Wer die «grüne, rührige» Stadt, aktueller Werbespruch «Kiss My Turku» (so wird sie in der Fremdenverkehrswerbung heute verkauft) an Finnlands Südwestküste besucht, der darf ein buntes Strassentreiben mit vielen Cafés und Bistros erwarten. «Kiss My Turku let's you see the city through the eyes of it's residents, so it started like a local an inspirational thing. Besides, Turku is not only the oldest, but also the boldest city of Finland, we like to be different, brave and bold», sagt Olga Henriksson vom Tourismusbüro in Turku. Besucher küssen quasi die Stadt wach. Ausserdem kann man Kreuzfahrten in das Schärenmeer und in die nahegelegene Stadt Naantali unternehmen. Vom Fährhafen Turkus setzen täglich Fähren über die Ostsee nach Schweden über.
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Was haben ein Kreuzfahrtschiff, Revolutionär Lenin und Läufer Paavo Nurmi gemeinsam? Ganz einfach: Wer sich geschickt anstellt, der erhascht in Turku einen Blick auf alle drei.
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Liebe auf den zweiten Blick
Turku (schwedisch Åbo) ist keine lieblich-romantische Stadt. Brände und Kriege haben in seiner Architektur tiefe Spuren hinterlassen. Aber wenn man um die richtigen Orte weiss, kann es Liebe auf den zweiten Blick werden. Finnlands ältester Stadt, die nicht nur im Jahr 1827, sondern mehrfach nahezu völlig abbrannte und hektisch wiederaufgebaut werden musste, ist vielfältig.
Der Charme Turkus entfaltet sich vor allem am langen Ufer des Flusses Aurajoki zwischen den russischen Jugendstilvillen und dem imposanten backsteinroten Dom, der ältesten Kathedrale des Landes, sowie in den Gassen des 200 Jahre alten Handwerkerviertels auf dem Klosterhügel (Turku ist – wie Rom – auf sieben Hügeln erbaut). Hier wirkt die Stadt selbst im Dunkeln heller als mitten in der City, wenn sich im Wasser die Lichter der Laternen spiegeln, die bunten Lampionketten der maritimen Restaurants und der grossen (Segel-)Schiffe, die vor Anker liegen. Auf der Promenade schlendern Spaziergänger, wird fleissig gejoggt und geradelt, schlecken an ihren Eiswaffeln oder sitzen in vielen kleinen Café, bei Kaffee und typisch finnischen Milchreispiroggen – und vor allem bei Bier und Wein! Aber Vorsicht: Velofahrer dominieren die Promenade, nicht umsonst heisst die Strecke «Fahrrad-Highway».
Jeunesse dorée am Fluss
Der Fluss verläuft mitten durch die Stadt. Im Sommer erwacht das Flussufer zu Leben, wenn sich die Leute hier zum Essen, Trinken und Musikhören treffen. Am Kai liegen alte Segelschiffe vertäut. Ausserdem kann man Kreuzfahrten in das Schärenmeer und in die nahegelegene Stadt Naantali unternehmen. Vom Fährhafen Turkus setzen täglich Fähren über die Ostsee nach Schweden über.
«In Turku gehe ich am liebsten zum Aura-Fluss. Da trifft man die anderen Jungen und Jung-Gebliebenen. Da lebt die Stadt am meisten und es gibt schöne und gute Restaurants. Der Marktplatz, sonst wunderbar lebhaft, ist aber zurzeit ein einziges riesiges Loch. Darunter wird eine Parkhalle gebaut», sagt Imma Nienstedt, die aus Turku stammt und heute mehrheitlich am Bodensee lebt.
