Es war ein Knall, damals 2017, nachdem sich Daniel Müller mit dem Vorstand von GastroZürich (Kantonalverband) nicht einig war und diesen daraufhin verliess. Es war ein allzu bekanntes Muster. Einige Wochen zuvor ereignete sich ähnliches bei GastroZürich-City mit einem der erfolgreichsten Gastronomen, Markus Segmüller.
Was so endete, hätte ein weitreichender Entwicklungserfolg für die Branche werden können. Denn Segmüller wäre Präsident von GastroZürich-City geworden, Müller von GastroZürich. Besser hätte es nicht kommen können. Beide sind erfahrene Gastronomen, integre Persönlichkeiten und loyale Menschen. Und beide hätten ihr Wissen der Branche mit Herz und Seele bedingungslos zu Verfügung gestellt.
Dieser trübsinnige Umstand war längst als unrühmliches Kapitel der Verbände ad Acta gelegt … Dann erscheint ein einfacher Post am Sonntag, 10. Januar 2021 auf dem Social Media-Kanal LinkedIn. Es war wohl ein kleiner Schritt für Daniel Müller und möglicherweise ein grosser Stolperstein für den kantonalen Gastroverband Zürichs. «Kandidatur als Präsident von GastroZürich» stand da und «mit Leib und Seele Gastronom stelle ich mich für dieses Amt zur Verfügung». Auch wenn niemand stolpert – Müller lässt niemanden ins offene Messer laufen, sondern kommuniziert vollständig transparent - müssen die Exponenten der Verbände jetzt doch immerhin die Füsse über ein paar unbequeme Hindernisse lüpfen.
Am 21. April 2021 wird die Delegiertenversammlung von GastroZürich stattfinden. Da der langjährige Präsident Ernst Bachmann altershalber aus dem Amt ausscheidet, und wohl ebenso der Geschäftsführer Dr. Karl F. Schroeder. Letzterer bleibt noch im Amt, bis seine Nachfolge feststeht. Wie dann in etwas mehr als drei Monaten gewählt wird, ist heute jedoch schon beschlossene Sache: Der Winterthurer Cappuccino-Wirt und ehemaliger Gastro-Winterthur-Präsident und Vorstandsmitglied von GastroZürich Karl Fatzer soll dem Vernehmen nach Präsident werden.
Der Mann in allen Ehren. Ob er der richtige ist, um die Wirtebranche durch die dynamischen Gefilde der Renaissance bzw. Reformen zu führen, die nach Corona anstehen, sei dahingestellt.
Es könne aber nicht sein, dass bei einer Wahl nur ein Kandidat vorgeschlagen und anschliessend auf Geheiss des Vorstandes gewählt werde, sagt Daniel Müller dazu.
Müllers Plan ist klar und transparent dargelegt. Es sieht so aus, also wolle er den Verband und seine Mitglieder zur Fähigkeit einer wirklichen Auseinandersetzung befähigen (siehe Kasten), angefangen mit der Schaffung von Transparenz und Informationsflüssen sowie mit einem partizipativen Führungs- und Entwicklungsstil. Daniel Müller will die Sektionen und Bezirke wieder stärken und den Austausch zwischen den Mitgliedern fördern, um gemeinsam gastronomische Rahmenbedingungen zu gestalten.
Müller weiss, dass über die demokratische Auseinandersetzung und Führung, in der ein Vorgesetzter weitgehend «nur» noch die Rolle des Koordinators und Begleiters einnimmt (Führungskontinuum nach Tannenbaum und Schmidt), die grösste Bereitwilligkeit entfacht, Kommittent vergrössert und kreatives Potenzial ausgelöst wird. Das sind die wirkungsvollsten Grundlagen, um den mitunter schwierigen Herausforderungen für die Zukunft am besten zu begegnen.
