Dampfschwaden strömen aus der Türe des weissblau bemalten Wagens. Küchenchef Nour Eddine Oulouda grüsst auf der Wagentreppe. Der 63-Jährige zeigt ins Innere der rollenden, 30 Quadratmeter kleinen «Feldküche». Improvisation ist für ihn das tägliche Brot: «Wenn mal der Wasseranschluss oder die Zuleitung in die Kanalisation Probleme machen, kann das mühsam sein», sagt er. Die gesamte Küchenanlage wie auch das Kochteam reisen mit einem SBB-Extrazug während neun Monaten rund 1'900 Kilometer durch die Schweiz.
20'000 warme Hauptmahlzeiten
Während Arbeiter das Zelt frühmorgens am neuen Spielort aufbauen und den Zoo bereitstellen (Knie gastiert heuer in 23 Schweizer Städte und Orte), begann bislang der Arbeitstag von Oulouda mit den Vorbereitungen fürs Frühstück. Wasser kochen, Croissants aufbacken, 30 Kilo Brot bereitstellen. «Frühstück haben wir nicht mehr. In unserer Mannschaftsküche wird das Mittagessen angeboten, dies auf Wunsch der Mitarbeiter», bestätigt Tamara Kury, Assistentin im Medienbüro des Schweizer National-Circus AG. Täglich arbeitet er bis 13 Uhr in der Küche, abends im Küchenwagen, danach hilft er und sein Team im Pizza- und Grill-Wagen beim Zirkuszelt für die Gäste der Zirkusgastronomie aus. Geht die Knie-Tournee nach 298 Tagen am 31. Dezember 2022 zu Ende, wird er zusammen mit seinem Team über 20'000 Hauptmahlzeiten und Zwischenverpflegungen zubereitet haben.
Wie organisiert der Koch unterwegs in der Schweiz die Produktbeschaffung? «Den Menüplan erstelle ich wöchentlich und die Bestellungen erfolgen über unser Büro. Für kleinere Einkäufe gehe ich auch mal in einen örtlichen Coop-Laden», sagt Oulouda. Die meisten Lebensmittel werden fast täglich von Saviva AG (Zustellgrosshandel, Regensdorf ZH), Romer's Hausbäckerei AG (Benken SG), Kellenberger Frisch Service frigemo AG (Gemüse, Früchte etc., Zürich), G. Bianchi AG (Fisch, Zufikon AG), Prodega/Growa/Transgourmet Schweiz AG (Moosseedorf BE), Coop und anderen Firmen geliefert.
Seit 36 Jahren als Zirkuskoch
Inzwischen sind auch der zwölf Meter lange Küchenwagen mit Abwascheinheit und Wasseraufbereitung sowie die zwei Mannschaftsesswagen angeschlossen und betriebsbereit. Der Küchenchef würzt die Erbsensuppe, danach stellt er aus Mehl und Eiern eine Panade zum Frittieren der Buntbarsche her. Ein polnischer Koch macht den Salat und die Steaks. «In unserer Mannschaftsküche wird neu nur das Mittagessen angeboten, dies auf Wunsch unserer Mitarbeiter. Zwei Menüs, welche den Essgewohnheiten der Mitarbeitenden angepasst sind, stehen zur Auswahl. Gekocht wird für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die keine eigene Infrastruktur im Wagen oder Abteil haben. Alle anderen Mitarbeitenden verpflegen sich autonom», sagt Tamara Kury von Knies Medienbüro.
Genügend Kalorien und Vielfalt
Genügend Kalorien und Vielfalt sind in Knies Kantine gefragt. Es sei nicht einfach, den Geschmack aller Zirkusangestellten und Artisten zu treffen, sagt Oulouda. Denn diese kommen heuer aus 18 unterschiedlichen Ländern und Kulturen. Um seinen Gästen gerecht zu werden, serviert er meistens zwei Sorten Fleisch und mehrere Beilagen: «Es gibt täglich zwei Mittagsmenüs. Als Beilagen gibts heute Kartoffeln, Reis sowie Ratatouille.» Menüwünsche würden möglichst erfüllt. Oulouda: «Die Polen möchten am liebsten schon zum Frühstück Kartoffeln und Koteletts verdrücken, die Marokkaner essen dafür viel Lamm und Teigwaren.» Der absolute Renner ist aber Koteletts mit Pommes frites. «Ich arbeite seit 36 Jahren als Zirkuskoch und die Zubereitung der verschiedenen Gerichte für unsere internationale Mannschaft ist für mich nicht mehr schwierig», sagt Nour Eddine Oulouda. Muslime essen zum Beispiel nur Gerichte, die «halal», also «rein» im muslimischen Sinne sind, und verzichten deshalb unter anderem auf Schweinefleisch. Oulouda: «Ich habe einen Händler im zürcherischen Egg, der mir Halal-Fleisch aus Holland und Belgien liefert.»
Während des islamischen Fastenmonats Ramadan (seit 1. April) sollen gläubige Moslems zwischen Sonnenaufgang und -untergang auf Essen und Trinken verzichten. Deshalb kochen beispielsweise dann die Marokkaner abends selbst – der Küchenchef auch.
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«Wenn die Moral in der Küche stimmt, dann stimmt auch die Moral im Zirkus.» Fredy Knie junior
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Bis zu 70 Mittagessen bereitet das Küchenteam – drei Marokkaner, ein Pole – pro Tag zu.
Gekocht wird für die Mitarbeitenden, die keine eigene Infrastruktur im Wohnwagen haben. Alle anderen verpflegen sich in der Regel autonom und besorgen sich die Lebensmittel selbst. Die meisten der 37 Artistinnen und Artisten sowie Angestellte aus der Schweiz kochen selber.
Die «Dressur mit Kochlöffeln» kommt an. «Wenn die Moral in der Küche stimmt, dann stimmt auch die Moral im Zirkus», sagt Fredy Knie junior (75), der frühere künstlerische Direktor des traditionsreichen, 1919 gegründeten Zirkusunternehmens, das heute seine Tochter Géraldine Katharina Knie leitet.
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