Betriebskantine der Fifa, Restaurant Sonnenberg. Zürich. Jacky Donatz und sein Standardspruch: «Ich bin hier oben in der Sonne, und mir ist egal wer unter mir Chef ist.» Mit «unter mir» meinte er den administrativen Hauptsitz an der Carmenstrasse, der oft im Nebel steckte.
Oben gab es nicht nur Sonnenschein, sondern auch immer was zu lachen.
Das fing an mit seiner Umarmung, so dass einem, halb über seinen Bauch gezogen, die Füsse in der Luft baumelten. Jacky war schon immer eine andere Dimension. Er hat ja auch die Presse derart vereinnahmt, dass er mehr Quadratmeter Druckpapier bedecke als die vier Beatles zusammen, sagte einst sein damaliger Seelentröster Hugo.
Das galt auch für den obligaten «Ritterschlag» auf den Rücken mit Sprüchen wie «du Schaafseckel, ist dir langweilig dort unten im Büro?».
Seine Marketinglektionen würden heute zweifelsohne viral gehen. «So geht Marketing und Kommunikation», sagt er einmal, setzte sich an einen Tisch, nahm die Neue Zürcher Zeitung, schlug die Todesanzeigen auf, telefonierte einem unten in der Stadt, den er oben im Sonnenberg schon lange nicht mehr gesehen hatte. Das Gespräch mit – nennen wir ihn Hans Peter, ging folgendermassen:
Hans: «Peter, ja?»
Jacky: Jacky hier! Der Meier ist gestorben!»
Hans: Äh, ja? Sali Jacky, welcher Meier?
Jacky: «Weiss ich doch nicht, steht in der NZZ. Aber ich habe dich hier oben schon lange nicht mehr gesehen, wenn du nicht subito hier essen kommst, bist du für mich auch gestorben.»
Nachdem sich beide einen runtergelacht haben, hat der Hans Peter einen Tisch für Mittag um 12 Uhr gebucht und Jacky beendete das Telefon mit «aber sei pünktlich, sonst ist der Tisch weg und du tot.» Bäm! Aufgelegt!
Ähnlich läuft es, wenn Jacky ein Kochbuch will. Er überfällt «Carlosi» mit zwei Bundesordnern voller Rezepten, einer davon vom Restaurant Clipper. «Carlosi» ist Jackys Kosename für den pensionierten Drucktechnologen und neugeborenen Weinhändler Romain. Carlosi seinerseits nennt Jacky meist bei dessen richtigem Name Jakob, insbesondere wenn er wieder seine Ideen ausbaden muss. Das Gespräch ging also folgendermassen:
Carlosi: «Du willst ein Donatz-Kochbuch machen mit Clipper-Rezepten?»
Jakob: «Ja. Der Sepp Kopp war in den 60ern im Clipper der erste in der Schweiz mit asiatischen Gerichten wie Mah Mee und Nasi Goreng.»
Carolosi: «Ja, und was hat das mit Dir zu tun? Da hast du ja nie gearbeitet?!»
Jakob: «Carlosi, du Schaafseckel, du musst nicht denken, mach jetzt einfach das Buch!»
Bevor der «Gogoboy der Fleischeslust» vom Scala im Hotel Zürich über Jacky’s Stapferstube bis zum Sonnenberg durch Zürich tingelte, war er tatsächlich ein wahrhafter Spargeltarzan von einem Kochlehrling im Flughafenrestaurant Zürich. So wie der Flughafen damals etwas Besonderes war, war es das Flughafenrestaurant ebenfalls – und einer der legendären Küchenchefs war in den 50ern Josef Kopp, der spätere Clipper-Wirt.
Während Jacky für lokale, nationale und internationale Prominenz kochte, war er selber gerne Gast im Clipper an der Lagerstrasse 1 in Zürich. Kaum jemand weiss heute noch, dass der prägnante Geschmack der Schweizer Mah Mees und Nasi Gorengs den Gewürzmischungen Josef Kopps zuzuschreiben ist und er durch die Clipper-Köche national und international verbreitet wurde.
Sepp Kopp war einer dieser erfahrenen, alten, wissenden Garde und der damals junge Jacky konnte beispielsweise für die Neugestaltung des damals revolutionären Thairestaurant «White Elephant» auf dieses Wissen bei Bedarf zurückgreifen.
Das spannende Clipper von damals ist inzwischen belang- und ausdruckslosem Fast Food gewichen. Über alles Vergängliche hinweg ist Jacky Donatz mit Sicherheit eines: Ein treuer Mensch, der seine Weggefährten, die ihm etwas bedeuten, nie vergisst. Auch nicht die Töchter Kopps, Isabelle und Maya, bei denen das Original-Mah-Mee-Gewürz bis heute erhältlich ist.
Dieses, durch das Setzen alter Menus und Rezepte aus dem Clipper, vorderhand einfach aufgemachte Buch ist tatsächlich ein Zeitfenster, das einen Blick in ein Zeitalter gestattet, während dem sich die Schweizer Gastronomie weltprägend entwickelte. Es war übrigens auch die Zeit, in der die Schweizer Köche weltweit die erfolgreichsten ihrer Zunft waren.
Blättern Sie sich durch dieses nahezu Foto-lose Buch, in dem die geschriebenen Rezepte die Bilder und Eindrücke im Kopf bilden. Begutachten sie das Mischmasch aus Rezepten. Es ist wahrlich eine Freude und Zeitreise zugleich.
Schon alleine die Anschläge der Buchstaben der mit Schreibmaschine geschriebenen Menus sind heute Kunst. Und natürlich sind es auch die Rezepte: vom Hainanese Mah Mee bis zu Sepp Kopp’s Seeforelle und von Jackys Entrecôte mit Markkruste bis zum Fasan Elsässer Art oder dann eben bis zum gebratenen Kalbskotelett.
So sieht es aus, wenn Jacky ein Kochbuch mit kleiner Auflage produziert und es einem alten Koch-Genie widmet, um sein Schaffen vor dem Vergessen zu retten. Jacky, mein lieber Freund, du bist der liebenswerteste Kerl und ich schätze mich glücklich, einen Teil meines Lebensweges auch mit Dir mitgegangen zu sein.