Short Story

Kunst (nach Lexikon, unter anderem) ist ein menschliches Kulturprodukt, das Ergebnis eines kreativen Prozesses. Das Kunstwerk steht meist am Ende dieses Prozesses, kann aber auch der Prozess bzw. das Verfahren selbst sein. Ausübende der Kunst im engeren Sinne werden Künstler genannt. In diesem Sinne fallen alle Bestrebungen und Anstrengungen, Fleisch auf künstlicher Basis herzustellen, unter diesen Begriff und beinhalten:

In-Vitro-Fleisch, Cultured Meat, kultiviertes Fleisch, Labor-Fleisch ist das Resultat von Gewebezüchtungen mit dem Ziel, Fleisch zum menschlichen Verzehr synthetisch herzustellen.

Analogfleisch, Formfleisch ist Fleisch, das aus verschiedenen Fleischstücken und in diversen Verfahren zusammengesetzt wird. So werden aus «Schlachtabfällen» Stücke erzeugt, die wie «gewachsene Fleischteile» genutzt werden können.

Fleischimitat, Fleischersatz sind Lebensmittel, die geschmacklich, haptisch und vom Proteingehalt her Fleisch ähnlich sind, ohne aber aus Fleisch zu bestehen (z.B. Quorn, Produkte auf Tofubasis, Planted Chicken).

Im Brennpunkt des allgemeinen Interesses steht der Ansatz, durch künstlich hervorgerufene Gewebezüchtung Muskelfleisch (synthetisch) wachsen zu lassen. Der Fachbegriff in-vitro-Fleisch (umgangssprachlich auch Kunst- oder Laborfleisch genannt) bezieht sich auf In-Vitro = im Glas, also im Reagenzglas gezüchtet. Die Technologie dafür stammt aus der Medizin, um Transplantate zu züchten. Am bekanntesten ist das auf dem Rücken einer Maus gezüchtete Ohr. Am erfolgreichsten und am weitesten fortgeschritten ist die gezüchtete Haut zur Behandlung / Verpflanzung von schweren Brandverletzungen.

In der Züchtung für Muskelfleisch zum Verzehr wird einem Tier eine Zelle entnommen und an einem dreidimensionalen Gerüst angesetzt und «zum Leben erweckt». Es ist gegenwärtig möglich strukturiertes Hackfleisch herzustellen. Die grosse Herausforderung liegt im Umstand, dass für die Fleischkonsistenz eines Steaks die Simulierung des Muskels stattfinden muss. Das ist heute nicht möglich.

Das zentrale Produktionsgefäss ist ein Bioreaktor, in dem das Zellwachstum durch Bewegung und Temperaturschwankungen angeregt wird. Im Grunde wird eine simulierte Fitness-Center-Bewegungsumgebung geschaffen, damit sich alle Komponenten von Muskelmasse bilden können: Muskelzellen, Bindegewebe, Elastin, Collagen, aber auch Fettzellen als Geschmacksträger.

«Wird sich Kunstfleisch durchsetzen?» Eine Frage die sich so nicht stellt. Kunstfleisch hat sich durchgesetzt. Z.B. als Fleischersatz mit Quorn oder Sojaprodukten. Aber ja, Laborfleisch dürfte sich durchsetzen. Die Coop-Tochter Bell und Migros haben sich bereits an Firmen beteiligt. Das nicht einfach so.

Die gegenwärtigen, übergeordneten gesellschaftlichen Strömungen (Megatrends) sind recht deutlich. Es heisst heute nicht mehr Work-Life-Balance, sondern Work-Life-Blending* und meint die Entkoppelung der Arbeit und Ernährung von Zeit und Ort. Es ist das Loslösen von Zwängen, um das eigene Leben nach den eigenen Bedürfnissen zu mixen.