Älteste Buchhandlung Finnlands
Man kann bequem über zahlreiche Flussbrücken gehen oder sich mit kostenlosen Föri-Fähre zum Westufer übersetzen lassen, wo die Burg, das Seefahrtsmuseum Forum Marinum mit seiner Museumsschiffsflotte einschliesslich des 1902 erbauten Dreimasters «Suomen Joutsen» («Finnischer Schwan», Schulschiff) locken. Ausserdem sind dort das Apothekenmuseum und das Qwensel-Haus zu finden. Näher am Marktplatz liegen beispielsweise das Kunstmuseum von Turku, die Markthalle, die 120 Jahre alte Buchhandlung «Kansallinen Kirjakauppa» und die beeindruckende Stadtbibliothek. Die Turun Kansallinen Kirjakauppa OY, ein Familienunternehmen, ist vermutlich die älteste Buchhandlung in Finnland und wird von drei Töchters des früheren Leiters Eero Korte in dritter Generation an der gleichen Adresse geführt (mit zwei weiteren Filialen). Der später finnische Staatspräsident Mauno Koivisto (1923-2017) arbeitete in seiner Jugend als Laufbursche dort. Die erste Buchhandlung wurde 1780 in Turku eröffnet.
Wie Vögel donnern sie davon
Jede Woche treffen sich auch Altrocker in schwarzen Lederklamotten mit ihren heissen Stühlen am Fluss. Schwere Motorräder mit viel glänzendem Chromstahl reihen sich abends am Ufer auf. In der Nähe – beim sehenswerten Seefahrtsmuseum Forum Marinum – stellen Finnen ihre aufgemotzten Dodges, Buicks und Cadillacs temporär zur Schau. Wie ein Schwarm Zugvögel donnern die «Easy Riders» nach Sonnenuntergang im Pulk wieder davon.
Auf der gleichen Uferseite steht auch eine Büste von Jarno Saarinen (1945-1973), dem Turkuer Motorradrennfahrer. Er bestritt 48 Rennen in der Motorrad-Weltmeisterschaft und gewann 1972 den Titel in der 250-cm³-Klasse. Saarinen starb 1973 bei einem Rennunfall in Monza.
Über neun Brücken muss Du gehen…
Die Sportlichen aus Turku, und das scheinen viele zu sein, ziehen bis am späten Abend ihre Runden über die neun Aura-Brücken. Am östlichen Flussufer ist dem finnischen Leichtathlet Paavo Nurmi (1897-1973) eine Statue von bedeutenden Bildhauer Wäinö Aaltonen östlich des Aurajoki gewidmet. Nurmis Haus kann man besuchen. Es ist eine kleine Wohnung in einem Holzhaus. Es zeigt exemplarisch, wie die Arbeiter am Anfang 20. Jahrhunderts in Turku lebten.. «The Flying Finn» wie man ihn auch nannte, joggte – mit seinen 22 Weltrekorden – das kleine Völkchen und deren junge Nation nach dem Ersten Weltkrieg regelrecht in das Bewusstsein der Welt. An den Olympischen Spielen von Antwerpen (1920), Paris (1924) und Amsterdam (1928) errang der grosse Sohn Turkus nicht weniger als neun Gold- und drei Silbermedaillen; damit zählt Nurmi bis heute zu den erfolgreichsten Olympioniken aller Zeiten.
Lieblingsort: Stadtbibliothek
Die Offenheit und Toleranz im finnischen Wohlfahrtsstaat lässt sich auch im öffentlichen Raum besichtigen. Zum Beispiel an einem der Lieblingsorte der Turkuer, der neuen, 2007 eröffneten Stadtbibliothek, wo sie nach Schulschluss und Feierabend zusammenkommen. Kinder schaukeln in kugelförmigen Sesseln oder schmökern bäuchlings auf der flauschigen Lesewiese; Teenager surfen im Internet, und die Erwachsenen lesen die Tageszeitungen und Magazine. Eine «Brücke» verbindet die alte «Bibliotheca» von 1903 mit der neuen. Die öfffentliche Freihandbibliothek beansprucht ein ganzes Strassenviertel mit einem schöne Platz dazu. «Ich finde es so wichtig, dass es Orte gibt, wo man kostenlos hineingehen und vieles geniessen und studieren kann. Zudem ist die Bibliothek, ausser an elf Tagen, fast jeden Tag geöffnet», sagt die Stadtführerin und Übersetzerin Tiina Gustafsson aus Turku. Es ist in der Tat ein beliebter Treffpunkt für alle. Zudem gibt es auch sehr viele Vorträge, Ausstellungen und Events in der Bibliothek.
