Dann, wenn im Süden von der Corbière bis ins Alentejo die Reben mit dem Winterschnitt bedacht werden, Blüht der Mandelbaum, wenn er spät dran ist. Oder er ist eben verblüht, wenn er zu früh dran ist. Zur Blütezeit der Mandelbäume, also plus-minus im Februar, lohnt sich eine Wandertour der Nase nach. Mandelblütenduft der in der Wachmittel- & Seifenwerbung als «frisch und rein» angepriesen wird, hat nämlich gar nichts mit dem feinen Duft zu tun, den es sich in Echt aber zu entdecken lohnt.

Der Blütenduft

Gewonnen wird der Duft der zarten Blüte für die Massenproduktion, wenn er denn natürlich gewonnen wird, durch einen Kaltauszug über ungefähr drei Jahre in Alkohol. Der viel feinere Prozess läuft ebenfalls über einen Kaltauszug bzw. eine Mazeration allerdings auf festem Fett. Das Verfahren nennt sich Enfleurage und ist vermutlich die teuerste, aber auch einzige Möglichkeit, die flüchtigen Aromen einer feinen Blüte einzufangen. Frisch vom Baum werden die Blüten auf gewaschenes und geruchloses Schweine- oder Rinderschmalz aufgebracht und nach tagen wieder abgenommen. Dieser Prozess wird mehrmals über grösste Zeiträume aufgebracht. Witzigerweise werden die filigranen Aromen kaum in der Küche eingesetzt, was im Grunde schade ist, denn ihr Aroma ist von einer fein süsslichen Art und bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen zitronig und holzig-aromatisch.

Die Aromen landen im ersten Fall des Kaltauszuges in Alkohol in Seifen, Reinigungsmittel, Duftölen etc. und im letzten Fall in der Enfleurage in der Welt der Parfümerie. Kulinarisch finden die Blüten, wenn Sie denn Verfügbar sind, frisch als Dekorationen, als Zutat z.B. in feinen Salaten oder dann kandiert Verwendung.

Blüht der Baum viel zu früh, kann er das Pech haben, dass noch keine Bienen unterwegs sind. Ist dem nicht so, wächst nach der Blüte eine Frucht, die aussieht wie eine grüne Aprikose. Wer das denkt, liegt nicht falsch, denn es handelt sich um dieselbe Gattung: Prunus. Die Mandel ist also sozusagen eine Pflaume, die kein Fruchtfleisch ansetzt. Dafür sind ihre Kerne bzw. eben die Samen im Gegensatz zur Zwetschge und Aprikose Süss – also nur bei der Prunus dulcis, der Süssmandel. Wer in eine Prunus dulcis var. amara beisst, spuckt wortwörtlich Gift. Glücklicherweise, denn Amygdalin wandelt sich im Körper zu Blausäure um. Die «Steine», welche die Samen beherbergen, sind natürlich nicht aus Stein, sondern es handelt sich um den verholzten Innenteil.

Aber bleiben wir bei « (…) der Süssmandel, die von Gott geschaffen wurde. Der Mensch machte daraus Marzipan und hat die göttliche Schöpfung übertroffen», sagt ein Aphorismus der Autorin Waltraud Puzicha. Oder man macht aus Mandeln Amaretti. Für beide Dinge werden aber dann noch Bittermandeln benötigt. Zwei Kerne pro Tag gelten noch als unbedenklich. Für ein paar «Bittermandelmakrönli» wird’s also reichen. Wir empfehlen sicherheitshalber doch Bittermandel-Essenz. Die wurde vom Amygdalin befreit oder entbittert, wie es im Fachjargon heisst.

Apropos entbittert. Wer denkt, alle Aprikosenkerne und echten Bittermandeln dieser Welt werden entsorgt, liegt falsch. Aus diesen entbitterten Kernen und Mandeln wird eine billige Variante von Marzipan hergestellt, die darf nur nicht so heissen. Die wird dann einfach Persipan genannt.

Es heisst übrigens «nur» DAS Persipan, bei Marzipan als Neutrum wird darf nach Duden auch die maskuline Form, also DER Marzipan verwendet werden. Wir bleiben bei DEM Marzipan.