Dies, kombiniert mit der «Neo-Ökologie*», der Neuausrichtung grundlegender Werte, birgt eine gewaltige Sprengkraft. Das Bewusstsein für den Umgang mit der Umwelt und den Lebewesen verankert sich nachhaltig in der Gesellschaft. Der Konsument setzt Transparenz, Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, etc. voraus. Im mindesten wollen die Konsumenten angelogen oder wenigstens im guten Glauben gelassen werden. Der Markt kommt um diese Entwicklung nicht mehr herum. 

Ein weiterer Megatrend ist der zur Urbanisierung*. Diese ist, wenn man so will, die Dezentralisierungsbewegung der Globalisierung. Ausgerechnet die Städter werden ökologisch und wollen die Produktion der Lebensmittel wieder in ihrem näheren Umfeld sehen. Ein grosses Thema hierbei ist in der Städteentwicklung das Vertical Farming und auch das In-Vitro-Fleisch, das keine Wiese, sondern einen Bioredaktor benötigt.

Allerdings ist Im Labor künstlich gezüchtetes Fleisch zur Zeit alles andere als ökologisch und ökonomisch. Und es hat auch eine dunkle Seite.

Interessant sind aber auch die Dynamiken, die das Cultured Meat (wie es auch genannt wird)  seit der Präsentation des ersten Burgers aus synthetischem Fleisch, auslöste. Es sind viele Ansätze, die versuchen, eine essbare Masse herzustellen, die in Haptik, Geruch, Konsistenz, Geschmack und dem Proteingehalt Fleisch nahe kommt.

(*Quelle: Zukunftsinstitut: «Die 7 Megatrends, die unser Essen besonders stark Prägen»)

 

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Long Story

Wir wissen heute um die Zahlen der absoluten Ausnutzung und dem Schwund von Agrarflächen. Wir wissen, mit einem Rundumblick in die Welt, um die nach wie vor desolaten Zustände bei der Haltung, Aufzucht und Verarbeitung von Schlachtvieh.

  • Wir verlieren weltweit pro Jahr 10 Mio. ha Agrarfläche.
  • Wir haben zurzeit ein Nettowachstum von 78 Mio. Menschen pro Jahr.
  • Von 1445 Mio. ha Ackerflächen werden 1030 ha für die Futtermittelproduktion genutzt.
Bundesamt für Mensch und Umwelt: «Globale Landflächen und Biomasse nachhaltig und Ressourcen schonend nutzen»
Bundesministerium für Bildung Forschung: «10.000.000 Hektar - um diese Größe verringert sich jedes Jahr die Agrarfläche weltweit»

Die intensive Tierhaltung, in Zusammenhang mit der extrem fortgeschrittenen Zentralisierung der Fleischgewinnung (Schlachtbetriebe), produziert neben allen Emissionen auch die reale Gefahr der Lebensmittelunsicherheit und Gesundheitsgefährdung, z.B. durch die Verschleppung krankmachender Keime. 

Zukunftsinstitut: The Future of Sonntagsbraten
FAO: Livestock's Long Shadow / Der lange Schatten der Viehzucht
ZAP Verlag: Der lange Schatten der Kuh

Die jüngsten Beispiele aus der deutschen Fleischindustrie sind uns in bester Erinnerung: Verschleppung von Sars-coV-2, oder dann das Hepatitis Typ E, das flächendeckend in Wurstwaren auftauchte. Das steht auch in kausalem Zusammenhang mit der Zentralisierung des Schlachtens.

Mitteldeutscher Rundfunk: Immer mehr Schlachthöfe schließen

Nur schon in der Schweiz sind laut schweizerbauer.ch gut acht Prozent der Schlachtrinder Träger antibiotikaresistenter Keime. Das führte beispielsweise dazu, dass mit einem geschlachteten Tier, dessen Teile über die Schlachthöfe zur Weiterverarbeitung verteilt wurden, Menschen über 15 Staaten mit Escherichia Coli infiziert wurden.

Multistate Outbreak of E. coliInfections Associated with Beef from National Steak and Poultry

Mit diesen Aussagen kratzt man «erst» am Lack der Fleischwirtschaft. Doch alles über alles wird niemand widersprechen, wenn konstatiert wird, dass wir ein Problem haben. 

