Tannen über Tannen zieren die Wiesen neben der Strasse zum Asthof bei Berg (TG) und im Advent steht ein übergrosser roter Weihnachtsmann vor einer Scheune. Auf dem Hof lagern gefällte und in Nylonnetze verpackte Bäume stapelweise, andere stehen aufgereiht in Töpfen.
Der Betrieb hat Hochsaison. In den Wochen vor Weihnachten verkauft Beat Kressibucher seine gesamte Jahresproduktion: weit über 2'000 Bäume. Den grössten Teil geht direkt an die Endverbraucher: über den grossen Adventsverkauf ab Hof oder direkt an den Märkten in Altishausen, Kreuzlingen, Weinfelden und Winterthur. Auf dem Hof begrüsst Beat Kressibuchers Frau, Karin Kressibucher-Senn, die Kundinnen und Kunden. Alles riecht nach Weihnachten: Glühwein, Zimtsterne und Christbaumschmuck. Neben dem Wohnhaus befindet sich auch Karins Glaskunstatelier.
Ein schöner Baum?
Wer mit dem Weihnachtsbaumproduzenten durch die Baumplantagen stapft, fühlt sich wie bei einem Schönheitswettbewerb. Ein schöner Baum? Eher eine krumme Figur? Beat Kressibucher schaut genau hin. Hier kommentiert er den regelmässigen
und schlanken Wuchs, da ein Gardemass, dort die vollkommene Form. Eine Baumschere hat er für einen «Formschnitt» immer dabei. Dünne Bäumchen seine nichts für ihn. Kressibucher bevorzugt kräftige Baumtypen, mit schönem Astwerk und strammem Wurzelwerk.
Nordmanntannen überwiegen
Im Quad-Anhänger befindet sich eine Stihl-Kettensäge mit extra gehärteter Kette. Auf einer grossen Parzelle am Waldrand befinden sich Nordmanntannen, heute die beliebtesten Weihnachtsbäume der Schweiz. «400 Bäume werden wir in den nächsten Tagen schlagen und Coop Schweiz liefern. Es ist ein schöner Auftrag, der mir unsere Interessengemeinschaft Suisse Christbaum vermittelte», freut sich Kressibucher, ergreift die Kettensäge und kniet auf den nassen Boden. Ebenerdig schneidet er den Nadelbaum ab. Gras und Erde spritzen herum. «Die Wurzel und den Strunk lassen wir vermodern. Daneben pflanze ich im kommenden Frühling eine neue Tanne», sagt Kressibucher.
Die zu fällenden Nordmanntannen sind vorgängig ausgewählt und an der Stammspitze mit farbigen Etiketten mit Grössenangaben versehen worden.
Langwieriges Geschäft
Die Zucht der Tannen ist unsicher und langwierig. Welche Samenlieferung beziehungsweise Setzlinge bringen schöne Bäume, welche widerstandsfähige?
Ergebnisse sind erst nach Jahren sichtbar. Auf Beat Kressibuchers eingezäunten Kulturen sind einige Flächen fast leer. Junge Tännchen stehen einsam dort. Engerlinge haben gewütet. «Schlimm – so etwas sehe ich nicht gerne», sagt Kressibucher. Einmal pro Jahr verteilt er ein biologisches Öl über die Tannen, eine «Winteraustriebsspritzung» gegen Ungeziefer. Aber «alles totspritzen» will er nicht.
Um die Biodiversität zu fördern, pflanzte Kressibucher Nussbäume – und als Windschutz für die Christbaumkulturen auch Birken, Quitten und Äpfel. Zudem hat er einige Buntbrachen mit Ackerwildblumen.
Schafe als «Rasenmäher»
Seit vielen Jahren setzt Beat Kressibucher (51) in seinen Weihnachtsbaum- und Obstbaumkulturen englische Shropshire-Schafe ein, «seine Rasenmäher», wie er sagt. Die Tiere hätten bewiesen, erzählt Kressibucher, dass sie die Kulturen zuverlässig beweiden, ohne die Triebe der Koniferen zu verbeissen oder die Rinde zu schälen. Der Landwirt kann mit dieser Unkrautbekämpfungsmethode auf den
Einsatz von Herbiziden verzichten. Der Dung der Schafe verbessert auch das Bodenleben, liefert kontinuierlich Nährstoffe und führt so zu gleichmässigem Wuchs und einer verbesserten Nadelfarbe der Bäume
Gut für die Umwelt
Und auch mit Blick auf die Ökobilanz schneiden Weihnachtsbäume aus heimischer Produktion gut ab. Dazu Beat Kressibucher: «Ein Hektar Weihnachtsbaumkultur bindet während der Wachstumszeit von über zehn Jahren bis zu 145 Tonnen CO2 und produziert gleichzeitig bis zu 105 Tonnen Sauerstoff.» Vollständig abgeschmückt kann der Baum der Grünabfuhr übergeben werden. Hier wird sogar noch Energie aus ihm gewonnen.
Anders als einige seiner Kollegen, die 40 Prozent Ausschussware produzieren, bringt Beat Kressibucher fast 80 Prozent seiner Bäume durch. Kressibucher dazu: «In einem solchen Fall werden vor allem die Äste verkauft. So muss ich nicht ganze Bäume häckseln.»
Grosses Angebot, gute Qualität
Das Angebot an Weihnachtsbäumen ist heuer gross, die Qualität gut. Landi verkaufte Nordmanntannen aus Dänemark im letzten Jahr schon ab 19,90 Franken. Professionelle Baumbauern können mit solchen Preisen nicht mithalten. Kressibucher wirbt um Verständnis: «Wir müssen unseren Kunden den Unterschied zwischen einem guten und einem qualitativ schlechten Baum erklären, damit sie die Preisdifferenz verstehen.»
Beat Kressibucher sagt seinen Kundinnen und Kunden immer: «Wenn ein Christbaum heute 60 Franken kostet, also so viel wie ein grosser Blumenstrauss, dann muss man wissen, dass der Baum sechs oder mehr Jahre gewachsen ist». Das bedeutet viel Arbeit: Vogelstäbe setzen, mähen, düngen, schneiden», erklärt
Kressibucher. Manchmal betrage der Stundenlohn vielleicht nur 14 Franken. Seine Nordmanntannen verkauft der Bauer für 30 Franken pro Laufmeter, bei sehr schönen Tannen verlangt er 35 Franken. Eine Tanne benötigt 20 Jahre, um die Grösse von zwei Metern zu erreichen.
Es gibt auch Risiken
Nach Abzug aller Kosten erzielt Beat Kressibucher einen durchschnittlichen Gewinn von rund zehn Franken pro Baum. Das klingt recht profitabel, doch ist der Weg zum reichen Baumbauer noch weit. Ende Mai 2011 beispielsweise gab es Spätfrost. Bei Hunderten von Tannen in den freien Kulturen waren dadurch frische Seitentriebe abgestorben. Er konnte sie deshalb in jenem Jahr nicht verkaufen.
Information:Karin und Beat Kressibucher-Senn, Ast 1, 8572 Berg TG, Telefon +41 71 636 13 07, Mobiltelefon +41 79 232 04 45, info@christbaeume.ch, www.christbaeume.ch .