Romeo Brodmann: Ihr Vater, Hans Jungo, seines Zeichens Wirt im Restaurant Schwarzseestern, ist ja ein begnadeter Koch. Schon klar, dass das ansteckend ist. Hatten Sie je den Gedanken einen anderen Beruf zu erlernen?

Christian Jungo: Für mich war schon immer klar, dass ich in die Fussstapfen meines Vaters treten will.

Romeo Brodmann: Sie müssen ja echt gut sein und Nerven aus Drahtseilen haben. Wie haben Sie das angestellt?

Christian Jungo: Ganz einfach, ich habe mich im Eleven Madison beworben, dann wurde ich zu einem Interview mit anschliessendem Probekochen eingeladen.

Beim Probekochen haben sie mir eine Pouletbrust sowie eine Stunde Zeit gegeben um ein Gericht zuzubereiten. Anscheinend hat ihnen das Resultat gefallen. Ich durfte am nächsten Tag wiederkommen und wurde dann angestellt.

Romeo Brodmann: Die meisten anderen machen in einem Restaurant wie dem Madison Eleven Park ja oft gerade mal ein Praktikum und sind nach drei Monaten wieder weg – hinter Ihrem Erfolg muss ziemlich sicher auch jede Menge harte Arbeit stehen, oder?

Christian Jungo: Als ich angefangen habe, wurde ich als Commis de Cuisine eingeteilt, also habe ich jeden Tag ziemlich hart gearbeitet und Verantwortung übernommen. Dann erhielt ich mehr Verantwortung, wurde als Garde Manger eingeteilt und arbeitete auf der eigenen Station. In der Folge wurde ich einfach von Station zu Station eingeteilt. Heute bin ich an der «letzten» Station «meat roast». Ich bin zuständig für die Saucen und das Fleisch und für die berühmte Ente.

Romeo Brodman: Gibt es eigentlich Möglichkeiten, sich als Koch auch persönlich einzubringen?

Christian Jungo: Es gibt jeweils ein «cook battle» unter uns Köchen. Der Gewinner darf seine Idee dem Chef persönlich vorstellen. Das Gericht hat dann Chancen, es auf das nächste Menu zu schaffen. Beim letzten «cook battle» habe ich gewonnen und mein Gericht kommt eventuell aufs Sommermenu.

Romeo Brodmann: Und was haben Sie eigentlich aus der Pouletbrust gemacht?

Christian Jungo: Nun ja, ich hatte die Pouletbrust, eine Stunde Zeit und eine Arbeitsfläche. Aber ganz ehrlich ... ich war so nervös, dass ich zuerst einmal auf die Toilette ging um mich wieder zu sammeln. Ich meine, ich musste damals dem Küchenchef im besten Restaurant der Welt ein Gericht präsentieren - das ist mehr als aufregend. Ich durfte alle Zutaten aus dem Frigor nehmen, habe Pastinaken ausgewählt und diese auf drei verschiedene Arten zubereitet: Püree, tourniert und in Beure Noissette confiert sowie ein frittiertes Pastinaken-Crumble. Die Pouletbrust habe ich mit Olivenöl, Thymian, Knoblauch und Salz sous-vide bei 64°C während 40 Minuten niedergegart. Dazu gab es noch karamellisierte Haselnüsse und ein Condiment aus frischem Kaffeepulver. Nach dem Garen des Poulets wurde es zuletzt auf der Hautseite knusprig grilliert und mit den anderen Zutaten dekoriert.

Romeo Brodmann: Wo liegen beim Kochen Ihre Stärken?

Christian Jungo: Ich würde sagen, meine grösste Stärke beim Kochen ist die Präzision, mit der ich ein Gericht oder eine Kochmethode perfekt gestalten kann.

Romeo Brodmann: Und was liegt Ihnen am besten bzw. was machen Sie am liebsten?