Abgesehen davon, dass der deutsche Bundesminister für Wirtschaft und Energie kaum versuchen wird, die Schlachtbetriebe wieder auf die Orte und mehrere Betriebe zu verteilen … ändert sich etwas? 

Nein

Was jetzt folgt, ist in keiner Art und Weise eine Schuldzuweisung, sondern eine allgemeine, nüchterne Feststellung.

Im Grunde kann das immerwährende Handeln des Menschen auf solche Ereignisse und Erkenntnisse, die sich aus objektiven Untersuchungen und Messungen ergeben, auf einen Nenner gebracht werden: Ablehnung, Ignoranz, nur fadenscheinige und sehr zögerliche Änderungen.

Genau wie Banken, Autoindustrie etc. auch, weichen die industrielle Tiermast und die Schlachthöfe nach einem Skandal, der auf objektiven Erkenntnissen basiert, aus. Man verharrt auf alten Positionen und verhindert konsequent Veränderung.

Um bildlich aufzuzeigen, was genau passiert, können beispielsweise die 7 Phasen der Veränderung nach Richard K. Streich und andere Change-Management-Theorien herbeigezogen werden. 

  1. Schock: «Das kann nicht sein»
  2. Ablehnung: «Das stimmt nicht»
  3. Rationale Einsicht: «Vielleicht doch»
  4. Emotionale Einsicht: «Es stimmt doch»
  5. Lernen: «Mal versuchen»
  6. Erkenntnis: «Es geht ja tatsächlich»
  7. Integration: «Es ist selbstverständlich»

Veränderungsprozesse, die bis zum Punkt 7 durchgedrungen und heute selbstverständlich sind, um es diesbezüglich passend zu nennen, können unter dem Begriff «Bio» zusammengefasst werden.

Einsicht wäre der beste Weg zur Besserung. Wäre.

Wenn der Mensch etwas besitzt, hat er Angst, es zu verlieren. Den meisten Mensch ist es also mit Blick auf den Profit eines Nutzniesser-zentrierten Kalküls meist nicht möglich, die Stufe der Einsicht zu erreichen. Und das ist mitunter ein Hauptgrund, weshalb sich nichts ändert und die meisten Veränderungsprozesse bei Punkt 2 ihr Ende finden.

Der Witz an der Sache ist: Würde gleich viel Energie in Veränderungsprozesse gesteckt, wie sie ins Verhindern, Ausweichen und Vertuschen investiert wird, wären die gröbsten Probleme längst gelöst.

Jetzt kommt eine alte Binsenweisheit ins Spiel, und das ist auch der Grund, weshalb Das Pauli Magazin seit Jahren das Thema In-Vitro-Fleisch verfolgt. Es ist die Dynamik, die aus der Ignoranz heraus entsteht:

«Wer oder was sich nicht verändert, wird verändert werden.»

Das gilt auch für Kunstfleisch – in welcher Form auch immer, es wird sich entwickeln. Dafür wird die sich verändernde Gesellschaft mit ihren Bedürfnissen und Forderungen an den Markt sorgen. 

Die gegenwärtigen, übergeordneten gesellschaftlichen Strömungen (Megatrends) sind recht deutlich. Es heisst heute nicht mehr Work-Life-Balance, sondern Work-Life-Blending und meint die Entkoppelung der Arbeit und Ernährung von Zeit und Ort. Es ist das Loslösen von Zwängen, um das eigene Leben nach den eigenen Bedürfnissen zu mixen.

Dies, kombiniert mit der «Neo-Ökologie», der Neuausrichtung grundlegender Werte, birgt eine gewaltige Sprengkraft. Das Bewusstsein für den Umgang mit der Umwelt und den Lebewesen verankert sich nachhaltig in der Gesellschaft. Der Konsument setzt Transparenz, Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, etc. voraus. Im mindesten wollen die Konsumenten angelogen oder wenigstens im guten Glauben gelassen werden. Der Markt kommt um diese Entwicklung nicht mehr herum. 

