Die Anekdote in einer Rede von Anton Mosimann, welche ich vor vielen Jahren hörte, habe ich persönlich für immer verinnerlicht. Er erklärte damals seinen Lebenslauf und wie er immer, wenn er einen Schritt vorwärtsgehen sollte, sich selbst hinterfragte, einen Schritt zurückging, um nochmals eine Ausbildung zu machen oder etwas besser zu erlernen, um dann aus dieser Position der Stärke zwei Schritte nach vorne zu tun.

Wie das praktischerweise aussieht, habe ich selbst im Kleinen erlebt. Damals, als ich als F&B Manager der Bahnhof Restaurants Basel beim legendären Hans Berchtold lernen durfte, kochte Anton Mosimann mit seiner Catering-Brigade zur Eröffnung des neu umgebauten 1. Klasse-Buffets, dem grossartigen «La Bâleine». Mosimann betrat die Küche, begutachtete und versuchte das Dessert, seinen Apple Crumble – und verkündete seiner Küchenmannschaft: «Das entspricht nicht meinen Qualitätsvorstellungen. Macht das bitte nochmals.» Ich habe, als es niemand sah, den «misslungenen» Apple Crumble versucht und fand meiner bescheidenen Meinung nach, dass kein Bäcker den hätte besser hinbekommen können... und doch war er noch nicht gut genug. Beeindruckend war jedoch die Art, wie er die Kritik anbrachte. Es war diese umwerfende Mischung aus absoluter fachlicher Autorität und einfühlender Menschlichkeit, die er mit einem Satz und seiner Präsenz an den Mann brachte.

Nicht umsonst ist Mosimann der jüngste eidg. dipl. Küchenchef, dekoriert mit unzähligen Goldmedaillen, Auszeichnungen, Diplomen und Abschlüssen.

Ein Beleg dafür sind die Hände von Anton Mosimann. Wer die Gelegenheit hat, sollte sich sein Buch signieren lassen und dabei dieses beeindruckende Handspiel eingehend betrachten. Sie sind gezeichnet von der Arbeit, der Fingerfertigkeit des Kochhandwerks, die das unterstreichen, was er zur Antwort gab, als ich ihm die Geschichte mit dem Apple Crumble 25 Jahre später erzählte: «Ja, ich nehme bis heute lieber weniger Anlässe an, dafür koche ich selber und schmecke alles persönlich ab, bevor ein Gericht mit meinem Namen rausgeht.»

Doch auch dieser Mann wird, wie jeder Prophet im eigenen Land, zu oft verkannt. Die Mosimann Collection hätte in Zürich stehen können - versandet. Sie hätte in Lausanne stehen können – versandet. Zum Glück, denn jetzt steht sie dort, wo sie hingehört, und das in voller Pracht: Im César Ritz Colleges in Le Bouveret im Eingang zur «Innerschweiz» am Port-Valais (Die Walliser bezeichnen ja den Rest des Landes gerne als «Üüsserschwiiz»), von wo der von der Schweiz kaum gewürdigte Schweizer, der «König der Hoteliers» und «Hotelier der Könige» César Ritz, aufbrach, die Welt zu erobern.

Die «Mosimann Collection»: Es ist eine unglaubliche Sammlung, die aus einer der wenigen grossen Schwächen Anton Mosimanns entstanden ist: Er sammelt alles. Er kann nichts fortwerfen und er bewahrt alles auf. Auch jedes Flugticket und jedes Foto. Tausende Kochbücher und Dokumente, welche bis 500 Jahre zurückgehen. Es ist die vollständig dokumentierte Geschichte der Entstehung der Französischen Küche bis heute. Und dieses gastronomische «Weltkulturerbe» ist den Studierenden und einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich.

Unter anderem beinhaltet die «Mosimann Collection» auch Fotos der alten Küchenbrigaden mit den alten legendären Küchenchefs. Hier entspringt eine der nächsten Absichten Mosimanns: «Es kann doch nicht sein, dass grosse Schweizer Köche und Küchenchefs in Vergessenheit geraten. Hier sollen die Erinnerungen einen Platz finden und erhalten werden». Mir persönlich, um das auch noch anzubringen, ist es ein Rätsel, wie eine ganze Branche einen «Haller», der 25 Jahre im Weissen Haus amerikanische Präsidenten bekochte, bis zur «Tschudi», die den Metzgern schon mal sagte, wie eine Blutwurst zu machen sei, vergessen werden können.

Und ein Mann wie Anton Mosimann sollte nicht leichtfertig verkannt werden. Er ist nicht nur ein Botschafter der Qualität der Schweizer Köche und Küche, er ist ein Botschafter der Schweiz, wie es kein einziger Politiker jemals sein könnte, denn er redet auf der ganzen Welt mit jedem Menschen auf Augenhöhe - ob Studenten am College, ob Staatsoberhäupter von Weltmächten inklusive Atomknopf oder Königinnen in ihren Palästen. Er hat überall Zugang.