Wer mit Daniel Müller diskutiert, merkt schnell, dass dieses Prinzip, das voraussetzt, persönliche Befindlichkeiten von denen des Umfeldes trennen zu können, die Basis des Erfolges der Bindella Unternehmen ist. Anzumerken ist hier, dass «demokratische Entwicklungsformen» und partizipative Führungs-Typen definitiv nicht mit Führungslosigkeit zu verwechseln sind.
Müller erklärt das an einem einfachen Beispiel: Er selber möge diese Bestell- und Bezahl-Apps nicht sonderlich. Die Bestellung sei für ihn etwas Persönliches, das sich zwischen Gast und Kellner*in abspiele. Trotzdem werden diese Entwicklungen abgeklärt und unter anderem die Meinungen der Mitarbeitenden eingeholt. Die Erkenntnis daraus sei, dass die meisten Gäste wissen, was sie wann wo essen wollen. Es wird beispielsweise vom Bürotisch aus per App nicht nur der Sitzplatz reserviert, sondern auch gleich die Pizza Margarita und Cola auf 12.15 Uhr bestellt und nach der Konsumation per App bezahlt. «Ob ich das jetzt mag oder nicht, wir wenden uns solchem zu und entwickeln es und schauen was passiert. Falsch können wir damit nicht liegen, unsere Mitarbeitenden wissen sehr genau, was unsere Gäste in Zukunft wollen. Es wäre doch schlicht schade, das Wissen und die Meinungen der Mitarbeitenden zu ignorieren. Dieses System, miteinander der Zukunft zu begegnen, das ist einer meiner Ansprüche.»
Doch demokratische Führungs- und Entwicklungsformen sind in einer Welt mit patriarchischen und autoritären Systemen von Befehl und Gehorsam fremd. So ist es nicht verwunderlich, dass sich der Geschäftsführer von GastroZürich, Dr. Karl F. Schroeder, zwar in nahezu übertriebenem Ausmass korrekt verhält und Daniel Müller zur Wahl zulässt, es vom Verband aber unter allen Umständen verhindert wird, dass sich Müller mit seinen An- und Absichten bei Vorständen, Sektionen und Mitgliedern präsentieren darf. De facto wird Daniel Müller zur Wahl zugelassen und dafür aktiv totgeschwiegen.
Wie nötig die Branche einen Wechsel hat, zeigt schon alleine der Umstand, dass in den Verbandstätigkeiten kaum ein engagierter und erfolgreicher Zürcher auftaucht. Péclard? Vermutlich besseres zu tun. Segmüller? Sicher nicht. Wiesner? Fehlanzeige. Sprüngli? Chasch dängge. Coop und Migros, notabene die grössten Gastronomen, fehlen sowieso.
Auch das ist im Sinne einer Zusammenführung der Branchen (Wirte, Bar und Clubs, Gemeinschaftsverpflegung, Handelsgastronomie etc.) ein Ziel von Daniel Müller, nicht zuletzt auch als Voraussetzung, endlich eine Lobby zu begründen, die sich politisch für die Belange der Wirte «richtig» einsetzt. Es gibt politisch (nicht zu verwechseln mit rechtlich) keinen erfolgloseren Verband, als den der Wirte. Sogar die Schreiner haben heute ein besseres Händchen.
Irgendwie erinnert Daniel Müller und seine Kandidatur für die Präsidentschaft von GastroZürich an den Zwerg Gimmli aus «Herr der Ringe»: «Den Tod als Gewissheit … geringe Aussichten auf Erfolg … worauf warten wir noch?»
Was Müller besonders gefährlich macht: Er hat es nicht nötig. Er ist erfolgreich, hat eine grosse Portion Humor und auf die horrenden Vergütungen des Verbandes ist er auch nicht angewiesen. «Ich habe von dieser Branche soviel erhalten und von ihr profitiert, für mich ist es jetzt an der Zeit, mich noch mehr für diese zu engagieren und dieser etwas zurückzugeben.»
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Selbstverständlich wurde GastroZürich für Ergänzungen, Stellungnahmen schriftlich angefragt, Antwort ausstehend.