Urs Oskar Keller: Die neuesten Zahlen der Schweizerischen Zentralstelle für Gemüsebau und Spezialkulturen SZG in Koppigen zeigen: Die Anbaufläche für Spargeln wächst: sie beträgt jetzt 389 Hektaren. Wie erklären Sie sich das stetige Interesse an einheimischen Spargeln?
Florian Sandrini: Regionale und saisonale Produkte liegen allgemein im Trend, davon profitieren auch die Schweizer Spargeln. Die frische und Qualität verbunden mit kurzen Transportwegen und Transparenz schätzen die Schweizer Konsumenten sehr. Auch spielen heute wichtige Punkte wie umweltverträglicher Anbau und soziale Standards eine Rolle, welche für den Schweizer Spargel sprechen.
Keller: Man kann sie heute zwar fast das ganze Jahr über kaufen – in Weiss, Grün und sogar Violett. Doch dem Einheimischen läuft kein Importierter den Rang ab. Herr Sandrini, was für eine Spargelernte erwarten Sie dieses Jahr in der Schweiz im Allgemeinen und in der Ostschweiz im Besonderen?
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«Regionale und saisonale Produkte liegen allgemein im Trend, davon profitieren auch die Schweizer Spargeln.»
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Sandrini: Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir von einer normalen Ernte aus, welche bei gutem Wetterverlauf im gleichen Rahmen wie im Vorjahr ausfallen könnte. Die Anbaufläche blieb konstant und die Kulturen ging gesund in den Winter. Im Jahr 2011 wurden in der Schweiz 260 Tonnen weisser und 290 Tonnen grüner Spargel produziert. 2017 waren es 348 Tonnen weiss und 432 Tonnen grün. Der violette Spargel ist zurzeit nur in Kleinstmengen zu finden.
Keller: Was kostet das «Königsgemüse» heuer?
Sandrini: Je nach Sortierung und Typ sind Spargeln zwischen 17 und 19 Franken pro Kilo zu haben.
Keller: Die Zahl der Spargelanbauern ist in der Schweiz in den letzten Jahren gleich geblieben. Es sind heute 180 Produzenten. Wie sehen Sie die Entwicklung? Noch grössere Anbaugebiete, rationellere Technik und weniger Anbauer?
Sandrini: Total sind es laut der Schweizerischen Zentralstelle für Gemüsebau und Spezialkulturen rund 180 Betriebe in der Schweiz. Ich habe leider keine Zahlen pro Kanton. Auch im Spargelanbau läuft die Strukturentwicklung wie in der übrigen Landwirtschaft. Da bei den Spargeln allerdings sehr viel Handarbeit dahinter steckt, denke ich, dass es weiterhin Betriebe mit kleinen und mittleren Flächen haben wird. Diese werden oft sehr gut als Familienbetriebe geführt.
Keller: Vor allem die Ernte der Spargeln ist arbeitsintensiv und mühsam. Ohne ausländische Hilfskräfte wäre das kaum mehr zu bewerkstelligen. Was wäre eine Alternative? Neue Erntegeräte?
Sandrini: In der Schweiz wird die Ernte Handarbeit bleiben. Es gibt in Europa einige wenige maschinelle Vollernter von Bleichspargeln. Wegen den hohen Verlusten ist dieser Einsatz bis anhin auch dort eher bescheiden. Die ersten computergesteuerten Maschinen sind bereits im Einsatz, diese Technik ist allerdings noch nicht ausgereift. Aber es zeigt die Entwicklung: Im Trend sind eindeutig Erntehilfsmaschinen wie der Folienheber oder die mit Batterie betriebenen Erntemobile. Diese kommen auch in der Schweiz zum Einsatz. Vor allem die Erntemobile ermöglichen für das Erntepersonal eine einfachere Ernte, da Sie tief unten sitzen und sich nicht bücken müssen. Diese Geräte sind aber nur bei Grünspargel einsetzbar.
Keller: In den Kantonen Thurgau, Zürich, Aargau und Schaffhausen zehn verschiedene Sorten Spargeln angepflanzt. Lange führten die weissen Spargeln in der Schweiz ein Schattendasein. Jetzt ist das Interesse geweckt und die Anbaufläche gewachsen. Wurde dieser «Trend» verschlafen? In Frankreich und Deutschland ist der «Bleichspargel» wichtig, der Grünspargel eher marginal.