Wer sich fragt, woher der Begriff Marzipan kommt, stolpert unweigerlich über Markusbrot. Jawoll. Marcis Panis. Okay, das ist nur die eine Variante von vielen. Neben einigem anderem gäbe es noch das persische Marzãpan oder griechische Massa für Mehlbrei. Langer Rede kurzer Sinn, es ist nicht geklärt. Vermutlich steckt ein klein wenig von allem drin. In das Marzipan kommen allerdings nur Mandeln und Zucker. Wobei, auch das stimmt nicht ganz.

Marzipan – Edel oder besser M-O-O?

Durch das Zusetzen des Enzyms Invertase wird der Haushaltzucker teilweise in Frucht- und Traubenzucker bzw. zu Invertzucker aufgespalten. Die Masse wird so «stabiler» und das ist der Frischhaltung zuträglich. Geschmacklich abgerundet wird oft mit Rosenwasser. Bittermandeln dürfen bis zu zwölf Prozent zugesetzt werden. Nach dem Schälen werden die Mandeln mit dem Zucker zerrieben und anschliessend zwischen Porzellanwalzen gewalzt. In diesem Prozess darf die Masse nicht zu warm werden, da sonst Mandelöl austritt. Wenn die Masse stabil ist, wird sie über Dampf weiterverarbeitet. Das nennt sich «Abrösten». Die Masse nimmt Wasser auf und entwickelt den typischen feinen Geschmack. Wasser? Genau, das ist ein wichtiger Grundbestandteil: Die Marzipanrohmasse besteht maximal aus 35 Prozent Zucker, 17 Prozent Wasser, der Rest sind Mandeln. Der Mandelölgehalt soll mindestens 28 Prozent betragen. Gehandelt werden folgende Marzipan-Sorten:

  • M-O-O, ausgesuchte Mandeln aus Mittelmeerländern mit natürlichem Bittermandelanteil von 2 bis 3 Prozent.
  • M-O, bis zu 5 Prozent zugesetzte Bittermandeln.
  • M-1, bis 12 Prozent Bittermandeln.
  • M-F, mit Fruchtzucker.
  • MFS mit dem Feuchthaltemittel Sorbit

Die Rohmasse ist nur der Anfang einer verkehrten Welt, denn Edelmarzipan ist im heutigen Sinn im Grunde die «niederste» Qualität. Vor dem Aufkommen von Rübenzucker war Zucker sehr teuer, also war das Marzipan mit viel Zucker am begehrtesten und entsprechend teuer und damals übrigens ein medizinisches Mittel gegen Verstopfung. Heute ist das umgekehrt. Die Mandeln sind teuer und Zucker das billige Produkt, um die Masse zu strecken. 

  • Niederegger-Marzipan der gleichnamigen Firma enthält 100 Prozent Rohmasse. 
  • Gütemarzipan enthält 80 Prozent Rohmasse und maximal 20 Prozent Zucker.
  • Edelmarzipan enthält maximal 30 Prozent Zucker.
  • Gewöhnliches Marzipan enthält maximal 50 Prozent Zucker.
  • Lübecker Marzipan ist eine geschützte Herkunftsbezeichnung.
  • Das war auch Königsberger Marzipan bis zum 2. Weltkrieg. Heute bezeichnet es das Abflämmen der Oberfläche.

Marzipan selber machen

Um Marzipan herzustellen, wird eine Walzenreibmaschine benötigt. Diese zerquetscht und zerreibt die Mandeln und vermengt die Mandelmasse mit dem Zucker. Die Masse wird immer wieder durch die Walzen gelassen – durch den langsamen Lauf und die grossen Steinwalzen erhitzt sich die Masse bei der Verarbeitung nicht. Vorausgesetzt, man benötigt kleinere Mengen, geht es auch ohne Marmorwalzen. 1/3 Zucker und 2/3 geschälte Mandeln - nach Wunsch 5 Prozent Bittermandeln zufügen. Bittermandeln gibt es im Reformhaus. Bittermandeln zum Schälen in einem Sieb über kochendem Wasser dämpfen und anschliessend die Haut in einem Tuch abreiben.

