Ihr ganzes Leben verbrachte Alma Spengler im beschaulichen Örtchen Illighausen auf dem Thurgauer Seerücken. Am 15. November 1932 erblickte sie das Licht der Welt auf dem elterlichen Bauernhof mit dem angegliederten Restaurant «Sonnenhof». Bereits in frühester Kindheit musste sie mitanpacken – am liebsten tat Alma das im Restaurant und in der Küche. Als dann ihre Eltern altershalber kürzertreten mussten, war es nur logisch, dass sie als Wirtin des «Sonnenhofs» in ihre Fussstapfen trat. Alma Spengler wirtete seit den 1950er-Jahren, in all den Zeiten immer treu unterstützt von ihrem Bruder Walter (81), der sich daneben um den Landwirtschaftsbetrieb kümmerte.

________________________
Mit 70 Wirte-Jahren auf dem Buckel war Alma Spengler wohl eine der am längsten aktiven Wirtinnen der Schweiz.
________________________

Mit 70 Wirte-Jahren auf dem Buckel war Alma Spengler wohl eine der am längsten aktiven Wirtinnen der Schweiz. Der urchige «Sonnenhof» war berühmt für seinen Schwartenmagen, den Wurst-Käse-Salat und den selbsthergestellten Most aus dem Fass. In der gemütlichen Gaststube mit Holztäfer, Kachelofen und klassischen Wirtschaftstischen und der Gartenwirtschaft unter einem alten Kastanienbaum, schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Während Jahrzehnten hielt Alma zusammen mit ihrem einzigen Bruder Walter in ihrer Stube Hof. Stets bunt gemischt war die Gästeschar – alle kehrten gerne bei ihr ein: Dorfbewohner und Regierungsräte, Jäger und Bankdirektoren, Bauern und hohe Militärs, Käser und Metzger, befreundete Gastronomen, einfache Handwerker und reiche Industrielle. Alle fühlten sich wohl, auch weil Alma kein Standesdünkel kannte und alle gleich gut behandelte.

Almas Arbeitsalltag war streng. Von Ferien wollte sie nie etwas wissen, genauso wenig von TV und Radio und erst recht nicht vom modernen Smartphone- und Internet-«Gschmöis», wie sie verächtlich zu sagen pflegte. Dafür las sie regelmässig und intensiv die Tageszeitung. Sie wusste dadurch sehr wohl, was in der weiten Welt draussen alles passierte und sie vertrat auch ihre dezidierte Meinung dazu.

Geheizt und gekocht wurde im «Sonnenhof» mit dem Holzherd und mit Wasser aus der eigenen Quelle. «Uns fehlt es an nichts. Wir sind dankbar und mit unserem Leben zufrieden», pflegte Alma immer zu sagen. Und das Erfolgsrezept für ihre seit 81 Jahren andauernde Geschwisterbeziehung mit ihrem Bruder Walter verriet sie vor einem Jahr, anlässlich ihres 90. Geburtstags: «Wir sind ein gutes Team, kommen seit unserer Jugend gut miteinander aus und kennen keinen Streit. Wir arbeiten, bestimmen und entscheiden gemeinsam. Das eingenommene Geld teilen wir. So haben wir es immer gehalten.»

Alma habe früher einen Haufen Verehrer gehabt, aber zu einer Beziehung oder Ehe sei es nie gekommen, erzählte damals ihr Bruder. Selbst habe er bei den Frauen «Pech» gehabt, nie die Richtige kennengelernt. Als er den elterlichen Hof 1978 übernehmen konnte, habe er sich vertraglich verpflichten müssen, den Eltern und seiner Schwester «in gesunden und kranken Tagen», beizustehen. Daran hat sich Walter Spengler gehalten. Er pflegte Alma in den letzten Monaten verlässlich und fürsorglich.

