Sie wurden mit 14 Jahren aus Empathie zu Tieren Vegetarierin. Was hat Sie bewegt, den Schritt zur Veganerin zu machen?
Gesundheitliche Gründe. Die Milchprodukte blockierten meine Energie. Ich lebte als Experiment drei Monate vegan. Währenddessen habe ich viel über das Thema gelesen und entschieden, dass ich die vegane Ernährungsform beibehalte – aus ethischen, aber auch aus ökologischen Beweggründen und aufgrund der positiven Wirkungen auf meinen Körper.

Sie machen sich für die Reduktion von tierischen Lebensmitteln stark. Sollten aus Ihrer Sicht alle zu Vegetariern oder Veganern werden?
Gar nicht. Ich mache mich für eine Reduktion von tierischen Lebensmitteln stark und sehe meine Aufgabe in der Inspiration. Ich bekehre niemanden, Veganer zu werden. Mein Ansatz ist, den Leuten aufzuzeigen, dass es kein Verzicht ist, sondern eine Horizonterweiterung in der Kulinarik. Diese Philosophie leben wir auch im Maison Raison (Anm.: ehemals Maison Blunt); es ist kein Restaurant von Veganern für Veganer. Mein Ziel ist, dass es ein Restaurant für Fleischesser wird.

Flexitarier, die zwischendurch kein Fleisch essen?
Ja, die verstehen, dass sie an einem Tag in einem Steakhouse und am nächsten Tag bei uns pflanzlich essen können, weil das grossartig schmeckt.

Was braucht es, damit Gastronomiekonzepte mit weniger tierischen Lebensmitteln Erfolg haben?
Da muss man den Betrieb, im Rahmen einer Gastronomieberatung, anschauen und individuell entscheiden, sodass sich Besitzer treu bleiben. Ganz wichtig ist, das Konzept, über alle Gänge hinweg, zu Ende zu denken. So geniesst ein Gast von Anfang bis Ende vegan. Es bringt nichts, einen veganen Teller auf die Karte zu setzen, zum Dessert aber ein Sorbet oder nur Fruchtsalat anzubieten. Ein kreatives Dessert auf pflanzlicher Basis ist gefragt! Und beim Kaffee eignet sich zum Espresso Macchiato beispielsweise ein Hafermilchoder Sojamilchschaum. Ich glaube, es ist wichtig, dahinterzustehen und vegan nicht einfach einzuführen, weil es gerade ein Trend ist, sonst ist das Angebot lieblos.

Wie nehmen Sie die Angebotspräsentation auf dem Markt wahr?
Es gibt viele ambitionierte Köche, die es spannend finden, Neues zu lernen. Beispielsweise was sich anstelle von Butter verwenden lässt. Es geht nicht um Verzicht, sondern darum, Neues aus der Pflanzenwelt zu entdecken. Rapsöl ist ein wunderbarer Butterersatz, auch zum Backen. Es gibt eines aus Schweden mit extra Buttergeschmack, das fantastisch schmeckt.

Schenken Sie uns zwei konkrete Tipps zur Einführung von veganen Angeboten?
Ja, erstens muss neben dem vegetarischen Teller nicht noch ein veganer Teller angeboten werden. Fusionieren lautet das Credo. Ein Vegetarier freut sich über ein kreatives veganes Gericht. Und zweitens braucht es für ein veganes Angebot nicht zwingend neue Produkte. Aus Bestehendem lässt sich einfach ein veganer Teller kreieren. Darauf gehe ich in meiner Gastronomieberatung  ein, ergänzt durch Workshops in der Küche. Es braucht lediglich ein leichtes Umdenken.

Mit «Future Cuisine» stehen Sie für die nachhaltige, rein pflanzliche Küche ein. Nachhaltig und vegan ist also kein Widerspruch?
Nein. Stichwort Avocado: Ich habe mal ausgerechnet, wie hoch der Wasserverbrauch im Vergleich zum Fleischkonsum in der Schweiz pro Kopf ist. Was das Fleisch an Ressourcen benötigt, dafür könnte ich monatlich 100 Avocados essen. Dennoch habe ich seit vier Jahren sämtliche Avocado-Gerichte gestrichen. Ich informiere mich laufend darüber, welche Lebensmittel nachhaltig sind, und treffe neue Entscheidungen. Wissenschaftlich ist erwiesen, dass die tierische Lebensmittelproduktion weltweit ein grösserer Umweltverschmutzer ist als der gesamte öffentliche Verkehr dieser Erde. Aber: Eine Küche ist nicht «nachhaltig vegan», wenn man nur Avocado-Toast oder molekulare Produkte aus Amerika anbietet.

Wie steht es um die Transparenz rund um die Hintergründe der Lebensmittelproduktion?
Ich denke, gerade wegen der Transparenz ist es so wichtig, Produktdeklarationen auf der Karte aufzuführen. So haben die Gäste die Möglichkeit, sich zu informieren. Das Verlangen der Transparenz wird noch weiter zunehmen – ich denke, das wird ein grosser Trend in den nächsten Jahren. Mein Herzensprojekt ist zu den Produzenten zu gehen und mit Bewegtbild aufzuzeigen, wie die Lebensmittel hergestellt werden.

Ihre Einschätzung, was erwartet uns in den nächsten Jahren in Bezug auf tierische Lebensmittel?
«Future Food», also die molekulare, Küche, ist ein wichtiges Thema. Die Produkte sind nicht in jedem Betrieb sinnvoll. Auch sollte auf die Herkunft dieser Produkte geachtet werden. Aber sie haben ihre Berechtigung, und es braucht sie aus dem ökologischen Aspekt, damit wir in Zukunft weniger tierische Produkte essen. Wenn diese identisch schmecken und günstiger angeboten werden, erreichen wir einen echten Wendepunkt. Die Rethink- X-Studie aus Amerika prognostiziert, dass wir in den nächsten zehn Jahren 50 Prozent unseres tierischen Lebensmittelkonsums eingrenzen, was auch mit der Entwicklung der Lebensmittelindustrie zu tun hat. Die molekulare Milch kommt auf den Markt, das molekulare Ei ist bereits verfügbar. Da wird viel passieren und Sie hören es raus: Ich bin Feuer und Flamme – das ist meine Materie [lacht].