Alfons Angehrn (75) steht an einem sonnigen Herbst-Vormittag neben einem Haselbaum in der gemeinsamen Trüffelanlage. Die vier, jeweils zwanzig Zentimeter tiefen Löcher («Trüffelfallen») für eine erneute Impfung mit neuem Substrat wurden im April schon gemacht. Insgesamt 1'680 Löcher mit einem Durchmesser von 20 cm wurden bei 420 Bäumen maschinell ausgehoben. «Je nach Alter der Trüffelplantage und je nach Stand der Mykorrhizierung bzw. Wurzelanalysen empfiehlt es sich, mit keimfähigen Trüffel-Sporen die Fertilisation zu unterstützen», sagt Stefan Spahr, Präsident des Vereins Trüffelproduzenten Schweiz (siehe Interview).
Mitinitiant und Allrounder Werner Attinger (57) aus dem nahen Degenau (TG), füllte im Frühjahr 16 Liter des mit Sporen vermischten Substrats sorgfältig in die Löcher und um den Wurzelkranz des Baumes. «So können sich die Pilze neu an den Baumwurzeln andocken und sich verbinden», erklärt Attinger, der sich sein Wissen unter anderem an Kursen des Verein Trüffelproduzenten Schweiz und Pro Trüffel Schweiz holte und die Anlage managt.
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«Ich war anfänglich sehr skeptisch, als mein Sohn Andi und der Trüffelfan Werner Attinger mir 2014 die Idee vorstellten, auf meiner Wiese eine der ersten Trüffelanlagen im Kanton Thurgau anzulegen. Aber es heisst so schön: Wer wagt, gewinnt.» Landwirt und Pflanzer Alfons Angehrn aus Hagenwil (TG)
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Um die Mykorrhizierung der Wurzeln zu überprüfen, müssten regelmässig Wurzelproben untersucht werden. Eine kostspielige Sache. Eine einzige Untersuchung kostet rund 200 Franken pro Baum.
Alle 600 Bäume auf der Anlage wurden inventarisiert. Warum? Werner Attinger: «Damit unterschiedliche Behandlungen – mit oder ohne Trüffelfallen – zu einem späteren Zeitpunkt überprüft werden können.»
«Das Risiko auf zwei Schultern verteilen»
Über 1'600 solcher «Trüffelfallen» haben sie und weitere Helfer in den letzten Monaten gelegt. Über das ganze Jahr ist einiges zu tun auf der 53 Aren grossen Anlage. Im Oktober 2014 wurden die 600 eingetopften «Trüffelbäumchen» auf einer Wiese oberhalb des historischen Wasserschlosses auf 500 Meter ü. M. gesetzt.
Rund 25'000 Franken – ohne die eigene Arbeit eingerechnet – haben Andi Angehrn (Gastgeber im Schloss-Restaurant Hagenwil) und Werner Attinger in die Trüffelplantage investiert.Andi Angehrn: «Die Kosten der Anlage haben wir uns bis heute geteilt und konnten so das Risiko auf zwei Schultern verteilen. Und wie sagt man so schön: Geteilte Freude ist doppelte Freude, wenn dann der Trüffel spriesst!» Im Vergleich würde eine Rebanlage in gleicher Grösse auf etwa 60'000 Franken zu stehen kommen, weiss der pensionierte Landwirt Alfons Angehrn, der seinen Hof verpachtet.
Symbiose mit Bäumen
Ein Blick zurück: Vor fünf Jahren begann nach der Ausbringung von 50 Tonnen festem Kalk das Aufforsten – und zwar mit speziell beim österreichischen Unternehmen «Trüffelgarten» vorbereiteten Laub- und Nadelbäumen, deren Wurzeln mit den Sporen des Trüffelpilzes geimpft wurden. Trüffel sind Fruchtkörper der unterirdisch lebenden Pilz-Myzelien und gehen eine Symbiose mit Bäumen ein. Symbiose bedeutet: Die beiden Lebewesen versorgen sich gegenseitig mit Nährstoffen. Da es sich beim Trüffel um einen Pilz handelt, liegt es nahe, dass der Boden feucht gehalten werden muss. Der Bewuchs zwischen den im Abstand von rund zwei Metern gesetzten Bäumen wird wegen der Wasserkonkurrenz gemäht. Eine Tröpfchenbewässerungsanlage ist noch nicht installiert.
