Er ist nicht irgendeiner, sondern einer jener, die auch schon hinter grossen Chefs standen und sich um das Alltägliche kümmerten.
Noch bevor das legendäre Basler Hotel Les Trois Rois umgebaut wurde, stand er quasi als 3. Küchenchef hinter dem Executive Chef und dem damaligen Shooting-Star Françoise Wicky. Benennen wir es mal so, er bügelte hinter den Kulissen die Unebenheiten aus, die kreative Exzesse inmitten eines altbackenen Rahmens auch hinterlassen.
Sein Name tauchte nie auf. Er erledigte die Arbeiten, die es zu erledigen gab, dirigierte die Knochenbüez hinter der Kunst. Ein Flaschengeist. Also sozusagen ein génie gastronomique.
Busslinger ist ein Arbeiter, ein Koch, frei von Berührungsängsten vor der täglichen Arbeit. Das sagen seine Hände deutlich, und das kommt ihm mehr als zugute als Inhaber des Einmannunternehmens. Doch wieso ausgerechnet Traiteur Fink? Der Schalk zeigt auf eine Anzeige inmitten von an die Wand gepinnten Bankettbestellungen.
Ein Bild. Eine Insel. Die Insel. Ein Traum für 1’000'000 Dollar auf den Philippinen. Echt jetzt? «Yep».
Silvan Busslinger sitzt immer noch auf der Treppe zum Eingang seines kleinen Reiches. Er kramt das Zigarettenpäckchen aus der Brusttasche, klopft einen Sargnagel raus, zündet ihn an, mit der Nonchalance eines Kochs. Anthony Bourdain und «Bekenntnisse eines Küchenchefs» lassen grüssen, irgendwie.
Busslinger hat frei. Und wenn er frei hat, heisst das, er hat Zeit für die wöchentliche Grundreinigung und das Büro. Doch heute ist es ein gemächlicherer Tag. Deshalb sitzt er auch barfuss da. Pause. Die Zehen der Sonne entgegengestreckt. Ungefähr zwischen Viertel vor Boden aufnehmen und Viertel ab Aufnahme des Verbrauchsmaterialbestandes.
„Ich ziehen nur schnell die Schuhe an und dann gehen wir rüber ins Restaurant. Bei einem Kaffee geht das besser. Ich bin mir Interviews nicht gewohnt.»
Naja, eine der dringlichsten Fragen ist ja, wieso er sich ausgerechnet jetzt selbständig gemacht hat. «Ich habe 25 Jahre gekocht, es war schlicht und einfach an der Zeit, für mich zu schauen. Ich arbeitete immer für andere, was dabei für mich selber übrigblieb, war bescheiden. Aber das ist halt so in der Gastronomie. Jedenfalls, auf der Suche nach etwas Passendem bin ich dann auf das Inserat gestossen.»
Von der Insel? «Nein, von Traiteur Fink. Eigentlich wollte ich ein einfaches Take-Away in Zürich. Doch dieses kleine Unternehmen in Meilen interessierte mich. Ronald Fink und ich lernten uns kennen und das passte einfach auf Anhieb für beide.»
So Handgelenk-mal-Pi und über den Daumen gepeilt hat dieses génie gastronomique unternehmerisch alles richtig gemacht. Als Ein-Mann-Betrieb hält er die Personalkosten tief. Die Mitarbeitenden stellt er je nach Anlass temporär an. So werden die Personalkosten wie auch die Waren- und Betriebskosten kalkulierbar und können weiterverrechnet werden.
Ausserdem konnte Silvan Busslinger von Ronald Fink auch das kleine Standbein der Glaceproduktion mit den wichtigsten Stammkunden übernehmen. Unter anderem ein Feinkostgeschäft und eine grosse Tankstelle. Das deckt schon einmal die Betriebskosten. Und das verschafft dem Jungunternehmer mittleren Alters den Raum, um sich der marktwirtschaftlichen Regel von Nachfrage und Angebot anzunehmen, neue Produkte zu planen, aber auch einfach um zu kochen.
Die Glace, am Rande bemerkt, hat in verschiedenen Tests mit sehr gut abgeschnitten. Fink legte die Rezepte bei den Sorbets beispielsweise mit einem sehr hohen Fruchtanteil von 55 Prozent an und verzichtete von Anfang an auf jegliche Zusätze. Diese spezielle Verbindung von Fruchtmark, Zucker und vermutlich (Spekulation des Autors) Eiklar (das ist ja in anderem Mischverhältnis auch die Basis von Fruchtsoufflés) führt dazu, dass diese Sorbets angetaut zu einem Mousse aufgeschlagen oder ganz aufgetaut als Fruchtcoulis verwendet werden können.
