Urs Oskar Keller: Wie läuft es mit Ihrem Weingut in Minusio im Tessin?
Francesco Welti: Wir haben nur einen kleinen Rebberg im Tessin behalten, meine Lebenspartnerin Regula Graf hat sich um die Weinlese und, zum dritten Mal, um die erste Phase der Vinifikation gekümmert. Vinum hat unseren Wein letztes Jahr in einem Tessin-Spezial sogar als besten reinsortigen Merlot eingestuft.
Keller: Warum sind Sie und Ihre Lebenspartnerin, Regula Graf, 2012 nach Sardinien gegangen?
Welti: Das ist eine lange Geschichte. Wir sind aber nur halb in Sardinien, denn der Aufbau eines Weingutes von Grund auf ist eine sehr langwierige Sache. Erst fünf Jahre nach Projektstart kann ich den ersten Wein verkaufen: Das heisst für uns zwangsläufig, ein Standbein in der Schweiz zu behalten, um Geld zu verdienen und etappenweise das Geschäft aufbauen.
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«Aufgrund unseres Tessiner Bezugs habe ich überdies – mehr aus Neugier – ein Eckchen mit Merlot bestockt, ohne grosse Erwartungen. Schon bei der ersten, kleinen Weinlese hat mich das Ergebnis dennoch überrascht. Der Wein dürfte eine wahre Wucht werden.»
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Keller: Ihr Weingut liegt etwa zehn Kilometer östlich des Ortes Aglientu im ländlichen Raum in Nordsardinien, leicht erreichbar von den Häfen von Olbia und Porto Torres. Wie gross ist Ihr Weingut heute und welche Traubensorten bauen Sie an?
Welti: Wir bewirtschaften drei Hektar Land und setzen voll auf einheimische, zum Teil sehr seltene Rebsorten wie die lokale Caricagiola. Charakterweine aus autochthonen Sorten zu produzieren und so eine ausserhalb Sardiniens zum Teil völlig unbekannte, spannende Weinvielfalt zu erhalten und bekannter zu machen, ist ein zentraler Ansatz. Dazu liegt unser Betrieb im Herzland des Vermentino della Gallura, der die anspruchsvollste Herkunftsbezeichnung, DOCG, führen darf: Diese weisse Sorte war also gesetzt. Im Rebberg gibt es einen kleineren Sektor mit Stöcken der noch eher bekannten roten Sorten Cannonau und Monica, dazu haben wir seltene Sorten wie Cagnulari, kräftige wie Bovale Sardo oder gänzlich unbekannte wie die weisse Arvesiniadu und eben Caricagiola gepflanzt. Aufgrund unseres Tessiner Bezugs habe ich überdies – mehr aus Neugier – ein Eckchen mit Merlot bestockt, ohne grosse Erwartungen. Schon bei der ersten, kleinen Weinlese hat mich das Ergebnis dennoch überrascht. Der Wein dürfte eine wahre Wucht werden.
Keller: Was ist Ihr Geschäftsmodell?
Welti: Grundsätzlich fahren wie auf zwei Schienen. Das Motto lautet «vino e vacanze», Ferien und Wein. Der Wein nimmt klar die beherrschende Stellung ein. Zusätzlich vermieten wir einige Zimmer im gehobenen Segment. Beim Start hatten wir eine Art des Mitwirkens mit so genannten Weinpionieren, wie wir sie nennen, lanciert. Man konnte Genussaktien von La Sughera erstehen, wobei Genuss hier im wahrsten Sinne des Wortes zu verstehen ist. Wer mitmacht, erhält über eine festgelegte Zeit Wein und Übernachtungen, wird Pate von Rebstöcken. Ein ebenso wichtiger Aspekt ist aber, dass unsere Genussaktionäre zu Botschaftern für diese seltenen Weine werden, die in der faszinierenden Natur Sardiniens gedeihen. Wer will, kann ausserdem auch Hand anlegen; nicht nur während der Weinlese.
