Die Geschichte der Automatenrestaurants beginnt mit einem technologischen Versprechen: Essen ohne Personal, rund um die Uhr, hygienisch und effizient. Was um 1900 als Symbol für Fortschritt und urbane Modernität galt, ist heute brutale Realität – eine entmenschlichte Form der Nahrungsproduktion, deren Ausmass wir erst allmählich begreifen. Die Vision von damals hat sich nicht als Traum, sondern als technokratischer Umbau unserer Esskultur entpuppt: effizient, kontrolliert, aber ohne Seele.


Bild: zVg, Circus Group

 

Die Anfänge: Berlin als Brutstätte der Selbstbedienung

1896 eröffnete Ludwig Stollwerck in Berlin das erste Automatenrestaurant Europas – ein Selbstbedienungslokal, in dem Speisen und Getränke durch Münzeinwurf aus verchromten Klappen entnommen wurden. Die Idee war nicht neu: Stollwerck hatte bereits auf der Gewerbeausstellung desselben Jahres Automaten präsentiert und mit dem US-Partner John Volkmann die Expansion in die USA vorbereitet. 1902 folgte das erste amerikanische Pendant in Philadelphia (daspaulimagazin.ch)

Diese frühen Automatenrestaurants waren Teil eines grösseren Diskurses über Technik, Arbeit und Urbanisierung. Alwin J. Cubasch analysiert in seiner Studie Zu Gast im Automaten (Waxmann Verlag, 2023) die Berliner Automatenlokale als vermeintliche Zukunftsrestaurants, die mit Semantiken der Rationalisierung und Hygiene spielten, aber letztlich an sozialen und kulinarischen Erwartungen scheiterten. Die Studie verknüpft Technikgeschichte mit Food Studies und zeigt, wie das Versprechen der Automatisierung zur gescheiterten Innovation wurde.

Aufstieg und Fall: Zwischen Faszination und Funktion

Bis 1916 existierten in Deutschland rund 50 Automatenrestaurants, in den USA waren es 1950 über 80. Doch die Euphorie flaute ab. Die Gründe: fehlende Wärme, fehlende Gastlichkeit, fehlende Flexibilität. Automaten konnten Sandwiches und Süsswaren ausgeben, aber keine dampfende Suppe oder ein frisch gebratenes Steak. Die Idee war zu unpersönlich, zu mechanisch – und kulinarisch zu limitiert.

Japan und die Renaissance der Automatenkultur

Während Europa und die USA das Konzept weitgehend aufgaben, entwickelte Japan eine eigene Automatenkultur. Die sogenannten Jihanki Shokudo sind voll ausgestattete Restaurants ohne Personal, in denen Automaten nicht nur ausgeben, sondern auch zubereiten: Ramen, Udon, Soba – heiss, frisch und effizient. Hier wird das Automatenrestaurant nicht als Ersatz, sondern als eigenständige Form verstanden, eingebettet in eine Kultur der Technikaffinität und des Platzmangels.

Febo und die niederländische Nische

Ein Sonderfall ist die niederländische Kette Febo, die aus einer Bäckerei hervorging und heute über 70 Filialen betreibt. Ihre Automaten bieten Kroketten und Hamburger – selbst produziert, heiss serviert, und erstaunlich beliebt. Febo zeigt, dass Automatenrestaurants funktionieren können, wenn sie sich auf einfache, warme Produkte konzentrieren und die urbane Snackkultur bedienen.

Gegenwart: Automatisierung als Teilkonzept

In Teilbereichen kehrte Automatisierung jüngst zurück: Burger-Roboter wie Flippy in Kalifornien oder vollautomatisierte Küchen wie bei „Creator“ in San Francisco sind keine klassischen Automatenrestaurants, sondern technisierte Küchenprozesse. Sie reagieren auf Fachkräftemangel und Effizienzdruck – und wurden sehr schnell zu einem Teil eines neuen Narrativs: Automatisierung als Lösung, nicht als Erlebnis (daspaulimagazin.ch)

Zwischen Vision und Verzicht

Automatenrestaurants waren nie nur Technik – sie waren ein Spiegel gesellschaftlicher Hoffnungen und Ängste. Ihre Geschichte ist eine Geschichte der Entzauberung: Was als Fortschritt galt, wurde als Verzicht empfunden. Heute kehrt die Idee kehrte zurück, aber fragmentiert: als Roboterarm, als Bestellterminal, als Snackautomat. Die Vision vom vollautomatischen Restaurant lebt – aber nicht als Ort der Gastlichkeit, sondern als Prozessoptimierung.

Und plötzlich ist da die Circus Group mit «KI Robotersystemen für autonome Versorgungsinfrastruktur»

Das ist keine Spielerei mehr, sondern ein technologischer Paradensprung. Die Roboter von Circus Group markieren eine neue Phase in der Geschichte der Automatenrestaurants: weg vom statischen Snackautomaten, hin zur vollautonomen, KI-gesteuerten Kücheninfrastruktur.

Was ist neu an Circus?