Christian Jungo: Ich arbeite sehr gerne mit Kaviar und Trüffeln, mich faszinieren diese Luxusprodukte. Andererseits, genauso faszinieren kann mich eine Tomate oder eine Kartoffel. Es ist für mich immer wieder beeindruckend, was man alles aus einem Produkt machen kann, wenn man nur ein bisschen daran arbeitet.

Romeo Brodmann: Sie sagen, Ihre Stärke beim Kochen ist die Präzision. Ich behaupte seit Jahren, die grösste Kunst beim Kochen ist nicht per se die Kreativität, sondern die Reproduktion, also ein Gericht immer und immer und immer wieder präzis zuzubereiten. Korrekt?

Christian Jungo: Ja, Präzision in der Küche ist ziemlich wichtig. Jedes Gericht auf jedem Teller sollte von Anfang bis zum Ende des Service genau gleich schmecken und aussehen. Natürlich, man hat ja immer Rezepte, denen man folgen kann. Trotzdem muss man zum Beispiel manchmal improvisieren, da Produkte nicht jeden Tag gleich sein können.

Romeo Brodmann: Wenn in den USA ein junger Mensch Koch werden will: Was macht er für eine Ausbildung? Gibt es überhaupt so etwas wie eine Lehre, so wie bei uns?

Christian Jungo: Das Schulungssystem für Köche in den USA ist ziemlich ähnlich wie in der Schweiz, nur dass wir in der Schweiz glücklich sein können, dass es umsonst ist.

Romeo Brodmann: Aha? Was kostet denn eine Ausbildung zum Koch in den USA und wie lange geht die Lehre?

Christian Jungo: Das weiss ich nicht genau. Sicher ist, mich hat nur schon mein Trainee-Visa, das es mir erlaubt ein Jahr hier zu arbeiten und mich in meinem Beruf weiterzuentwickeln, gut 3000 Dollar gekostet, ganz abgesehen davon, dass ich fünf Jahre Berufserfahrung vorweisen musste.

Romeo Brodmann: Im Claridge's in London eröffnet Daniel Humm im Sommer 2019 das «Davies & Brook». Sie werden dort ab Juni als Junior Sous-Chef eingearbeitet, ich meine, das ist eine grosse Sache...

Christian Jungo: Ja, definitiv.

Romeo Brodmann: Und wie fühlt sich das an?

Christian Jungo: Ich bin ziemlich stolz, sagen zu dürfen, dass ich von Daniel Humm persönlich gefragt wurde, ob ich nach London gehen wolle. Ich habe auch direkt zugesagt und bin ziemlich gespannt was auf mich zu kommt, Man weiss ja, dass eine Neueröffnung eines Restaurants ziemlich stressig sein kann.

Romeo Brodmann: Wie wird die Küche dort in London sein, wird Humm’s Küche aus dem Eleven Madison Park 1:1 übernommen? Was wird prägend sein?

Christian Jungo: Die Küche in London wird definitiv gewisse Techniken und ähnliche Prozesse übernehmen. Doch das «Davies & Brook» muss sich trotzdem London anpassen und wird dementsprechend verschiedene regionale Produkte anbieten.

Romeo Brodmann: Ihr Vater muss ja platzen vor Stolz. Apropos, wissen Sie schon, wo Sie in Ihrem Leben hinwollen? Treiben lassen oder den elterlichen Betrieb übernehmen oder gar andere Pläne?

Christian Jungo: Momentan lass ich mich mal ein bisschen treiben. Bis jetzt waren es immer spontane Entscheidungen, die bisher immer richtig und gut für mich waren. Ich glaube, es ist auch wichtig, sich in der Sache ein Ziel zu setzen, um etwas zu erreichen. Mein grösstes Ziel ist nicht ein erfolgreiches Restaurant zu führen oder der beste Koch der Welt zu sein. Ich will zum Beispiel ganz einfach, dass Menschen, die bei mir essen, «wow» sagen und glücklich sind.

Romeo Brodmann: Wann geht es los in London?

Christian Jungo: Für mich geht es im August los, für die Gäste am 1. September.