Mandeln im Cutter fein zerkleinern, bis eine leicht teigige, aber noch strukturierte Masse entsteht. Nicht in einer Tour, sondern in «Schüben» cuttern, damit sich die Masse nicht erhitzt. Dann Portion um Portion in einem Steinmörser bis zur gewünschten Konsistenz zerreiben. Die Masse zusammenfügen und gut durchkneten, dabei nach Wunsch wenig Wasser oder Rosenwasser einarbeiten. Die Marzipan kann auch «abgebrannt» werden, in dem sie in einem Sieb immer wieder über kochendem Wasser kurz in den Dampf gehalten und anschliessend auf einer Kalten Marmorplatte durchgeknetet wird.

Man kann Puderzucker oder Griesszucker verwenden. Griesszucker bietet die interessante Komponente, dass er - zusammen mit den Mandeln zerkleinert - eine schöne, ganz leicht körnige Struktur hervorbringt. Der Zucker lässt sich bis auf null reduzieren. Dann ist es eine reine Mandelmasse. Die ist auch sehr fein. Und noch ein Tipp: Wer die Mandeln vor dem Verarbeiten in der Pfanne leicht trocken röstet, ohne dass sie Farbe nehmen und sie wieder auskühlen lässt, erlebt sein geschmackliches Marzipan-Wunder.

In den Backstuben wird ebenfalls Marzipanmasse verwendet, diese hat in der Regel einen höheren Mandelanteil und wird auch als Backmarzipan bezeichnet. Eine Spezielle Form hinsichtlich Backmarzipan ist das schwedische Marzipan. Sie hat einen hohen Zuckergehalt von 50 bis 75 Prozent, dafür ist der Mahlgrad eher grob und das Marzipan durch das Beimischen von Wasser und Eiweiss (Eiklar) leicht cremig.

Eigenarten und Varianten von Marzipan

Marzipan als Früchte zur Dekoration finden sich heute in jeder Backabteilung der meisten Detailhandelsgeschäfte. In der Schweiz am beliebtesten sind Rübeli (Karotten) zur Dekoration des gleichnamigen Kuchens aus dem Rüebliland (Kanton Aargau). Eine wirklich grosse Kultur an Früchtemarzipan hat einerseits Spanien mit dem  Mazapán de Toledo – eine geschützte Herkunftsbezeichnung und andererseits Portugal mit der Marzipan-Variante Doce Fino oder Doce de Marzipan. Das sind auf alle Arten geformte und farbige Figuren, Früchten und dergleichen. Die Masse von Doce Fino unterscheidet sich allerdings von dem herkömmlichen Marzipan. Vor dem Verarbeiten mit den Mandeln wird der Zucker aufgekocht. 

Eine eigene Bezeichnungsalternative haben die Franzosen – die haben auch die Gelehrtengesellschaft Académie française, die über das Französisch wacht. Es gibt wohl den Begriff Massepain, der wird allerdings wesentlich weniger benutzt als Pâte d'amandes. Die Franzosen benutzten ja auch als einziges Land die Bezeichnung der Computer nicht, es heisst l’Oridanateur.

Neben Nationalen Eigenarten gib es dann noch generelle Marzipan-Alternativen oder Imitate:

  • Persipan – Hergestellt aus entbitterten Flaumen und Pfirsichkernen.m. Wird überall dort verwendet, wo Marzipan zu teuer ist, und ohne Deklaration ersetzt werden kann, z.B. Schwedentorte. 
  • Marzipanersatz mit Kartoffeln: Gekochte und Pürierte Kartoffeln werden mit Puderzucker und Butter vermengt und allenfalls mit Mandelaroma parfümiert. Früher wurden diese Masse mit Marzipan vermengt und daraus die Marzipan-Kartoffeln hergestellt, die man heute noch sieht, aber die aus reinem Marzipan bestehen.
  • Fondant, Zuckerfandant (aus dem frz. Fondant - Schmelz): Ein Zuckermasse in Form eine gerade noch fliessende Paste, die in der Patisserie für Überzüge und Glasuren verwendet wird. 
  • Blütenpaste (auch Zuckermasse, Modelliermasse, Pestillage, Gum Paste): Im Unterschied zum Fondant eine elastische, feste Paste, die beliebig modelliert werden kann, jederzeit die Form hält. Sie ist entweder mit Puderzucker, Gelatine, Speisestärke und Wasser hergestellt oder dann auch Puderzucker Eiweiss und Gelatine. Blütenpaste wir wird vor allem für den Überzug von Torten sowie für die die Herstellung von Dekorelementen verwendet. Blütenpaste kann mit beliebig mit Aromen und Farben versetzt werden.