«Während man im Sommer streunenden Trunkenbolden Angeln in die Hand drückt, damit sie sich mit ihren Schnapspullen ans Meer verziehen und aus dem Stadtbild verschwinden, verzichten die Clochards im eisigen Winter auf den Hochprozentigen – zugunsten eines warmen Platzes im Lesesaal», berichtet eine Zeitung. Der der schönen Bibliothek lümmeln sie dann mit aufgerissenen Schuhen und geflickten Jacken, vertieft in amerikanische Comics. Und sie werden geduldet – was nicht selbstverständlich ist, denn die Stadtbibliothek ist heute eine Wahrzeichen Turkus.
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Die Turkuer behaupten selbstbewusst: «Wir sind die Hauptstadt!» Schliesslich waren sie es tatsächlich, jahrhundertelang, und sind daher besonders beleidigt, wenn man im Ausland arglos fragt: «Turku-wo?»
«Turku», sagt Stadtführerin Tiina Gustafsson, «war ja nicht die Hauptstadt, aber wohl die wichtigste Stadt im Ostland, in dem östlichen Teil des schwedischen Reiches, aber man kann nicht behaupten, dass Turku Hauptstadt war, oder höchtens von 1809 bis 1812.»
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Revolutionär Lenin
Das Kunstmuseum am pittoresken Puolala-Park von Turku ist in einem Granitbau untergebracht, der allein schon sehenswert ist. Das von Gustaf Nyström entworfene Jugendstil-Gebäude hoch oben an der Aurakatu wurde 1904 fertiggestellt. Der Museumsbestand umfasst rund 7'000 Werke, von denen ein Teil in der Dauerausstellung präsentiert wird. So bietet sich ein schöner Überblick über die Geschichte der finnischen Kunst und insbesondere die Werke von Helene Schjerfbeck (1862-1946) und Akseli Gallen-Kallela (1865-1931), einem der wichtigsten Vertreter der finnischen Malerei. Die Sammlung wird ausserdem durch zeitgenössische Kunst ergänzt. Erwähnen sollte man Victor Westerholm (1860-1919), selbst Künstler und erster Museumsdirektor. Er hat die ersten Werke für das wichtige Kunstmuseum gekauft. .
Unterhalb des Museums steht seit 1977 eine Statue von Wladimir Iljitsch Lenin (1870–1924). Die Bronzebüste stammt von Mikhail Anikushin (1917–1997). Sie ist ein Geschenk der russischen Stadt St. Petersburg an ihre Partnerstadt Turku. Lenin besuchte Ende 1907 auf dem Weg nach Stockholm die Stadt. Der Revolutionär, der vor der russischen Geheimpolizei aus seinem Versteck in Veräjämäki nahe Helsinki geflohen war und sich auf den Weg nach Schweden gemacht hatte, wähnte in seinem Zug auf Höhe von Littoinen russische Agenten anwesend und sprang kurzerhand vom fahrenden Zug, um einer Verhaftung zu entgehen. Leicht verletzt erreichte er zu Fuss Turku. «Finnische Genossen brachten ihn im Kirjala-Haus auf Pargas unter. Tagelang musste er dort ausharren, bis das Eis im Örfjärden dick genug war, um hinüber nach Nagu laufen zu können. Von dort brachte ihn ein Schiff ausser Landes nach Stockholm. Für die Finnen ist Lenin nach wie vor ein bedeutender Mann, der ihnen 1917 die Unabhängigkeit brachte», berichtete die deutsche «FAZ». Das sehen hier nicht alle so. Stadtführerin Gustafsson: «Lenin hat auf jeden Fall die finnische Selbstständigkeit anerkannt. Er hoffte wohl, dass die ‹rote Seite› in Finnland gewinnen würde und dann wäre Finnland ein Teil von der sozialistischen Republik geworden.» Nicht alle sehen gern, dass da eine Lenin-Denkmal stehe und die Büste werde auch oft verschmiert. «Kurz: von Lenin spricht man nicht gern», sagt Tiina Gustafsson. Do so jemanden stösst man nicht ohne Weiteres vom Sockel. Doch die Beziehung zu Russland – sie ist kompliziert. Schon der Gedanke, dass Russland Finnland angreifen könnte, ist für die ältere Generation schockierend, die Furcht ist vorhanden.