Zukunftsinstitut: «Die 7 Megatrends, die unser Essen besonders stark Prägen»

Ein weiterer Megatrend ist der zur Urbanisierung. Diese ist, wenn man so will, die Dezentralisierungsbewegung der Globalisierung. Ausgerechnet die Städter werden ökologisch und wollen die Produktion der Lebensmittel wieder in ihrem näheren Umfeld sehen. Ein grosses Thema hierbei ist in der Städte-Entwicklung das Vertical Farming.

Um ein weiteres Beispiel des unsäglichen Versuches, die Veränderung zu ignorieren, zu nennen, ist ausgerechnet die Eidgenössische Technische Hochschule, die einen Betonklotz auf fruchtbaren Wiesengrund stellt und die weltweiten Strömungen zu Vertical Farming und damit zur zentralen Lebensmittelgewinnung durchgehend ignoriert. 

Dabei … um in einem urbanen Umfeld produzieren zu können, werden In-Vitro-Techniken zur Produktion von Nahrungsmitteln in unmittelbarer Umgebung unabdingbar. Gerade hinsichtlich Vertical Farming, Indoor Farming, In-Vitro-Produktionen sowie der Verschwendung von Agrarland verharren Politik, Behörden, Architektur aber auch Handel und Industrie auf veralteten Positionen.

Wie sonst lässt sich erklären, dass Aldi und Lidl reihenweise Kulturland mit einstöckigen Läden zubetonieren können? Wieso werden sie nicht verpflichtet, mindestens nochmals vier bis fünf Stockwerke hochzugehen. Man stelle sich an dieser Stelle das Maximum vor: Mehrere Stockwerke mit Indoor Farming, wo Gemüse für den Laden frisch wächst. Die wachsen ja sowieso indoor, nicht nur in Holland oder Spanien. 

Unter den Gesichtspunkten, in unmittelbarer Umgebung der Kunden und auf engstem Raum zu produzieren, kann In-Vitro oder Labor-Fleisch kaum mehr als eine einfache Produkteentwicklung für einen Randmarkt bezeichnet werden. Es ist heute (noch) eine gesellschaftlich-wissenschaftliche Strömung aus der Ideologie heraus, Probleme zu lösen, die sich mit dem Bevölkerungswachstum und den schwindenden Ressourcen schneller in unserer Mitte manifestieren werden, als uns lieb ist.

Eines muss wohl jedem klar sein:

So wie bisher, können wir auf diesem kleinen Erdball nicht mehr weiterkutschieren.

Letztendlich, und das lässt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit voraussagen, wird Kunstfleisch als Protein- und Energielieferant in dieser oder jener Form einen dominanten Platz einnehmen.  Das Pauli Magazin vertritt eine positiv-gestimmte Haltung, dass Kunstfleisch ein Teil der Lösung sein wird.

2013 präsentierte der niederländische Mediziner Mark Post den ersten Burger aus In-Vitro-Fleisch, den er im Labor der Universität Maastricht entwickelte.

Die Dynamiken, die Entwicklungen von Cultured Meat, aber auch die Parallelentwicklungen von Fleischersatz, die sich seither in Gang gesetzt haben, sind kaum mehr aufzuhalten. Firmen wie Beyond Meat wurden von einem Hype mitgerissen, der im Börsengang endete – notabene ein Start-Up, das heute Milliarden wert, aber noch nie einen Franken verdient hat. Und es ist auch ein deutliches Zeichen, dass die Coop-Tochter Bell in die niederländische Mosa Meat und die Migros in die israelische Aleph Farm investieren - beide führend in der Entwicklung von In-Vitro-Fleisch. Die Bluthunde wittern den Schweiss des Wildes, um es in der Jägersprache auszudrücken.

Was treibt den Menschen an, so etwas zu tun: Fleisch im Labor zu züchten?

