Bild: Unsplash, Ricardo Gomez Angel | Edles Dessert aus edler Kastanie: Maronen.
 

Die alljährlich wiederkehrende Süssspeise aus Edelkastanien auf helvetischen Dessertkarten ist eine für uns beliebte doch gleichzeitig auch eine recht stark gewandelte Variante eines historischen Desserts – oder besser: eines Desserts, das vor langer Zeit vermutlich in Wien nach einer historischen Persönlichkeit benannt worden sein muss, die als esslustig galt.

Karl Robert Reichsgraf von Nesselrode-Ehreshoven (1780 bis 1862). Deutschstämmiger russischer Diplomat und Staatsmann. Er leitete die russische Delegation, als Europa nach Frankreichs Niederlage in den Koalitionskriegen am Wiener Kongress von 1814 bis 1815 neu auf- und verteilt wurde.

In der Schweiz hat sich der Coupe Nesselrode zu einem Haufen Maroniwürmchen entwickelt, der auf Vanilleglace und Meringue gesetzt sowie mit geschlagener Sahne dekoriert wird. Und obendrauf kommt die Krönung – eine Herzkirsche aus der Dose – die Kirsche entspringt übrigens eindeutig Escoffiers Variante – siehe Kasten. Darüber hinaus gibt es auch eine US amerikanische Variante des Maroni-Desserts: Nesselrode Pie – eine Mousse in einem blind gebackenen Mürbeteig.

Damals, während des Kongresses in Wien, und das besagen mehrere Quellen, tat man sich öfters am Genuss gütlich, als gearbeitet wurde. Teilnehmer von Damals berichteten «der Kongress tanzt, aber er kommt nicht vorwärts. Es sickert auch nichts durch als der Schweiß dieser tanzenden Herren» oder «der König von Württemberg frisst für alle, der König von Bayern säuft für alle und der Zar von Russland liebt für alle». (Quelle: preussenchronik.de, welt.de, uni-leipzig.de)

Damals, wohl zwischen Banketten, ihren Speiseabfolgen oder zwischen «Sex, Tanz und Parties» (die Welt), wurde auch die klare Grenze um die Schweiz gezogen, die bis heute gilt. Woher dieses Nesselrode-Maronen-Dessert kam, ist zwar über den Daumen gepeilt lokalisierbar, allerdings schwerlich belegbar.

Einige Quellen behaupten, Marie-Antoine Carême kochte am Wiener Kongress. Alle Quellen (Medienartikel) haben aber eines gemeinsam, sie geben keine Quellen an. Ebenso wenig diejenigen, die behaupten, es sei der Pariser Koch Nesselrodes gewesen, der den Maronen-Dessert-Vorlieben dieses Reichsgrafen Vorschub geleistet haben soll. Verifizierbare Angaben, wer dieser Koch gewesen sein könnte, sind nicht auffindbar. Es könnte sein, dass tief in einem Wiener oder Pariser Archiv darüber etwas geschrieben steht. Die Betonung liegt auf könnte. Wir wissen es nicht.

Sicher ist, vom Alter her könnten sich der damalige Starkoch Marie-Antoine Carême (1784 bis 1833) und Karl Robert Nesseldrode durchaus begegnet sein. Eingedenk der Tatsache, dass Carême viel für russische Adelige arbeitete, ist das sogar ziemlich sicher. Nebenbei bemerkt, Carême veröffentlichte auch zwei Bücher über Architektur mit Plänen zur Dekoration von St. Petersburg und Paris und darüber hinaus arbeitete er tatsächlich auch für ein anderes Mitglied der französischen Delegation am Wiener Kongress: Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord. 

So könnte man den Vermutungen zur Folge die Fäden am Wiener Kongress so zusammenlaufen lassen, dass es plausible erscheint, dass Marie-Antoine Carême am Wiener Kongress für Karl Robert Nesselrode, oder nach dessen Wunsch, das Edelkastaniendessert zauberte. Es zu wissen, ist freilich eine andere Sache.

Zwar ist die explizite Bezeichnung «Nesselrode» für ein Dessert mit Maronen in Carêmes gängigen Werken nicht zu finden, bzw. vielleicht steht etwas dazu in einem Werk oder unveröffentlichten Notizen, welche dieser Redaktion nicht bekannt sind. Carême publizierte jedoch folgende Maronendesserts:

1810 le Pâtissier royale parisien, Fland de Marrons und Pouding aux marrons et au rum
1828 Le Cuisinier parisien, Pouding de Marrons Glacés a la française 

Der Name Nesselrode taucht dann im Dictionnaire Universelle de Cuisine Pratique - Encyclopédie illustrée d’hygiène alimentaire (Ausgabe von 1894) von Joseph Favre auf; übrigens ein Schweizer Küchenchef, der seiner Zeit voraus war und – heute unbekannterweise - viel Wissen für andere Köche durch die Zeit transportierte. Er führte (Seite 1390 / 1391) folgende Speisen auf: 

Potage a la Nesselrode
Soupe de poisson a la Nesselrode
Cotelettes de grives a la Nesselrode
Pouding a la Nesselrode und Sauce a pouding Nesselrode

Es ist zu vermuten, dass der Name Nesselrode noch in anderen Werken anderer Köche «zwischendrin» transportiert wurde, die uns (noch) nicht bekannt sind. Jedenfalls fand das Dessert in logischer Folge 1903 auch in August Escoffiers Kochkunstführer / Guide Culinaire als Pudding Nesselrode Eingang.

Das Dessert ist im Ursprung – so viel ist sicher – eine geeiste Crème die nach dem Gefrieren in der Eismaschine in eine Eisbombenform gefüllt, nochmals 1 Stunde durchgefroren, gestürzt und garniert wird.

Bild: Unsplash, American Heritage Chocolate | Ein altes Dessert modern Interpretiert: Pouding de Marrons Glacés a la française von Marie-Antoine Carême.