Ein 1,7 Meter hoher Knotengitterzaun mit drei Toren der Firma Alpstein in Arnegg umgibt die Anlage. «Wir möchten keine Wildschweine oder Hasen hier drinnen und kämpfen schon gegen Mäuse. Anfänglich hatten wir wegen den Nagern etwa 20 Prozent Verlust», berichtet Werner Attinger. Durch das Aufstellen von Mäusefallen und Vogelstangen habe sich die Situation in der Trüffelplantage beruhigt. Milane, Mäusebussarde und andere Raubvögel halten nun Ausschau nach Beute.
Nur zwei Trüffelanlagen im Thurgau
Pflanzen, pflegen und warten: «Ich war anfänglich sehr skeptisch eine solche Trüffelanlage auf meinem Land miteinzurichten. «Solche Plantagen – im Thurgau nur noch eine in Hörhausen auf dem Seerücken bei Steckborn – gibt es noch nicht sehr lange und Erfahrungen fehlten teilweise», sagt Landwirt Alfons Angehrn. Hauptinitiator der Anlage sei Werner Attinger. Attinger, im zürcherischen Gockhausen aufgewachsen – früher Landwirt, Fährbetreiber und Wirt des Gartenrestaurants Gertau (TG) an der Sitter, überzeugte ihn, ein solches Wagnis einzugehen. Angehrn: «Auch mein Sohn Andi, Gastgeber auf unserem Wasserschloss in Hagenwil meinte, es wäre doch lässig, eigene Trüffel im Restaurant anzubieten.» Das sei auch der eigentliche Grund der Investition gewesen. Zu dritt wurde das Projekt gestartet und mit professioneller Unterstützung der Firma «Trüffelgarten» vorangetrieben. Für Patron Alfons Angehrn gilt das Sprichwort: «Wer wagt, gewinnt!» Und er ist überzeugt: «Den Mutigen gehört die Welt!» Es soll, wenn alles klappt, in einigen Jahren drei Sorten von Trüffel geerntet werden können: Frühlings-, Winter- und vor allem Burgunder-Trüffel (85 %).
Eine kniffelige Angelegenheit
Trüffel zu kultivieren, sei eine kniffelige Angelegenheit. Nicht jede Plantage mit «Trüffelbäumchen» liefert die erhofften Erträge. «Die Wurzeln der Bäumchen, meist Hainbuche, Föhre, Hasel oder Eiche, werden vor dem Anpflanzen mit Trüffelsporen «geimpft», damit sich die Symbiose zwischen Pilz und Baumwurzel, die Mykorrhiza, entwickeln kann», sagt Werner Attinger. Sechs bis zehn Jahre müsse man dann warten, bis die ersten Fruchtkörper des schwarzen Edeltrüffels Tuber melanosporum reif sind. Dann riechen sie so stark, dass Trüffelhunde sie aufspüren können. Attinger: «Nur reife Trüffel werden dann von einem dafür ausgebildeten Hund gefunden.»
Annette Weber (52), Werner Attingers Lebenspartnerin, ist mit ihrem jungen Pyrenäenschäferhund «Milou», auch auf der Plantage. Sie bildet ihren reinrassigen «Berger des Pyrénées» selbst zum Trüffelhund aus. «Milou» findet den mitgebrachten, unter einem Baumstamm versteckten schwarzen Burgunder-Trüffel in einem gelben Plastik-Überraschungs-Ei verpackt, rasch. Zur Belohnung erhält er Leberwurst aus der Tube. Die erste Suche nach Trüffeln auf der jungen Anlage verlief 2018 mit einem ausgebildeten Trüffelhund noch negativ.
«Etwas Aussergewöhnliches»
«Es wäre eine grosse Überraschung gewesen, wären schon Trüffel gefunden worden. Wir hoffen, in einigen Jahren dann die ersten Trüffel zu finden», sagt Alfons Angehrn lächelnd.Sein Sohn Andi Angehrn (41), seit 2008 Gastgeber, Koch und Pächter des historischen Wasserschlosses Hagenwil mit Restaurant aus dem 13. Jahrhundert mit insgesamt 274 Plätzen: «Unsere Trüffelanlage ist noch etwas zu jung, um Ertrag abzuwerfen. Der Hauptgrund für die Plantage ist, dass wir etwas Aussergewöhnliches vom eigenen Boden anbieten können. Aus rein finanziellen Gründen dürfte man das wohl nicht machen.» Seit 2010 hat das Schloss-Restaurant wild wachsender Trüffel aus dem Oberthurgauer Wald auf der Karte. Allerding lasse sich das Angebot nur kurzfristig planen – «je nach Erfolg des Trüffelhundes.»