Andere Frage – der Mediziner als Metzger: Wieso ist es ausgerechnet ein Mediziner, der Kunstfleisch züchtet? Möglicherweise, weil diese Forschung ein Abkömmling der Zucht von Ersatzteilen für den Menschen ist? Wir erinnern uns an das Pressebild der Maus mit dem menschlichen Ohr auf dem Rücken. Man lässt die Ersatzteile auf und in Tieren wachsen oder versucht Schweine, die mit ihren Eingeweiden dem Menschen ähneln, zu züchten, deren Organe bei einer Transplantation nicht mehr abgestossen werden. Dies, um nicht mehr auf menschliche Organspenden angewiesen zu sein.

Im Grunde sind Xenotransplantationen als Lösungsweg nur ein notwendiges Übel, um die Zeit zu überbrücken, bis Organe künstlich im Labor verwendbar gezüchtet werden können.

Jetzt wird es etwas «filosofisch» (Garfield)

Das Ziel gibt die griechische Mythologie mit Prometheus vor. Zellerneuerung und künstliches Zellwachstum.

Die Menschen opferten Zeus ein Tier. Prometheus klaute das Fleisch, gab es den Menschen zurück und «verkaufte» Zeus den Schlachtabfall sozusagen als Analogfleisch. Darauf fiel Zeus, der Göttervater, natürlich nicht herein. Als Strafe nahm er den Menschen das Feuer weg. Prometheus wiederum klaute das Feuer und gab es den Menschen zurück. Zeus wurde logischerweise wütend, liess Prometheus in den Wüsten des Kaukasusgebirges an die Felsen ketten, worauf jeden Tag ein Adler kam und von seiner Leber frass, die sich ständig erneuerte.

Und wenn er nicht gestorben ist, so lebt er noch heute.

Am 1. Januar 1818 publizierte eine Frau namens Marry Schelley einen Roman mit dem wohl interessantesten Ansatz, der bis heute die Wissenschaft der Biologie und Biochemie, Science Fiction Autoren und Filmemacher gleichermassen beschäftigt. Wie kann einer toten Zelle Leben eingehaucht werden. Der Roman heisst übrigens Frankenstein oder Der Moderne Prometheus.

Der Wunsch der Menschheit nach Zellerneuerung und künstlichem Zellwachstum – vom Aufhalten des Alterungsprozesses bis zur Erschaffung von künstlichem Leben - ist also nicht neu. Neu ist, dass heute das Kernproblem, nämlich der fehlende Impuls, um Leben zu erwecken, gefunden ist.

Cultured Meat hat Stuhlgang (Brodmann)

In-Vitro-Fleisch ist heute sinnigerweise (noch) eine ökologische und ökonomische Sauerei. Schlicht und einfach. Auch Fleisch, das in der Petrischale lebt und wächst benötigt Nahrung und Wasser. Diese «Fütterung» geschieht unter Experimenten mit unsäglichen Nährlösungen. Und ganz nach dem Motto, was man vorne hineintut, kommt hinten wieder raus – auch Cultured Meat hinterlässt aus dem Stoffwechsel Abfallprodukte, also Exkremente.

Abgesehen davon, hat In-Vitro-Fleisch immer noch einen Fuss tief in der dunklen Seite der Macht.

Der Impuls des Lebens (dieser wird wie folgt hergestellt: Eine Hohlnadel wird durch die trächtige Kuh in das Herz des ungeborenen Kalbes gestossen, dann wird das Kälbchen ausgesaugt. Aus dieser Flüssigkeit wird ein Serum hergestellt, das eine Muskelzelle zum Leben erweckt und zum Wachstum animiert) ist numinos. Wir spielen Gott und pfuschen an der Entstehung des Lebens, an der Schöpfung herum. Und das nicht nur auf dem Feld der Entstehung des künstlichen Fleisches. Es ist noch ganz witzig, sich bei der Vorstellung der Dimension, das Fresco von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle in Erinnerung zu rufen.