Circus kombiniert Robotik, KI und ein natives Betriebssystem (Circus OS) zu einem modularen, skalierbaren System für die vollautomatische Mahlzeitenproduktion. Der Roboter CA-1 kann laut Firmen-Homepage rund um die Uhr warme, nährstoffreiche Gerichte zubereiten – ohne menschliches Eingreifen. Die Einsatzorte reichen von Supermärkten (REWE), Tankstellen (HEM), Pflegeeinrichtungen bis hin zu Militärstützpunkten.

Einschätzung für die Gegenwart

Technologische Reife: Circus hat die Schwelle vom Prototyp zur Serienproduktion offensichtlich überschritten. Mit Partnern wie Celestica und Kunden wie Meta ist das System nicht mehr experimentell, sondern skalierbar.
Marktfähigkeit: Die Integration in bestehende Infrastrukturen (z. B. REWE-Märkte) zeigt, dass Circus nicht auf eigene Filialen angewiesen ist. Das macht die Expansion effizient.
Kulturelle Reibung: In der Gastronomie bedeutet Kochen mehr als Produktion. Die Entmenschlichung des Kochprozesses wird nicht überall willkommen sein – besonders nicht in kulinarisch geprägten Kulturen wie der Schweiz oder Frankreich. Aber können wir das noch verhindern? NEIN. 

Einschätzung für die nahe Zukunft

Systemgastronomie im Umbruch: Circus könnte Fast-Food-Ketten, Kantinen und Pflegeeinrichtungen revolutionieren. Die Kombination aus Hygiene, Effizienz und 24/7-Verfügbarkeit ist unschlagbar – momentan aber eher nur dort, wo Emotionalität keine Rolle spielt.
Arbeitsmarktverschiebung: Die Roboter ersetzen (noch) keine Spitzenköche, aber sehr wohl Köche, Küchenhilfen, Kantinenpersonal und Nachtdienste. Das wird den Arbeitsmarkt in der Gastronomie weiter unter Druck setzen.
Kulinarische Standardisierung: KI-gesteuerte Portionsplanung und sensorbasierte Überwachung minimieren Abfall und maximieren Effizienz – aber sie homogenisieren auch Geschmack und Erlebnis. Die Vielfalt leidet derzeit noch, wenn Algorithmen entscheiden, was gut ist und was nicht. 

Circus ist kein Automatenrestaurant im klassischen Sinn – es ist eine autonome Küchenplattform. Die Qualität liegt nicht im Retro-Charme, sondern in der industriellen Präzision. Für die Gegenwart bedeutet das: neue Standards in Effizienz und Hygiene. Für die Zukunft: eine Herausforderung für alles, was wir unter Gastlichkeit und kulinarischer Kultur verstehen.

Allerdings dürfte sich das mit der kulinarischen Blutarmut mit der Lernfähigkeit der Systeme sehr schnell ändern.

 

Nachfolgend eine Trendeinschätzung zur Zukunft automatisierter Gastronomie unter Einbezug offizieller Quellen und aktueller Branchentrends:

Automatenrestaurants & Küchenrobotik: Trendeinschätzung für die nächsten 5–15 Jahre

Die Roboterküchen von Circus und ähnliche Systeme markieren nicht nur eine technologische Innovation – sie stehen für einen Paradigmenwechsel in der Gastronomie. Mittelfristig (bis 2030) und langfristig (bis 2040) lassen sich folgende Entwicklungen absehen:

Mittelfristige Trends (bis ca. 2030)

Standardisierung & Skalierung: Automatisierte Küchen wie Circus werden in systemgastronomischen Kontexten (Tankstellen, Supermärkte, Pflegeeinrichtungen, Kantinen) zur Norm. Die Vorteile liegen in Hygiene, 24/7-Verfügbarkeit und kalkulierbarer Qualität.
Integration in bestehende Infrastrukturen: Statt eigene Filialen zu eröffnen, setzen Anbieter auf modulare Integration: Roboterküchen als Plug-in-Lösung für Retail, Hotellerie und Delivery-Konzepte.
Ghost Kitchens & Delivery-Optimierung: Die Kombination aus Robotik und digitalen Bestellplattformen beschleunigt den Trend zu Ghost Kitchens – Küchen ohne Gastraum, die rein für Online-Bestellungen produzieren.
Fachkräftemangel als Treiber: Die Automatisierung wird nicht primär durch Techniklust, sondern durch Personalmangel und Kostendruck vorangetrieben. Routineaufgaben werden delegiert, kreative Aufgaben bleiben menschlich.

Langfristige Perspektiven (2030–2040)

Kulturelle Verschiebung des Kochbegriffs: Die Definition von Kochen wandelt sich: vom handwerklichen Akt zur kuratierten Prozesssteuerung. Küchenchefs werden zu Systemdesignern, die Rezepte für Maschinen schreiben.
Algorithmische Ernährung: KI-basierte Menüplanung, Nährstoffoptimierung und personalisierte Ernährung könnten zur Norm werden – besonders in institutionalisierten Kontexten wie Spitälern, Schulen oder Seniorenheimen.
Verlust von Gastlichkeit und Sinnlichkeit: Die Automatisierung bringt Effizienz, aber gefährdet die soziale und sinnliche Dimension des Essens. Langfristig droht eine Entfremdung vom kulinarischen Erlebnis – es sei denn, neue Formate schaffen Gegenräume.
Regulatorische und ethische Fragen: Mit zunehmender Verbreitung automatisierter Systeme stellen sich Fragen zu Haftung, Lebensmittelsicherheit, Arbeitsrecht und ethischer Verantwortung. Die Gesetzgebung hinkt der Technik oft hinterher. Ganzer sicher lustig dürfte die Auseinandersetzung um den Begriff hausgemachtwerden – wenn ein KI-Kochroboter in der Küche im Haus steht, ist es ja im Haus produziert also hausgemacht.