Alma Spengler hat nie den Wunsch verspürt Illighausen zu verlassen. Zwar habe einst ein rassiger Kavallerist Interesse an ihr bekundet und sie zu einem Ausritt auf dem Seerücken überredet. Als sie dann aber um ein Haar aus dem Sattel gefallen ist, war für sie das Kapitel beendet, denn ihr Vater verbot ihr nochmals auf ein Pferd zu steigen. Dafür kaufte er seiner 18-jährigen Tochter ein schickes Auto. Einen De Soto Diplomat Custom SP 23 X, Jahrgang 1950. Der teure Ami-Schlitten war von da an die grosse Leidenschaft von Alma. Mit ihm fuhr sie gerne zum Tanzen, besonders der Walzer hatte es ihr angetan. Und in der Fasnachtszeit sind Alma und ihr Bruder früher kaum zu halten gewesen. Mit dem De Soto besuchten sie Maskenbälle in der ganzen Ostschweiz.

Alma Spengler war eine typische Thurgauerin, konservativ, der Scholle verhaftet,  sanft und zupackend, empathisch, immer die gute und friedliche Lösung im Auge. Am 13. November 2023, zwei Tage vor ihrem 91. Geburtstag, hat sie in ihrem geliebten Zuhause für immer die Augen geschlossen. Viele werden sie vermissen.

 

________________________________

Zitate zum Alma Spengler und ihr Restaurant «Sonnenhof»:

«Alma hat wohl den berühmtesten Schwartenmagen der Ostschweiz hergestellt»:

«Die Wirtsstube ist noch voll erhalten fast wie vor 100 Jahren, wie eh und je und die beiden pflegen ihre Stammgäste mehr oder weniger auf Einladung. Selber gehöre ich aber nicht zu dem erlauchten Kreis, obwohl ich sicher nicht einfach ausgeladen werden würde, dafür sind die beiden zu nett. Der ‹Sonnenhof› funktionierte für die beiden Geschwister Spengler seit 1992 bestens. Alma hat wohl den berühmtesten Schwartenmagen der Ostschweiz hergestellt», erinnert sich Uwe Moor, Lehrer, Historiker und Präsident des Heimatschutzes Thurgau, der heute in Scherzingen wohnt.

«Geregelte Öffnungszeiten kannten Alma und Walter Spengler im ‹Sonnenhof› nicht. Eigentlich haben sie immer offen oder geschlossen. Die Wirtschaft der beiden Geschwister Spengler ist und war einmalig. Wenn es sie im ‹Sonnenhof› einmal nicht mehr gibt, wohin sollen wir dann gehen?», fragt sich nicht nur Gastronom Bernhard Bieri (69), ein Freund von Alma und Walter Spengler. Er führt seit 1983 den «Sternen» in Lengwil TG. Es ist das erste Nichtraucher-Restaurant der Schweiz. 

 

________________________________

Der «Sonnenhof» im Hinweisinventar Thurgauer Denkmalpflege

«Schenkwirtschaft ohne Beherbergsrecht»

Jakob Spengler liess den «Sonnenhof» 1889 in der Gemeinde Illighausen für 11'000 Franken (Assekuranzwert) bauen. 1925 übernahmen ihn Emil und Alice Spengler-Zehnder. Seit 1978 ist der Hof im Besitz von Walter Spengler. Zum «Sonnenhof» gehört seit 1920 die «Schenkwirtschaft ohne Beherbergsrecht». Dies und auch «Ausserhalb des Dorfkerns gelegen, klassizistischer, zweigeschossiger Baukörper über quadratischem Grundriss mit Walmdach und befenstertem Kniestock. Gut gegliederte, verputzte und eternitverkleidete Fassade, sehr regelmässig befenstert (4x4 Achsen). Strassenseitig vorspringende Fensteraufsätze. Jalousieläden. Gemüse- und Blumengarten mit schmiedeeiserner Umzäunung. Aktuelle Einstufung: wertvoll, Erstes Inventar, 1997», ist im Hinweisinventar des Thurgauer Amts für Denkmalpflege nachzulesen.