Keller: Haben Sie eine Spezialitäten-Nische? Biowein?
Welti: Mehr Spezialitäten und Nische geht fast nicht. Biologischer Anbau war ein wichtiges Argument für den Standort. Wir sind im Moment zwar nicht zertifiziert, bewirtschaften aber den Rebberg nach Richtlinien, die strenger sind als gängige Bio-Modelle.
Keller: Weitere Produkte in Vorbereitung, etwa Olivenöl?
Welti: Zusätzlich Produkte wird es sicher geben, allerdings im kleineren Umfang. Olivenöl weniger, obwohl wir Olivenbäume gepflanzt haben. Aber für Öl reicht es vielleicht in zehn Jahren und höchstens in homöopathischen Dosen. Dafür habe ich zum Beispiel für den Hausgebrauch schon den typischen Likör Sardiniens, den Mirto, aus den Beeren der gleichnamigen, wild wachsenden Pflanze hergestellt, der sehr gut angekommen ist. Dinge dieser Art werden wir mit der Zeit vermehrt anbieten.
Keller: Können Sie von Ihren Reben im Tessin, dem Weingut «La Sughera» sowie dem neuen Bed and Breakfast inzwischen leben?
Welti: Ich lebe für, aber nicht vom Weingut. Das dauert noch, denn wir stehen noch immer am Anfang. Die ersten Flaschen haben wir schon abfüllen können, doch es ist erst eine Miniproduktion. Wir verkaufen sie an Private, bis sie in den Handel kommen, dauert es noch. Zudem lag der Fokus in den ersten drei Jahren des Rebbergs darauf, dass die Stöcke schön und kräftig wachsen. Wir wollen Qualität und das verträgt sich nicht mit hohen Erträgen bei den Trauben und Schnellschuss-Weinen.
Keller: Die erste Weinlese auf La Sughera. Ein «historischer» Moment für Sie?
Welti: Klar. Es gab viele Unbekannte. Die Rebsorten kannte ich nur vom Sehen und von fertigen Weinen. Böden, Klima, alles ist anders als gewohnt. Das war sehr spannend, zumal wir ausserdem auf Spontangärung setzen. Die Düfte bei der Gärung, die Zeit, die der einzelne Wein braucht, bis der Zucker abgebaut ist. Das ist alles Neuland. Das liefert auch intensive Eindrücke, doch es fehlen die Vergleichsmöglichkeiten, Erfahrungswerte, auf die ich bei unserer Tessiner Produktion zählen konnte. Trotzdem ist bis jetzt alles bestens gelaufen.
Keller: 2017 war ein Hitzejahr und ausserordentlich trocken. Sind Sie trotz eines eher schwierigen Jahres mit der Ernte aus den jungen Reben zufrieden?
Welti: Ich bin sehr zufrieden. Natürlich haben die jungen Pflanzen gelitten. Wir haben sie mit ein bisschen Wasser unterstützt, allerdings nur sehr dosiert. Die Wurzeln sollen in der Tiefe nach Feuchtigkeit suchen. Hätte ich öfter bewässert, hätte es mehr Vegetation gehabt, doch auf die Länge wäre der Effekt negativ gewesen.
Keller: Wie läuft Ihr Bed and Breakfast mit drei Zimmern?
Welti: Wir waren nicht die komplette Saison über geöffnet, weil ich zwischendurch in die Schweiz musste. Besonders in der ersten Saisonhälfte und im Spätsommer waren wir gut belegt.
Keller: Wo kann man in der Schweiz Welti-Graf-Weine kaufen?
Welti: In erster Linie verkaufen wir den Wein direkt. Dann beliefern wir einige ausgewählte Restaurants im Tessin, deren Ausrichtung uns gefällt und die eher im höheren Segment anzusiedeln sind wie die Osteria dell'Enoteca in Losone, die Osteria del Centenario in Muralto und das Orico in Bellinzona oder am anderen Ende der Schweiz, in Kreuzlingen am Bodensee, im Wirtshaus zum Bären.