 

Konfliktzone Küche: Wie KI-Kochroboter die Lebensmittelindustrie herausfordern

Die Einführung von KI-gesteuerten Kochrobotern wie dem Circus-System markiert nicht nur einen technologischen Wandel – sie verschiebt die tektonischen Platten der kulinarischen Wertschöpfung. Was früher in industriellen Produktionshallen geschah, könnte künftig direkt in der Restaurantküche stattfinden. Die Küche wird zur Fabrik, der Koch zum Operator, das Rezept zum Code.

Die Verlagerung: Von der Industrie zurück in die Küche

Bisher war die Convenience-Produktion – also das Vorbereiten, Portionieren und Verpacken von Lebensmitteln – fest in der Hand der Industrie. TK-Gemüse, Sous-vide-Fleisch, Fertigsaucen: alles kam aus zentralisierten Anlagen, optimiert für Haltbarkeit und Logistik.

Mit KI-Kochrobotern könnte sich das Spiel ändern

Vorproduktion wird zur Echtzeitproduktion: Statt vorgefertigte Produkte zuzukaufen, kann die Küche selbst frisch portionieren, garen und kombinieren – gesteuert durch Algorithmen, nicht durch Handarbeit.
Individualisierung statt Standardisierung: KI-Systeme können Rezepte dynamisch anpassen: weniger Salz, mehr Protein, vegan statt vegetarisch. Das ist mit industriellen Produkten kaum möglich.
Wertschöpfung am Point of Sale: Die ökonomische Leistung – also das, was Umsatz generiert – verlagert sich vom Hersteller zum Betreiber. Die Küche wird zur Produktionsstätte mit direktem Kundenkontakt.

Die Reaktion der Industrie: Gegenhalten mit Systemintegration

Die Lebensmittelindustrie könnte vor einem Dilemma stehen: Entweder sie verliert Marktanteile – oder sie entwickelt neue Produkte, die sich in KI-Küchensysteme integrieren lassen.

Mögliche Strategien

Modulare Vorprodukte für KI-Küchen: Statt fertiger Gerichte liefert die Industrie halbfertige Module: gegarte Komponenten, aromatisierte Fonds, präzise geschnittene Zutaten – optimiert für Robotik und Sensorik.
Softwarekompatible Rezeptbausteine: Hersteller entwickeln Zutaten, die sich digital steuern lassen: z. B. Garzeiten, Texturverhalten, Mischbarkeit – alles dokumentiert für KI-Systeme.
Lizenzmodelle und Datenintegration: Die Industrie könnte Rezeptdaten, Nährwertprofile und Zubereitungsalgorithmen lizenzieren – und so Teil der KI-Küche werden, ohne physisch präsent zu sein.

Der Konflikt: Küche vs. Fabrik

Was früher getrennt war – Produktion hier, Zubereitung dort – verschmilzt. Die Restaurantküche wird zur Miniaturfabrik, die Industrie verliert ihre Exklusivität. Es entsteht ein Machtkampf um die letzte Meile der Kulinarik:

Wer kontrolliert die Rezeptur?
Wer besitzt die Daten?
Wer profitiert von der Automatisierung?

Die Antwort ist offen – und wird die Zukunft der Gastronomie und Lebensmittelproduktion entscheidend prägen.

Quellen:
Alwin J. Cubasch: Zu Gast im Automaten – Automatenrestaurants als vermeintliche Zukunftsrestaurants: Waxmann Verlag, 2023 – Eine fundierte kulturwissenschaftliche Analyse der Berliner Automatenrestaurants um 1900, mit Fokus auf Technikgeschichte, Hygiene-Diskurs und gesellschaftliche Semantik.

Uwe Spiekermann: Künstliche Kost – Ernährung in Deutschland 1840–2020 : Göttingen: Wallstein Verlag, 2018 – Kontextualisiert industrielle Lebensmittelproduktion, Convenience und die Entfremdung vom Kochen.

Circus Group – Offizielle Website: circus-group.com – Informationen zu den KI-Kochrobotern, Systemarchitektur, Einsatzorten und strategischen Partnern (REWE, Meta, Celestica).

Das Pauli Magazin – Artikel von Romeo
RESTAURANTGESCHICHTE: Automatenrestaurants. Eine vergessene Welt. Ausser in Japan.
TREND: Sind automatisierte Burger-Restaurants die Zukunft der Gastronomie? Welches sind die Restaurant-Trends in den USA und welches der Schweiz? Die Sicht von Das Pauli Magazin.