Das hochpreisigste Lebensmittel
Trüffel sind, neben Safran und Kaviar, das hochpreisigste Lebensmittel überhaupt und so könnte hier eine gute Geld-, wenn nicht «Gold»-Quelle verborgen sein. Doch so einfach ist das Ganze leider nicht. Der grösste Nachteil: Der Ertrag lässt unter Umständen bis zu zehn Jahre auf sich warten. Zunächst bedarf es einer gründlichen Vorbereitung des Bodens, der einen vergleichsweise hohen pH-Wert von 7,5 haben sollte, damit Trüffel überhaupt wachsen können.
Viel Arbeit und die Macht des Mondes
Je nach Trüffelart und Wachstumsphase der Wirtsbäume fallen vor allem über die Sommermonate zahlreiche Pflegeschritte wie Bodenbearbeitung, Mähen und Baumschnitt an. Entsprechend dem Alter der Trüffelplantage und je nach Stand der Mykorrhizierung (Wurzelanalysen) empfiehlt es sich, mit keimfähigen Sporen die Fertilisation erneut zu unterstützen.
Welche Arbeiten sind nach der Pflanzung über das ganze Jahr auszuführen? «Im Frühling haben wir die Baumstämme freigeschnitten und einzelne Baumspitzen gekappt. Herausschneiden der Reihen und das Auslichten der Bäume gehören dazu. Einerseits ist die Beschattung der Bäume wichtig und andererseits der Schnitt nötig», berichtet Werner Attinger. Und die Macht des Mondes? «Bei den Baumpflegearbeiten und Pflanzungen berücksichtigen wir die geeigneten Mond-Tage und den Mondzyklus. Sie können das Wachstum positiv beeinflussen.» Die Föhren haben sich im «Jahrhundertsommer» 2018 gut entwickelt, dagegen gab es Mehltau bei einigen Eichen.
Hacken, hacken, hacken…
Die Technik ist abhängig von der Plantagengrösse. Kleine Flächen können mit Handmaschinen bearbeitet werden, für grosse Flächen gibt es Spezialwerkzeug. Für die mechanische Bodenbearbeitung wird ein Krümler oder auch mal eine Hackmaschine gemietet. Alfons Angehrn: «Das Hacken der Bodenoberfläche ist eine der Hauptaufgaben in einer solchen Spezialanlage.» Für das regelmässige Mähen des Grases in der Trüffelplantage kommt Angehrns italienischer Ferrari Raptor 40-Spezialtraktor mit kurzem Radstand zum Einsatz. Der Rasenschnitt wird abgeführt und je nach Bodenqualität zum Mulchen verwendet. Attinger: «Das Ziel sollte ein eher magerer Boden sein.»
Kein taugliches Standbein
Trüffel sind beliebt in der feinen Küche, aber keine echte Einkommensalternative für Landwirte. «Der Trüffelanbau wird in der Landwirtschaft eine Nische bleiben und ist als Standbein eigentlich nicht zu gebrauchen. Zu hoch ist das Risiko, zu unsicher der Absatz, zu lang die Wartezeit bis zur ersten Ernte, und zu schwierig die Zusammenarbeit mit einem Hund», schreibt Markus Bopp, Leiter der Bereiche Biolandbau, Landtechnik, Kurswesen und Fachtagungen des Strickhofs in Lindau ZH. Dessen ist sich auch Alfons Angehrn bewusst: «Man kann mit Trüffeln kein schnelles Geld machen, aber es ist eine interessante Nische.»
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Trüffelplantage Hagenwil (TG)
Die Trüffelplantage wurde im Oktober 2014 auf einer 5'300 Quadratmeter grossen Wiese, wo früher Kühe und Pferde weideten, nordwestlich des im 13. Jahrhundert erbauten Wasserschlosses von Hagenwil TG erstellt. Sie liegt auf 500 m ü. M.
Metern und wurde vom Landwirt Alfons Angehrn zusammen mit seinem Sohn Andi und dem Trüffelenthusiasten Werner Attinger eingerichtet. 600 kleine Eichen, Föhren, Hainbuchen und Haselbäume aus Österreich wurden gepflanzt. In der Plantage gibt es drei Sorten von Trüffel: Frühlings- und Wintertrüffel sowie Burgunder-Trüffel (85 %).