Apropos Rezepte, wie beschreibt Silvan Busslinger seinen Küchenstil? «Ich habe mit vielen Lehrlingen zusammengearbeitet und sie ausgebildet. Zeitweise hatte ich bis zu neun Lehrlingen gleichzeitig im Haus. Ich denke, das hat meinen Küchenstil stark geprägt. Mein Stil in Zubereitung und Handhabung basiert auf der klassischen französischen sowie bodenständig auf der gutbürgerlichen Küche. Ich achte auf hochwertige Produkte, deren Charakter auf dem Teller möglichst unverfälscht zur Geltung kommen soll. Da könnte man sagen, dass das auf der Linie der Einfachheit der italienischen und spanischen Küche ist.»
Einer seiner Grundsätze, erklärt er weiter, sei nicht jedes Fleischstück fünf Mal zu bearbeiten und mit sieben Dekorationen zu versehen. Aber natürlich verschliesse er sich auch neuen Techniken und Moden, zum Beispiel der avantgardistischen Küche nicht. Was passt, baut er folglich auch ein, beispielsweise «Cuisson au Sous-Vide.»
Und kaum hat er das Geschäft vollständig übernommen, kam der Catering-Auftrag für die Anlässe des Vereins Smoke on the Water auf dem Davidoffschiff. Er sei sehr überrascht gewesen, meint er, den Zuschlag bekommen zu haben. Überrascht? Wieso? Traut der Flaschengeist der Küche seinem eigenen Können nicht?
« Sehr witzig», lacht er. «Im Januar kam alles zusammen. Die Geschäftsübernahme wurde nach der Übergabephase endgültig abgeschlossen, viele Caterings standen an, der private Zügeltermin fiel ebenfalls in diese Zeit. Und dann kam das Testessen hier mitten in meiner Mischung aus Büro und Materiallager – ich habe ja keine Gaststube.»
Geschmack und Aromen sind ja glücklicherweise ortsunabhängig. «Ich bin natürlich sehr happy. Die Smoke-on-the-Water-Abende auf dem Davidoff Schiff sind ein wichtiges Standbein für mich. Auf das kann ich bauen». Im Übrigen sei es eine super Truppe. Alle seien entspannt, es gehe ums Geniessen und da fühle er sich wohl.
«Und im Übrigen», sagt er, «aus diesem Engagement sind super Kontakte entstanden. Ich kann sehr viel von der vorhandenen Erfahrung profitieren. Ich meine, da sind Anwälte, Treuhänder, Marketing- und Verkaufsexperten. Das ist ja auch ein Wert, den man bilanzieren muss.»
Was die Zukunft bringe, dafür sei vieles offen. Fokussiert habe er die Neu- und Weiterentwicklung von Produkten wie der Glace aber auch Fonds und Saucen. Dafür sei sicher ein Markt vorhanden.
Damit dürfte er recht haben. Kein Trend ohne Gegentrend. Neben der Massengetriebenen Entwicklung normierter Industrieprodukte gibt es auch die Strömung der Bewussten, mit einem Bedürfnis nach frischen und handwerklich hergestellten Produkten im höheren Preissegment.
Busslingers Sicht auf die allgemeine Marschrichtung in die gastronomische Zukunft ist trotz allem nicht nur rosig: «Vorgefertigt und abgefertigt» nennt er diese. Dieser Markt, diese Entwicklung benötige in Zukunft weniger von den gut ausgebildeten, dafür umso mehr von den weniger gut ausgebildeten Köchen. Die Trauer des Berufsmannes ist durchaus gewürzt mit einer Prise Spott. Die Zukunft gehöre immer mehr den Angelernten und den Systemgastronomen mit den noch tieferen Löhnen.
Da es nicht Gesund ist, zu lange in den Gefielden des Ungenusses zu verharren, die letzte Frage zu Smoke on the Water: Silvan und Zigarre?
«Tatsächlich habe ich habe auch schon eine Zigarre geraucht. Ich mag den Geschmack. Oft habe ich aber die dafür notwendige Geduld nicht, die Zeit dafür aufzubringen. Aber, ich hoffe, dass die Zeit hierfür kommt, spätestens auf der Insel.»