Sandrini: Es werden für weisse und grüne Spargeln zum Teil die gleichen Sorten verwendet. Lediglich die Anbauform ist anders: Weiss mit Damm, der Bleichspargel wird gestochen solange er noch im Boden ist. Der Grünspargel wird geschnitten, wenn er 25 Zentimeter aus dem Boden ragt. Durch das Licht wird er grün. Es ist keine Sortenfrage.
Der Trend wurde meiner Meinung nach nicht verschlafen. Die Schweizer Spargeln sind allgemein im Trend, seien es grüne oder weisse. In den letzten Jahren wurde diesem Umstand Rechnung getragen und auch mehr weisse Spargeln kultiviert, also genau 173 Hektaren.
Keller: Die Genossenschaft Landi Hüttwilen und Umgebung ist das logistische Zentrum des Spargels in der (Ost-)Schweiz geworden. Warum und was passiert dort, was schlagen Sie um?
Sandrini: Die Landi Hüttwilen und Umgebung versucht – wie unsere Produzenten auch, sich zu spezialisieren und neue Märkte zu erschliessen. Als Genossenschaft ist es uns wichtig, den Landwirten Früchte und Gemüse abzukaufen und diese unseren Kunden anzubieten. Dies entspricht auch dem Ursprungsgedanke einer landwirtschaftlichen Genossenschaft. Nebst Spargeln haben wir uns auf Beeren und Mini-Kiwi spezialisiert. Mit diesen Produkten können wir schweizweit agieren.
Keller: Sie folgen auf Jürg Weber als Präsident der Arbeitsgemeinschaft Spargel Markt und haben auch die Geschäftsführung der Landi Hüttwilen von ihm übernommen. Was ist das für ein nationales Amt?
Sandrini: Die AG Spargel Markt vertritt die Interessen der Spargelanbauern in der Schweiz. Wir befassen uns mit Qualitätsrichtlinien, Werbung, Pressearbeit und Weiterbildung für die Produzenten. Die AG Schweizer Spargeln setzt sich für die Produktion von frischen und feinen Spargeln in der Schweiz ein, koordiniert zwischen den Mitgliedern und bestimmt Marketingmassnahmen.
Keller: Bereits im Winter (ab Dezember) wurden die ersten Spargeln von Übersee für sieben Franken das Kilo bei Grossverteilern in der Schweiz angeboten. Verdienen unsere einheimischen Spargelproduzenten, die seit Jahren 15 bis 19 Franken pro Kilo erhalten, noch genug? Ist das nicht bald ruinös? Im Laden werden heute einheimischer Spargel, grün oder weiss, schon bei 14 Franken pro Kilo angeboten.
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«Mein Favorit sind die dünnen Grünspargeln, leicht angebraten, nicht blanchiert und ungewürzt. Bei einem frischen Spargel entwickelt sich ein herrlich würziges Aroma im Gaumen und dazu ist er noch butterzart.»
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Sandrini: Im Gegensatz zu anderen Agrar-Produkten konnten bei den Spargeln die Preise gehalten werden. Dies ist umso wichtiger, da hier noch sehr viel Handarbeit dahinter steckt und die Kosten nicht mit einer Mechanisierung stark gesenkt werden können. Die Konsumenten schätzen die Frische unserer Spargeln und sind zunehmend gewillt, dafür auch einen höheren Preis für regional produzierte Produkte zu bezahlen.
Keller: Sie sind ein Liebhaber des «Königs der Gemüse» (Goethe). Was faszinierte Sie so daran und auf welche Art schmeckt Ihnen Spargel am besten?
Sandrini: Mein Favorit sind die dünnen Grünspargeln, leicht angebraten, nicht blanchiert und ungewürzt. Bei einem frischen Spargel entwickelt sich ein herrlich würziges Aroma im Gaumen und dazu ist er noch butterzart.
Keller: Wie sieht der Spargelanbau in Zukunft in unserem Land im Allgemeinen und in der Ostschweiz im Besonderen aus?
Sandrini: Ich denke, dass die Schweizer Spargeln noch zunehmend an Beliebtheit gewinnen werden und dadurch der noch bescheidene Anteil am gesamten Markt wachsen wird. Regional produzierte Produkte liegen absolut im Trend. Wo wir konkret in zehn Jahren stehen, das wird schlussendlich der Konsument und die Konsumentin entscheiden. Wir werden alles tun, um diesen Wünschen gerecht zu werden.