Kultur noch und noch
In Turku gibt es einiges zu sehen. Für die wichtigsten zwölf Museen gibt eine «Museum Walk Card» für 39 Euro, die drei Tage gültig ist und weitere Vergünstigungen beinhaltet. Das am meisten frequentierte Museum ist die mittelalterliche Burg, die älteste Burg des Landes. Ihre Baugeschichte begann um 1280, als man auf einer Insel in der Aurajoki-Mündung ein Kastell errichtete, das gleichermassen die Einfahrt zum Hafen und als wichtigster Brückenkopf der Schweden ganz Südfinnland kontrollieren sollte. Als 1614 ein verheerender Brand ausbrach, während Gustav II. Adolf gerade in der Burg zu Mittag ass, war dies das vorläufige Ende des geschichtsträchtigen Bauwerks (wenngleich der König dem Flammentod knapp entkam). Heute ist in der Burg ein historisches Museum mit Exponaten aus Frühgeschichte, Mittelalter und Neuzeit untergebracht. Aber schon die restaurierten Räumlichkeiten mit Bankettsaal, Kirche, Wohnräumen, Kellerverliesen usw. lohnen einen Besuch. Die Burg wird auch anderweitig genutzt, unter anderem finden hier im August die internationalen Turkuer Musikfestspiele statt, und Regisseur Mika Kaurismäki diente sie als Kulisse für seinen Film «The Girl King» (2015).
In Turku träumt man von einem neuen Museum für Geschichte, das 2029, zur 800-Jahr-Feier der Stadt (1229) eröffnet werden soll. Das Haus soll voraussichtlich in der Nähe der Burg gebaut werden. Es sei ein Geschenk der Stadt an die Bevölkerung (www.turku.fi/en/museum-history).
Auch vom unterirdische Handicrafts Museum Aboa Vetus & Ars Nova werden Kinder begeistert sein. An der Uferstrasse Itäinen Rantakatu fällt das weisse und schlichte Gebäude kurz vor der Brücke auf – es ist das Wäinö-Aaltonen-Museum. Es zeigt, vor allem draussen um das Haus, eine kleine Auswahl von Bronze- und Steinskulpturen des wohl bekanntesten finnischen Bildhauers (1894–1966), der aus dem Umland von Turku stammte.
In der Nähe befindet sich die 2013 eingeweihte Fussgänger- und Fahrradbrücke Kirjastosilta (Bibliotheksbrücke), die nicht nur beleuchtet bezaubernd und sehr praktisch ist. Dahinter trifft man auf die Dombrücke, über die es zur wohl grössten Sehenswürdigkeit der Stadt geht, dem Dom. Der grösste mittelalterliche Sakralbau und gleichzeitig finnisches Nationalheiligtum ist die Kathedrale von Turku aus dem 14. Jahrhundert. Im schlichen Innenraum findet man unter anderem auf der Nordseite den schwarzen Marmorsarkophag von Karin Månsdotter (Kaarina Maununtytär), der einzigen schwedischen Königin, die in Finnland bestattet liegt. Nach der Innenbesichtigung ist ein Rundgang um das Äussere des Domes sinnvoll, zumal weitere Sehenswürdigkeiten in nächster Nachbarschaft warten. Zunächst bemerkt man die von Emil Wikström geschaffene Bronzebüste des Reformators Mikael Agricola (ca. 1509–57).
