Es scheint, als leite sich der Begriff Godiveau aus einer älteren französischen Bezeichnung ab: Godebillaux. Diese historische Bezeichnung steht für eine alte Art, Fleisch für die Zubereitung von Pasteten, Füllungen oder Würste zu zerstossen, darauf weisen einige Quellen hin. Etymologisch liess sich der Begriff aber nicht wirklich nachverfolgen. Doch ganz offensichtlich wandelte sich irgendwann die Endung von «billaux» hin zu veau, also zu Kalbfleisch. Wirklich nachzuweisen ist das allerdings auch nicht. Der kausale Zusammenhang ist trotzdem gegeben, denn ein Godiveau ist ab Ende des 20. Jahrhunderts eindeutig eine Masse aus Kalbfleisch, das mit Eis unter Zugabe von Ochsennierenfett, Eiern und Gewürzen gestossen wird. Eine Lyoner Godiveau ist eine Farce aus 500 Gr Hechtfleisch, 500 Gr Ochsennierenfett (oder ½ Ochsennierenfett und ½ Knochenmark), 500 Gr Frangipanade, 4 Eiweiss und Gewürzen fein zerstossen wird. Eine Frangipanade ist, am Rande bemerkt, eine Masse zum Binden, die wie folgt hergestellt wird: 125 Gr Mahl mit 4 Eigelb, 90 Gr flüssiger Butter und Gewürzen verrühren. 2.5 Dl kochende Milch unter starkem Rühren zugeben und mit dem Spatel auf mässigem Feuer abrühren und erkalten lassen.
Und weshalb wird jetzt genau Hecht mit Lyon und später mit einer Sauce Nantua in Verbindung gebracht?
Die charmante Kleinstadt Nantua im Osten Frankreichs zwischen Genf und Lyon ist durchdrungen von Seen, Flüssen und Feuchtgebieten mit vielen natürlichen Teichen, die sich bis nach Lyon hinziehen. In dieser als Dombes bezeichneten Region, geprägt von Rhône, Saône, Ain und dem Lac de Nantua kommen Hechte wie auch Krebse in natürlicher Umgebung in Massen vor und werden aber auch gezüchtet.
Eine der Möglichkeiten, Hecht haltbar und in einer Zeit ohne Kühlkette transportierbar zu machen war es, Hechtklösse herzustellen, diese kurz zu pochieren, im Ofen anzutrocken, in einer Sauce einzukochen und so in verschlossenen Gefässen zu transportieren. Mit dem Herstellen von Klössen war eines der grössten Probleme des Hechts auch gelöst - die vielen Gräten. Das Pürieren und das Durchstreichen der Hechtfleischmasse durch ein Sieb eliminiert alle Gräte.
Bleibt noch die Verwendung der Sauce Nantua zu erklären. Irgendwann nach dem Erscheinen des Guide Culinaire bürgerte es sich ein, anstelle «irgendeiner Fischsauce», wie von Escoffier angemerkt, eine Sauce Nantua für die Quenelles de Brochet Lyonnaise zu verwenden. Das machte Sinn, denn hierbei handelt es sich um eine Béchamelsauce, die mit Rahm eingekocht, anschliessend wieder mir Rahm aufmontiert und mit viel Krebsbutter aufmontiert wird. Krebse gibt oder gab es um Nantua genug.
Für die Krebsbutter werden zuerst die Abfälle von Krebsen (Schalen, Scheren) wie für eine Bisque mit einem Mirepoix zubereitet. Die Krebsschalen in viel Öl sorgfältig anziehen (die roten Farbpigmente entwickeln sich mit der Hitze und sind fettlöslich), wenig Mirepoix von Karotten, Petersilienwurzel und Zwiebeln zugeben und mitdünsten, mit Cognac ablöschen und abflämmen, mit wenig Wasser auffüllen, einkochen und so mehrmals deglasieren. Anschliessend alles sehr fein zerstossen. Die Krebsmasse im Verhältnis 1:1 mit pomadiger Butter zerstossen und 1 bis 3 Tage luftdicht kühl ruhen lassen. Die Masse auf Zimmertemperatur bringen, erneut aufschlagen und durch ein Passiertuch streichen.
Zum Schluss: Wer heute Hechtklösse herstellt, verwendet längst kein Ochsennierenfett oder Frangipane, sondern cuttert (pürieren mit dem Hochleistungsmixer) das Hechtfleisch mit Sahne, Eis und allenfalls etwas Eiweiss. Es lohnt sich allerding, das uralte Rezept einmal auszuprobieren. Die Ausgewogenheit der Textur spricht Bände und für sich.