Für das Gericht gibt es keine klare Regel, aber dafür eine Geschichte zur Entstehung. Nach den Kriegen gab es viel Armut, die sowohl Menschen als auch Staatsgebilde betraf. Die immer noch reiche Stadt bzw. ihre reichen Bürger waren anziehend, sowohl für Bettler als auch für Steuereintreiber. Der einfachste Schutz war zunächst, den Reichtum nicht zu zeigen.

Der damalige Stadtschreiber Maltus Hempel soll den Stadträten vorgeschlagen haben «Verstecken wir den Speck und bringen nur noch Gemüse auf den Tisch, sonntags vielleicht ein Stückchen Mettwurst oder ein Krebslein aus der Pleisse dazu. Und wer kommt und etwas will, der bekommt statt Fleisch ein Schälchen Gemüsebrühe und all die Bettler und Steuereintreiber werden sich nach Halle oder Dresden orientieren.»

Allerlei heisst es, weil wohl ganz einfach allerlei drin ist. Das Leipziger Allerlei basiert auf Frühlingsgemüsen, Krebsen und Morcheln bzw. Lorcheln (Achtung, giftig, siehe nachfolgende Erläuterung). Dazu werden je nach Interpretation frühe Kartöffelchen, Semmel- oder Griessklösschen miteingebunden. Hier und da werden auch zwei Schlachtnebenprodukte, nämlich Kalbsmilken bzw. Kalbsbries und Hahnenkämme, genannt.

Sicher ist, Leipziger Allerlei bietet sich als Armeleuteessen in dieser Region nur so an. Im Zusammenfluss von Weisser Elster, Pleisse und Parthe zum Leipziger Gewässerknoten gab es fruchtbares Ackerland zu genüge. Die Wasserläufe waren voller Flusskrebse und in den Auwäldern darum herum schossen die Pilze aus dem Boden. Zudem gediehen Spargeln in den mitunter sandigen Böden prächtig.

Leipziger Allerlei, und das muss der Leipzig-Unbedarfte wissen, hinterliess durchaus auch ein kulinarisches Schlachtfeld. In Deutschland ist das Leipziger Allerlei auch ein verkochtes Mischgemüse aus der Dose, das meist mit einer zu pampigen Mehlsauce angemacht und den Kindern wie verkochter Rahmspinat als gesund eingetrichtert wurde. Darüber hinaus gab es zu DDR-Zeiten wohl auch noch ein Winter-Allerlei.

Tastsächlich ist das Gericht in seiner Urform eine kulinarische Wohltat, die in der heimischen Menu-Folge ihren festen Platz innehatte.

Selbstverständlich war auch für Johann Wolfgang von Goethe Leipziger Allerlei ein Thema, nachdem er sich in Auerbachs Keller die Lampe gefüllt, ein Fass geritten und sein Unwesen getrieben hatte, das er in Faust I wiedergab – er studierte unter anderem in Leipzig die Rechtwissenschaften. «Mein Leipzig lob ich mir», sage er. Die Stadt muss es in sich haben, denn hier hat auch Giacomo Casanova Leipziger Lerchen vernascht, aber das ist eine andere Geschichte.

Als Zutaten gelten Spargelspitzen, Erbsen, junge Karotten, manchmal Blumenkohl, Krebsschwänze und Morcheln. Die Gemüse werden separat glaciert bzw. blanchiert. Die Morcheln werden in der Butter angedünstet und mit wenig Kalbsfond weichgekocht. Alles zusammen wird zum Schluss in Butter angezogen und geschwenkt. Einige lassen es beim Schwenken in Butter unter Zugabe von Krebsbutter. Einige schmelzen die Krebsbutter, strecken bzw. verlängern mit dem Kalbsfond, in dem die Morcheln weichgekocht wurden. Dieser Krebsbutter-Kalbsfond wird mit Eigelb vermischt, aufmontiert und über das Leipziger Allerlei gegeben. Andere ziehen aus dem Einweichwasser der Morcheln mit einer Mehlschwitze und Rahm/Sahne eine leichte Morchelsauce und montiere diese mit Krebsbutter auf.

Etwas Gift zum Schluss: Mit der Lorchel, genauer genommen mit der Frühjarslorchel, ist das so eine Sache. Sie wurden früher tatsächlich als Speisepilze deklariert, in einigen Gegenden zum Teil bis heute. Der Giftstoff Gyromitrin wird durch Trocknen bzw. durch langes Kochen neutralisiert – theoretisch. Trotzdem kommt es immer wieder zu Vergiftungen, hin bis zu Todesfällen – sie heisst ja auch nicht vergebens noch Frühjahrs-Giftlorchel oder ein Giftlorchel und wird hin und wieder mit der Speise- und Spitzmorchel verwechselt. Empfehlung: Essen Sie auf keinen Fall Lorcheln.

Im Bild: Unsere Interpretation: Leipziger Allerlei ergänzt mit frischem Spinat, Petersilie, etwas Grün von Frühlingszwiebeln und anstelle von Knödeln oder Klösschen begleitet von Kalbsmilken - sautiert sowie englisch paniert und in Butter gebratenen. Die Morcheln sind gefüllt mit gebuttertem Erbsenpüree. Ansonsten: Spargelspitzen, frische Erbsen, junge Karotten, junge Petersilienwurzel und natürlich Krebse. Die Sauce: Mit Kalbsfond verlängerte Krebsbutter mit wenig Bisque d’Ecrevisse, aufmontiert mit Eigelb.

 

Quellen:
Leipziger Kochbuch von 1745, Susanna Eger, ISBN 10: 3361006023
Herings Lexikon der Küche von 1907, Richard Hering, ISBN 978-3-8057-0663-6