Der Blick auf Parallelentwicklungen hat es nämlich in sich. Da sind zum einen die Biomolekül-Computer, oder auch netzwerkbasierte Bio-Computer (Informations-Technik), die auf der Basis von ansatzweise lebender Materie ein Vielfaches der Rechenleistung eines jeden Supercomputers erbringen. Dann sind da auch noch die unter »künstlichem wachsen lassen» entstandenen, neuronalen Netzwerke KNN (Neuroinformatik), die der Forschung an echter künstlicher Intelligenz KI entspringen. Hier entsteht wirkliche, künstliche, intelligente Denkleistung. (Intelligenz: Abstrakt und vernünftig zu denken, um daraus selbständig zweckvolles Handeln abzuleiten – was auch immer zweckvoll ist).

Es kann sich jede und jeder selber ausmalen, was passiert, wenn dies alles dereinst zusammengeführt wird. Das mag zwar weit weg erscheinen, scheint aber nicht mehr unrealistisch zu sein.

Ich (der Autor) für mich bin froh, habe ich ein Hirn, das im Schnitt 80 Jahre alt wird, das als Betriebsstoff etwas Essen, Wasser und Alkohol benötigt und dessen Hauptbetriebsdauer (je nachdem, wieviel man denkt, schläft und säuft) zwischen 15 und 65 Jahren liegt. In Anbetracht der Tatsache, dass ich schon über 50 Jahre auf dieser Erde wandle, habe ich eine reale Chance, das alles nicht mehr miterleben zu müssen.

Wer weiss schon, was kommt.

Zugegeben, die vorangegangenen Darstellungen waren etwas düster.

Doch, wenn sich etwas verändern soll, sind das Hinschauen, die Akzeptanz und die Einsicht Grundvoraussetzungen. Es muss nichts schöngemalt werden, was nicht schön ist. 

Die Frage ist nicht, ob Kunstfleisch ja oder nein, sondern welcher Weg führt zu welcher Form. 

Welches Kunstfleisch sich dann auch am Markt durchsetzt, wird dieser vorgeben. Und das muss beileibe nicht das beste sein, wie ein Blick zurück auf banale Dinge wie Video oder Snowboard zeigt.

Als Bretter anfingen, die zwei Skis abzulösen, gab es viele Ansätze: Von Skatebord auf Ski, anstatt Rädchen, über Mono-Ski bis Racing Board. Am Markt durchgesetzt hat sich das Snowboard mit Softschuhen, was in den Notfallstationen zu einer massiven Zunahme von neuen Brüchen führte, die bis heute anhält.

Oder, wenn sich überhaupt noch jemand daran erinnern kann, die Entwicklung der Videosysteme, in der sich das VHS-Format gegen das qualitativ weitaus überlegene Beta-Format (Formatkrieg der 70er und 80er) durchsetzte. 

Die Entwicklungen in Bezug auf Kunstfleisch, die sich jetzt beobachten lassen, sind vielfältig

 

Das Pauli Magazin LEEKS: FUTURE FOOD - Kunstfleisch und Fleischersatz

Auch Andrea Staudacher fällt unter den Begriff der Kunst. Sie ist gelernte Dekorationsgestalterin, erarbeitete sich den Bachelor of Arts an der Hochschule der Künste in Bern, schloss ihr Studium an der Zürcher Hochschule der Künste mit dem Titel Master of Arts ab, wo sie anschliessend als Unterrichtsassistentin tätig war. 2016 gründete sie mit durchschlagendem Erfolg ihr FutureFoodLab. Zudem produziert die Künstlerin seit 2019 mit dem FutureDeathLab Wissen zur Zukunft von Sterben und Tod.

Andrea Staudacher hat am 14. September 2020 zum Thema Future Food – Kunstfleisch und Fleischersatz ein Impulsreferat gehalten, das zusammen mit der anschliessenden Podiumsdiskussion als Video-Podcast erscheinen und unseren Abonnenten zur Verfügung stehen wird.