Bevor überhaupt auf Details eingegangen werden kann, muss diese Frage als Erstes geklärt werden, denn allen voran leiden die ausbildenden Betriebe unter einer gegenwärtigen Diskrepanz; angehenden Berufsleuten, also jungen Menschen, die eine Lehre als Köchin / Koch EFZ anvisieren, wird von allen Seiten her suggeriert, es sei ein kreativer Beruf. Das tut sogar die Berufsbildungsplattform der grossen Verbände. Wesentlich nüchterner klären die Berufsberatungsstellen auf – in deren Ausführungen zum Beruf erscheint das Wort «Kreativität» nicht ein einziges Mal. Aber die müssen auch nicht für den Beruf werben, sondern aufklären.

Tatsächlich ist es ja auch so, dass die grosse Kunst des Kochberufes in der Reproduktion liegt - immer wieder Speisen in absolut gleichbleibender Qualität zur vorgegebener Zeit zuzubereiten und das unter stets veränderten Voraussetzungen und oft unter erschwerten Bedingungen. Dem zugrunde folgt das vollständige Erlernen und letztendlich das perfekte Beherrschen des Handwerks. An diesen Punkt werden unter anderem halt auch harte Arbeit, Schweiss und Tränen angeknüpft.

In der Praxis bei Lehrbeginn krachen zwei Welten aufeinander: Die verklärte Vorstellung der «schönen kreativen Arbeit» und die Wirklichkeit des harten Arbeitsalltags. Das ist der Punkt, an dem viele scheitern, zerbrechen und letztendlich die Lehre abbrechen - der Grund, weshalb die Berufslehre Köchin / Koch EFZ unter allen Berufen der Schweiz die höchste Ausstiegsrate aufweist. Und das bei ohnehin rasant sinkenden Ausbildungszahlen. Während Ende der 90er Jahre die Kurve der Auszubildenden gegen 3000 pro Jahr nach oben zeigte, zeigt dieselbe Kurve in der Gegenwart nach unten gegen 1000 Lehrlinge pro Jahr.

Quer hinein spielt noch eine subjektive, aber nicht minder wichtige Aussage: Hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand sagen Punkte-, Spitzen und Sterneköche in etwa immer denselben Satz: «Ein junger Koch direkt von der Lehre ist in der gehobenen Küche nicht oder nur bedingt zu gebrauchen, den müssen wir zuerst noch einmal 1 bis 2 Jahre ausbilden, bevor er wirklich eingesetzt werden kann.» Punkt.

Das hat auch etwas mit der bizarr anmutenden Wirklichkeit zu tun, dass das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI mit oft technokratischen Vorgaben den Takt angibt und dieses auch abschliessend befindet, ob das Berufsbild und sein Lerninhalt gut ist oder nicht. Es war übrigens auch dieses Bundesamt 2012/13, welches entschied, ein zusätzliches Jahr für ausgebildete Köche brauche es nicht. Es war eine Initiative unter anderem um den 19 Punktekoch André Jaeger, um eben eine Möglichkeit zu schaffen, damit junge Köche sich fit machen können für den Arbeitsmarkt der gehobenen Küche.

Ein Kernproblem scheint die «Verschulung» der Berufe zu sein. Wer Aufteilung und Gewichtung der Fächer betrachtet, erhält schnell den subjektiven Eindruck, dass Staatskunde wichtiger ist, als die Grundzubereitungsarten.

Daniel Bumann, Spitzenkoch und «der Restauranttester», sagte im Interview mit Das Pauli Magazin: «Oft merke ich auch, dass Köche gar keine Beziehung zu den Produkten eingehen können.»

Das führt zurück zur Klärung der Frage, ob das Niveau der handwerklichen Ausbildung nach oben oder nach unten korrigiert wird: Das Handwerk und das Wissen, sowie die Erfahrung darum herum bilden das Rückgrat des Berufes. Ja, der Beruf ist kreativ, dieser Umstand tritt aber erst zu einem späteren Zeitpunkt in Erscheinung, denn erst wer die Basis beherrscht und versteht, gewinnt in der Sache die Fähigkeit zur Einsicht, die es ermöglicht, Grundregeln, Prozesse und Strukturen in ihrer Gesamtheit und in kausalen Zusammenhängen zu erkennen und gezielt einzusetzen.

Unter anderem machen es solche Erkenntnisse erst möglich, als Koch / Köchin die eigene beständige Kunst und Handschrift zu entwickeln. Das ist dann auch der Unterschied zwischen wirklicher Kreativität grosser Köche bzw. Künstlern und den Bastelstunden für Möchtegerne.

 Am Rande ist folgendes doch bemerkenswert ... wo sind eigentlich die Frauen? Unter 30 Mitarbeitenden (Gesamtarbeitsgruppe sowie Kommission B&K) sind gerade einmal drei Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts auszumachen. Und wo sind die hochdekorierten Spitzenköche/Spitzenköchinnen? Immerhin hat die Schweiz die höchste Gault Millau-Punktedichte der Welt.

Wie dem auch sei, man darf gespannt auf die Entwicklung sein. Die Arbeitsgruppe verspricht jedenfalls Gutes und an dieser Stelle wäre da noch Anton Mosimann zu zitieren: «Lies den Pauli, bis er zerfleddert ist, denn nur wer die alten Massstäbe genau kennt, kann neue Massstäbe setzen.»