafür importieren wir sogar das Mehl aus Frankreich.» Ausserdem soll es bei «Juliette - pain d’amour» das beste Pâtisserie- und Brotangebot der Stadt geben. 

«Wir haben absolute Spezialisten gesucht und mit Émile und Julien glücklicherweise gefunden. Mittlerweile haben wir über zehn Angestellte, aber Émile und Julien waren die ersten, die wir rekrutiert haben». Wer übrigens wissen möchte, wie die Kreationen der beiden entstehen, kann in einem individuellen Kurs oder an einem Gruppenkurs sowohl bei Émile («Baguette, Croissant und mehr») als auch Julien («süsse Versuchungen») teilnehmen. 

Wie aus der Sehnsucht nach französischen Backwaren ein eigenes Unternehmen wurde 

Die Idee zu einer echten französischen Bäckerei trug die gebürtige Französin Stéphanie Borge schon lange mit sich. Die ehemalige Marketingchefin von BMW Schweiz und USM Haller lebt seit vielen Jahren in der Schweiz und vermisst das traditionelle Baguette sowie die Pâtisserie aus Frankreich seit jeher. «Ich habe mich immer gewundert, dass es in Zürich keine französische Bäckerei gibt, obwohl 40’000 Französinnen und Franzosen hier leben und die Zürcher Bevölkerung grundsätzlich ein Faible für französische Backwaren hat.» 

Ihr Mann und ihr Sohn halfen ihr dabei, die Idee zu ihrer eigenen Boulangerie zu konkretisieren. Danach gründete Borge mit ihren beiden Geschäftspartnern Nicolao Colombo und Rolf Lüthy «Juliette - pain d’amour». «Viele Start-ups bewegen sich heutzutage im Tech- oder Softwarebereich. Wir hingegen haben unsere Jobs aufgegeben, um einen Traum zu leben, der auf Tradition und Handwerk setzt», so Borge. 

Über die Gründer von «Juliette - pain d’amour» 

Stéphanie Borge, 48, ist in Frankreich geboren und aufgewachsen. Sie verliess ihre Heimat mit 28 Jahren und arbeitete zuletzt während sechs Jahren als Director Brand Management für das Automobilunternehmen BMW Group Switzerland. Davor amtete sie als Strategie- und Marketingchefin bei USM Haller. 

Nicolao Colombo, 43, stammt aus dem Tessin und ist Absolvent der Ecole hôtelière de Lausanne (EHL). Er arbeitete zuletzt als Leiter des BMW Group Brand Experience Centers für das Automobilunternehmen BMW Group Switzerland. Davor war er Marketingleiter der Auto Händlergruppe Facchinetti Groupe SA. 

Rolf Lüthy, 60, lebt in Zürich und verfügt über langjährige Erfahrung im Kundendienst und Verkauf. Er war über 20 Jahre bei Hotelplan als Produktverantwortlicher Städte Europa tätig. Davor arbeitete er bei SSR Reisen Zürich.