Warum ist Turku so cool?
Warum ist Turku so cool? Erste Antwort: Liegt an der Lage, gleichen Breitengrad wie Grönlands Süden. Zweite Antwort: Liegt an der Haltung. Turku liegt im kalten nordischen Winter nicht mürrisch unter der Frostglocke, sondern bleibt lässig. Jährlich besuchen rund 1,3 Millionen Touristen, mehrheitlich Finnen und Schweden, die Stadt. Als Turku 2011 gemeinsam mit der estnischen Metropole Tallinn den Titel «Kulturhauptstadt Europas» erhielt, verzeichnete man über zwei Millionen Besucherinnen und Besucher. Mit viel Spektakel und Ideen ist man aus dem Schatten von Helsinki herausgetreten. Den Bewohnern der Stadt sagt man nach, sie seien introvertiert und hätten «eine melancholische Tango-Seele», gepaart mit etwas Weltschmerz und einem leichten Hang zum Trübsinn. Davon kriegt man jedenfalls im Sommer nichts mit. Und Platz hat die Stadt auch: Sie verfügt heute über 2'000 Gästebetten.
Historische «Kauppahalli»
«Unsere 124 Jahre alte und schön renovierte Kauppahalli (Markthalle) ist sehr populär und ein Treffpunkt der Einheimischen und Touristen. Neben einem breiten und frischem Marktangebot kann man auch ein Mittagessen geniessen», empfiehlt Olga Henriksson vom Fremdenverkehrsbüro. Typisch finnisch sind vor allem Fischgerichte, am liebsten Lachs. In dem ausnehmend schönen Backsteinbau werden an Holzständen Gebäck und Fisch, Rentier- und Elchfleisch, Beeren und Pilze sowie die lokale Wurstspezialität angeboten – eine gute Möglichkeit, sich mit allerfeinsten Köstlichkeiten einzudecken, um sie beim Picknick am Aurajoki zu verspeisen. Es gibt auch landestypisches Gebäck: Kleine Teigtaschen oder –schiffchen mit eingebackenem Griess oder Milchreis. Karjalanpiirakka – kein Rechtschreibfehler, heisst eben diese beliebte Backspeise. Schmeckt leicht süsslich und wird auch schon zum Frühstück gegessen. «Karjalanpiirakka» ist, wie der Name schon sagt, eigentlich keine finnische Spezialität, sondern eine karelische. Und Piirakka ist die (russische) Pirogge. Karelisch ist die Füllung mit Milchreis, die russischen Piroggen sind mit Kartoffeln gefüllt.
Auch Regisseure und Kameraleute schätzen das alte Backsteingebäude als Filmkulisse und Bühne. Leider bleibt der zentrale Marktplatz neben dem «Åbo Svenska Teater» wegen Umbau weiterhin gesperrt.
«Koskenkorva Viina» für 14,5 Euro
Das Essen und die Verpflegung in Turku ist wie überall in Finnland teuer. In der Bar kostet ein Bier meist acht Euro oder mehr. Pizza gibt es in Restaurants nicht unter 14 Euro. Die Finnen schlemmen und trinken trotzdem gern (immer noch mit einer gewissen Alkoholzensur). «Insgesamt gibt es viele gute kleine Restaurants in Turku. Die grossen Ketten haben es schwer hier. Es gibt beispielsweise nur ein McDonalds -Fastfood-Restaurant in Turku und über 20 Hesburger-Restaurants», sagt Stadtführerin Tiina Gustafsson. Hesburger ist eine finnische Schnellrestaurantkette, die in Finnland mehr Restaurants besitzt als McDonald’s und heute weltweit über 6'700 Personen beschäftigt. Gegründet wurde Hesburger im Jahr 1966 in Naantali bei Turku von Heikki Salmela. 1992 gab es nur zwölf solcher Hesburger-Restaurants, heute sind es in Finnland über 270. Gustafsson: «Das sind ja keine richtigen Restaurants. In unserer Stadt gehen wir lieber in persönlich geführte Lokale.»
