Ab den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts kam die bis dahin eher unbekannte Garnele bei einer breiten Bevölkerung in Mode und wurden preislich für alle erschwinglich. Der «Cocktail de Crevettes Calypso» wurde damals unglaublich en vogue. Dieses Gericht sorgte bei den einen für Begeisterung und bei den anderen für eine ausgeprägte Ablehnung, mit dem bekannten Ausspruch «ich fresse doch keine Engerlinge». 

Dasselbe geschah, als im Mai (ausgerechnet) 2017 einige Arten von Insekten als Lebensmittel zugelassen wurden. Anfangs herrschte ein Hin- und Hergerissen sein zwischen sinnvoll nutzbarer Proteinmasse, genussbedingtem Spass- und Ekelfaktor und ekelbedingter Ablehnung vor. Das änderte sich, als Firmen die Produktion von Grillen, Mehlwürmern und Heuschrecken starteten und die Produkte vom Proteinriegel bis zum Burger-Patty eine grösser werdende Akzeptanz fanden. Seither haben sich Insekten sowohl im Supermarktregal als auch auf der Speisekarte von Gastronomiebetrieben durchaus manifestiert.

Doch auch in Europa wurden schon vor langer Zeit Insekten gegessen. Vornehmlich waren es gerade die Engerlinge (das sind die Larven der Familie der Blatthornkäfer, also Mai- und Junikäfer, aber auch Rosen- und Nashornkäfer, die meist beim Umstechen des Kompostes zu Tage treten) sowie die ausgewachsenen Mai- und Junikäfer die gerne als Suppen zubereitet wurden. In Zucker gekocht (kandiert), karamellisiert oder geröstet und mit Staubzucker und/oder Salz bestreut, sind sie, für diejenigen, die das mögen, auch tolle Beilagen zu Suppen. Das gilt im Übrigen auch für Heuschrecken, Mehlwürmer (Larven der Schwarzkäfer bzw. Mehlkäfer) und Grillen, die so zubereitet durchaus eine Alternative zu Croûtons sein können.

Mai- und Junikäfer sind als Lebensmittel rechtlich nicht zugelassen und werfen dazu noch zwei Problematiken auf. Erstens fallen sie oft unter die Liste geschützter Arten und zweitens, so paradox das ist, sie werden noch immer als Schädlinge betrachtet und mit Insektiziden bekämpft, was sie gelinde gesagt ungeniessbar macht. 

Sind die Käfer dennoch verfügbar (sie können auch selbst gezüchtet werden), werden sie in den Tiefkühler gestellt, um sie zu töten. Das langsame Herunterkühlen der Insekten bis zum Tod wird als schmerzfreie Methode allgemein akzeptiert und von der Insekten produzierenden Industrie angewandt.

Nach dem Töten der Käfer werden Flügel und Beine entfernt und die Körper im Backofen bei gut 120° C eine Stunde getrocknet und geröstet. So sind sie verwendungsbereit und auch hygienisch unbedenklich.

Die zugelassenen und im Handel erhältlichen Insekten Mehlwürmer, Grillen und Heuschrecken sind schon verwendungsbereit.

Alle diese Arten können aufgrund ihrer Schale bzw. Chitinschicht verwendet werden wie Krustentiere. Sie können als Suppenfond bzw. als Fumé (Suppenfonds auf der Basis von Fisch, Krusten- und Schalentieren, Kapitel 1.13 im Buch Die Suppen der klassischen franzöischen Küche das demnächst erscheint) und anschliessend als Brühe oder als Kraftbrühe (Kapitel 2) zubereitet werden.

Sie eignen sich aber auch als Püreesuppen (von Krusten- und Schalentieren, Kapitel 5.1), als Rahm oder Cremesuppen (Kapitel 6.1) oder als Samtsuppen (Kapitel 7.1)

Bei den Zubereitungen kann also ein «Suppensystem» gewählt werden und die Grundzutat 1:1 durch Insekten ersetzt werden (z.B. bei einer Bisque 100 gr Heuschrecken statt 100 gr Krebsschalen).

Mehlwürmer mit ihrem ausgeprägt an Haselnuss erinnernden Geschmack eignen sich dafür, Teile der Hauptzutat einer Farce (z.B. für Klösse, Kapitel 3.6) zu ersetzen.

Geschmacklich kombinieren lassen sich Insekten mit allen Arten von Nüssen (Haselnuss, Mandel, Erdnuss etc.) aber auch mit Getreide wie Hafer oder Grünkern, zum Beispiel für Rahm- und Creme- oder Samtsuppen.

Im Mittelalter war der Maikäfer zerstossen zudem auch ein Aphrodisiakum. Das ist durchaus nicht abwegig, wenn auch nicht mit der noch heute gebräuchlichen Spanischen Fliege zu vergleichen, die oft ein Bestandteil der Gewürzmischung Raz al Hanout ist. Die Spanische Fliege gehört zur Familie der Ölkäfer und beinhaltet das angeblich luststeigernde Reizgift Cantharidin, das ab einer gewissen Menge auch tödlich ist (Anm.: Auch die Muskatnuss ist in genügender Menge blutverdickend und damit tödlich).

In Bezug auf geschmackgebende Substanzen in Zusammenhang mit Gewürzen: Insekten eigenen sich geröstet auch gut für Suppen mit kräftigen Gewürzen (Chilli, Paprika, etc.) und Gewürzmischungen (Curry, Harissa, etc.). Frisch geröstet und kurz vor dem Servieren beigegeben bieten sie einen einzigartigen «Knusper-Effekt».

Hinsichtlich Geschmack und Nährwert können die Worte des Medizinalrates Johann Schneider aus dem Magazin für Staatsarzneikunde von 1844 angefügt werden. Er schrieb zur Maikäfersuppe unter anderem, dass diese an Krebssuppe erinnere und ein «vortreffliches und kräftiges Nahrungsmittel» sei.

Insekten als Grundnahrungsmittel sind weder neu noch abwegig, sondern überaus effizient. Um 1 kg Insekten zu züchten werden durchschnittlich 1.5 bis 2.5 kg Futter benötigt. Im Vergleich dazu: Für ein 1 kg Rindfleisch sind 20 bis 30 kg Futter notwendig. Darüber hinaus sind Insekten Proteinbomben, dies sowohl quantitativ als auch qualitativ. In der Trockenmasse enthalten Insekten 35 bis 75 gr Proteine, deren Wertigkeit bei 90 bis 95 liegt. Der Referenzwert ist das Vollei mit einer Proteinwertigkeit von 100. Casein, das von Kraftsportlern vielbeschworene Milcheiweiss, das vor allem in Quark gehäuft auftritt, bietet eine Wertigkeit von 73.