Man stelle sich vor, die jungen Gastronom:innen (von denen einige gemäss Ausweis dem AHV-Alter näher sind als vom ersten feuchten Traum entfernt) haben es satt, einem Verband einen Mitgliedsbeitrag zu überweisen. Diese im Kopf junggebliebenen schätzen es nicht, dass der Verbandsbeitrag irgendwo in Denkgefüge eines Vorstandes versickert, welcher sich Anfang der 90-er Jahre gegen eine Liberalisierung ausgesprochen hatte. Grund für den Verbandsbeitritt ist bei vielen, unkompliziert eine L-GAV konforme Sozialversicherung für die Mitarbeitenden abschliessen zu können.

Um zu sehen, wie vor über 30 Jahren gekämpft wurde, damit die heute selbstverständliche Vielfalt in unserer Branche Realität wurde, lohnt sich ein Blick in das Archiv von Salz&Pfeffer. Dort lässt sich nachlesen, wie die Exponenten des Wirteverbandes sich gegen die Liberalisierung wehrten. Jene Exponenten, und die von ihnen in Nachfolge-Amtswürden gehievten, wollen auch heute noch mitbestimmen, wer in der Branche das Sagen haben soll. Wem 30 Jahre zurückschauen zu weit geht, 20 Jahre geht auch. Z.B. mit einem Blick in die Tabasco-Kolumne in Salz&Technik Nr. 4 von 2001. Dort lässt sich nachlesen, als wie kompetent der «Blick» einen sicher beim Wirteverband ausgebildeten leitenden Funktionär in Sachen Arbeitszeitaufzeichnung und AHV-Bezahlen beschrieben hat.

Schweizweit könnten Personen/Gruppen mit Namen Berest, Bindella, Candrian, Dieci, Höschgass, Kramer, Ly, Ospena, Pumpstation, Remimag, Segmüller, SCB-Gastro, Wiesner und noch einige mehr die Köpfe zusammenstecken und sich die gleiche Frage stellen wie vor 15 Jahren die späteren GLP-Mitglieder: Möchten wir eine Veränderung oder wollen wir in alten Denkmustern, -haltungen und Wahlprozederes stecken bleiben?

Ab einer gewissen Verbandsgrösse wird eine solche Vereinigung sicher ein Mitspracherecht beim Gestalten des L-GAV erhalten müssen. Die vielen Franken, die die Mitarbeitenden von deren Betrieben in den L-GAV-Topf einzahlen, werden diese neue Vereinigung sicher auch berechtigen, bei der Verteilung des Millionentopfs des L-GAV mitzureden. 

Je mehr Gruppen, Personen und z.B. Interessenverbände von Nachtclubs sich bei diesem neuen Verband engagieren, desto mehr könnte sich zeigen, dass es keine Kantonsverbände braucht. Unternehmen die z.T. schweizweit tätig sind, sehen primär die Herausforderungen der Branche als Big Picture. Der Kantönligeist sollte bei der Frage, ob ich ein Bier in Zürich oder Bern oder Genf trinke, keine Rolle spielen. Statt vieler Kantonsverbände reicht vielleicht ein gut zusammengewürfelter Vorstand. Die Frage, wo in unserer Branche der Schuh drückt, macht nicht vor Kantonsgrenzen halt.

Eine schlanke Verwaltung einer modern denkenden Leitung eines solchen Verbandes wird sich überlegen, ob man eigene Bürohäuser und Schulungszentren benötigt, oder ob man sich auf bewährte Players und bestehende Infrastrukturen abstützen kann.

Zählt man die Anzahl Mitarbeitenden in diesen Betrieben zusammen, so kämen einige Tausend Personen zusammen, die es zu versichern gilt. Rein altermässig wohl eher junge Personen. Für eine Versicherung sicher eine interessantes Geschäftsfeld.

In Sachen Schulungen würde zum Beispiel Michel Péclard dem veb.ch, dem grössten Verband in Sachen Rechnungslegung und Controlling, kurz erklären, weshalb die Studierenden einer Hotelfachschule gerne seinen Buchhaltungsunterricht besuchen. Der veb.ch würde sein Kursangebot mit auf unsere Branche hin zugeschneiderte Kurse erweitern. Die Themen Buchhaltung, Lohn, Sozialversicherungen, Steuern und Recht sind dort genauso Alltag, wie die Fragen zur Lohngleichheit.
Oder Brigitte Christe, heute in der SKO Schweiz. Kaderorganisation tätig, könnte mit ihrer Erfahrung aus der Hotellerie/Gastronomie, kombiniert mit ihrem Können als Andragogin, die SKO-Leadership-Kurse auf unsere Branchenbedürfnisse bezogen organisieren.

Oder, oder, oder, und und und …
Und natürlich könnte das Pauli Magazin als Online-Zeitschrift die Kommunikationsbedürfnisse vom Tag eins an abdecken. Die Zeiten, wo das Amtsblatt mit einem Glas Wasser Pflicht waren, sind vorbei. Eine für die Branche wichtige Publikation lässt sich auf dem Tablet lesen. Vielleicht auch während einem Trip in die Ferne. 

Freddy Müller und viele andere holten sich z.T. weit ennet der Schweizer Grenze Denkanstösse, die zu neuen Konzepten in der Schweiz führten. Allerdings waren sie nicht die ersten, die über den Tellerrand hinausschauten. Schon Ueli Prager holte sich die Inspiration zum Crevettencocktail, dem SilberBeefy und zu damals neuzeitlichen Arbeitsabläufen aus der Ferne. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit soll Friedrich Schiller vor über 200 Jahren gesagt haben. Hat ein Wirtefunktionär bereits einmal eine New-Orleans-mässige Beerdigung im Leichenmahlspezialisierten Sääli als Möglichkeit erwogen?

Was wäre, wenn es bei den aktuellen Entwicklungen im Verbandsgefüge irgend jemandem de Deckel lupft und Martin Bäumle gefragt würde, wie denn so eine Abspaltung erfolgreich zu bewerkstelligen sei? Gutes Essen und gute Weine gehören zu seinen Hobbies. 

 

_______________________

Der in London geborene und in Zürich aufgewachsene Sikander von Bhicknapahari Ist lic. jur., Dipl. Experte in Rechnungslegung und Controlling sowie zugelassener Revisionsexperte. Er hat als Verwaltungsrat Magazin und Verlag Salz&Pfeffer mitgeprägt und begleitet seit jeher Gastronomische Unternehmen und Unternehmer.