Die Wirtschaftsstudentin Päivi hat da ihr eigenes Rezept gegen die hohen Preise: «Wir können uns in der Wohngemeinschaft Wodka leisten, wenn wir sonst nur Nudeln essen.» Eine 0,5-Liter-Flasche des sehr populären «Koskenkorva Viina» kostet beim staatlich-finnischen Spirituosen-beim Monopolist «Alko» 14,5 Euro. Spirituosen und andere hochprozentige Alkoholgetränke wie auch Wein, kann man nur in Alko-Geschäften im ganzen Land kaufen. Im finnischen Supermarkt sind Bier und Apfelschaumwein unter 5,5 % Alkohol sowie auch Wein unter 5,5 % Alkohol, erhältlich. Früher lag die Grenze bei 4,7 Prozent.
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Turku liegt an der finnischen Westküste an der Mündung des Flusses Aura in die Ostsee. Die Stadt war einst wichtigster Handelsplatz und erste Hauptstadt des Landes. Mit knapp 200'000 Einwohnern ist sie heute die sechstgrösste Stadt Finnlands. Das vorgelagerte Schärenmeer bestehend aus über 20'000 Inseln und ist vor allem in den Sommermonaten ein sehr beliebtes Ausflugsziel bei Einheimischen und Touristen.
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Schiffsbautradition in Turku
Spannend ist auch eine Besichtigung der geschichtsträchtigen Turku-Werft, die seit 2015 vollständig dem deutschen Schiffsbauunternehmen Meyer in Papenburg gehört. Die Wärtsilä-Gruppe, die später die Schweizer Sulzer-Dieselmotoren mit Patent in Winterthur ZH übernahm, besass in den 1970er-Jahren die 144 Hektaren grosse Werft. Bei Meyer Turku OY war Ende 2020 das neue Kreuzfahrtenschiff «Mardi Gras» für die US-amerikanische Carnival Cruise Line vom Stapel gelaufen. Der 344 Meter lange und 950 Millionen US-Dollar teure Ozeanriese kann 5'200 Passagiere aufnehmen und hat 181'808 Bruttoregistertonnen.
Ohne seine herrliche Umgebung wäre Turku nur halb so schön. Deshalb ist ein Ausflug in die Turkuer Schären fast schon ein Muss – sei es mit dem Wagen, mit dem Wasserbus, mit dem Fahrrad oder mit dem Dampfer «Ukkopekka» (www.ukkopekka.fi). Wer mit Kindern unterwegs ist, sollte ihnen den Besuch der Muminwelt im hübschen Seebad Naantali nicht vorenthalten. Nur 15 Kilometer sind es vom Turkuer Zentrum bis Naantali im Westen. Alternativ zum Auto gelangt man auf einem erholsamen Bootsausflug von Turku in das sympathische 19'000-Einwohner-Städtchen.
Ein finnisches Sprichwort heisst «Ei kysyvä tieltä eksy» («Wer fragt, verirrt sich nicht»). Das gilt nicht nur in Finnland selbst, wo fast alle gut Englisch sprechen.
«Figugegl» – Finnland isch guet und git es gueti Luune heisst es doch schliesslich…
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Mehrsprachige Stadt Turku
«Näher verwandt mit Hindi als mit Finnisch» und auch wer Englisch spricht, bekommt sein Glace.
«Finnisch ist völlig anders als die germanischen und romanischen Sprachen, die man sonst so kennt. Ja, Deutsch, Englisch oder Spanisch sind sogar noch näher verwandt mit Hindi als mit Finnisch», berichtet die nordische Sprach-Akademie Köln. Sie hat 15 Fälle. Zum Vergleich: Im Deutschen gibt es vier Kasus – Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ. Denn während Deutsch und Hindi zu den indogermanischen Sprachen gehört, zählt Finnisch zur finnougrischen Sprachfamilie. So wie Ungarisch. Aber die Finnen werden genauso wenig einen Ungarn verstehen, wie wir einen Inder. Stattdessen ist das Finnische eng verwandt mit dem Estnischen. Obwohl Finnland an Schweden und Norwegen (und Russland) grenzt, unterscheidet sich die Sprache grundlegend von den anderen skandinavischen Sprachen.
In Turku funktioniert auch Englisch
Finnisch ist schwierig, schwedisch, eine germanische Sprache, ist für uns leichter, aber in Turku funktioniert auch Englisch. Fast jeder fünfte Einwohner ist Student, und entsprechend viel wird gefeiert. Besonders bei Sitzpartys, denn die sind wirklich günstig. In Turku geboren und geblieben ist der fünfzigjährige Hannu. Er studierte Geschichte und mag Turku. Vor allem wegen der Zweisprachigkeit, erzählt er. Sein Vater ist Finne, seine Mutter Finnlandschwedin – Hannu spricht beide Sprachen fliessend. Wie viele in Turku – schliesslich ist Schwedisch neben Finnisch zweite Amtssprache.
Das spiegelt sich in der Hochschullandschaft wider: Es gibt zwei Universitäten. Die erste Universität wurde aber 1640 gegründet und ist nach dem grossen Brand 1827 von Turku nach Helsinki gezogen. Und so behauptet jetzt die Universität von Helsinki, dass ihre 1640 gegründet worden sei, da war Helsinki noch ein Fischerdorf.
An der Schwedischen Universität Åbo Akademi spricht man Schwedisch, an der Turun Yliopisto mit 20'000 Studenten finnisch. Åbo ist die ältere Hochschule, 9'000 Studenten lernen dort. Mit insgesamt 40'000 Studenten ist Turku eine der grösseren Hochschulen im Land. Etwa 4'000 kommen aus der ganzen Welt. Doch nicht nur wegen der internationalen Universitäten ist Turku heute multikulturell, der EU-Beitritt 1995 und die Personenfreizügigkeit haben mit dazu beigetragen. «Die weisse Stadt» ist ein Schmelztiegel aus Cappuccino und zuckrigen Zimtschnecken, Sekt und Rentier, Erdbeeren und Lonkero (finnischer Longdrink) wird über Turku (Åbo) erzählt.
«Kiitos» bedeutet «danke»
Wer den Finnen zuhört, versteht meist gar nichts. Ausser bei den Lehnwörtern wie «Hotelli», «Auto» oder « apteekki». Ein doppeltes «ää» reiht sich im Finnischen an «ö», gefolgt von mindestens einem «i». Ein Glace am Kioski bestellt man in der Landessprache als «Jäätelö» oder «Jazzki». Doch auch wer Englisch spricht, bekommt sein Eis. Denn obwohl viele Finnen ihre Sprachkenntnisse kleinreden, können fast alle fliessend Englisch.
«Kiitos» bedeutet «danke». Diese Höflichkeit wenden die Finnen sehr oft im Alltag an. Egal ob an der Kasse, in der Touristeninformation oder auf dem Markt – ein «Kiitos» geht immer. «Mennään» – ist das Zeichen für das Aufbrechen. «Gehen wir» oder «Komm schon» ist die Übersetzung. Hört sich nach viel Alkohol an, ist aber eine beliebte Alltagsfloskel. «Halvin olut?» heisst: «Welches ist das günstigste Bier?» und wird damit zur wichtigsten Frage für den Beizenbesuch. «Kippis» – «zum Wohl!» Die Legende besagt, dass zu Zeiten von Alkoholverbot ein Deckwort für das schwedische «skål!» hermusste, um beim Trinken nicht erwischt zu werden. Dass sich das Zuprosten auf Finnisch nun fast wie ein «Kipp es» im Deutschen anhört – ist wohl eher Zufall.