Beim Thema Mandeln und Bittermandeln, ist die Sphäre der Amaretti (Mehrzahl, Einzahl: Amaretto) nicht zu vermeiden.

Hierbei gibt es eine Herkunftsbezeichnung aus der Lombardei: Amaretti die Saronno und Sasselo. Hierbei handelt es sich um die zwar luftigen, aber trockenen und harten Dauerbackwaren, die allerdings wie alle Amaretti zu der Gebäckfamilie der Makronen gehören.

Makronen sind Gebäcke, die aus Zucker, Eiweiss (Eiklar) und in der Regel auf der Basis von geriebenen Mandeln hergestellt werden. Anstelle von Mandeln können allerdings auch andere Arten von Nüssen (Haselnüsse, Kokosnuss, Pistazien) oder dann Marzipanrohmasse oder Marzipanersatzmassen verwendet werden – letztere bieten eine wesentlich feinere und homogenere Basis für die Verarbeitung. In jüngster Zeit wurden in diesem Sinne die Macaron oder auch Macaron Parisien gehypt. Diese sind in der Schweiz unter der Bezeichnung Luxemburgerli bekannt, die aber wiederum eine Geschützte Marke der Zürcher Confiserie Sprüngli sind. Die Sprüngli-Spezialität soll entstanden sein, weil um die vorletzte Jahrhundertwende ein Confiserie-Lehrling aus Luxemburg unbedingt Macarons herstellen wollte, so wurden diese als «Tagespezialität Luxemburgerli» hergestellt. Die habe sich aber so gut verkauft, dass man sie weiter produzierte.

Makronen gibt es also also «hartgebackene» Dauerbackware, als Feingebäck und auch als Confiserie Produkt in allen Formen, Geschmäcker und Farben. Nachfolgend ein typisches Rezept für ein weiches, bittersüsses Amaretto.

Rezept für Amaretti

180 Gramm Mandeln und 20 Gramm Bittermandeln fein mahlen oder im Cutter zerkleinern und mit 1,5 Esslöffel Mehl gut vermischen. 2 Stück Eiweiss mit einer Prise Salz steif schlagen. Sobald das Eiweiss steif ist, den Zucker langsam dazugeben und weiter schlagen, bis die Masse schön glänzt. Das Eiweiss sorgfältig unter die Mandelmasse ziehen. In der Grösse zwischen einer Baumnuss und einer kleinen Pflaume Kugeln formen, in Puderzucker wenden und auf ein Backpapier setzen. Jetzt mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger die Kugeln ein- und andrücken und quasi ein Matterhorn formen oder leicht flach drücken. In den vorgeheizten Ofen schieben. Bei normaler Ober- und Unterhitze 150°C und bei Umluft 130°C gut 20 Minuten backen, aus dem Ofen nehmen und auskühlen lassen. Wer es deftig mag, schmilzt und kocht 200 Gramm schwarze gehackte Zartbitterschokolade mit einem Esslöfel Puderzucker in 1 dl Vollrahm auf, kalt stellen. Den Schokorahm steif schlagen. Davon etwas auf ein Amaretti geben und ein zweites darauf «kleben». Oder dann von Anfang an einen Esslöffel Schokoladenpulver zu den Mandeln geben - geht auch.

Blanc Manger

Im Gegensatz zu den Amaretti etwas verloren im Raum der Zeit ist die gute alte Blanc Manger oder zu gut Deutsch: Die Mandelsulz – ein Gelee aus gesüsster Mandelmilch bzw. in Milch gestossene Mandeln, die je nach Art mit Speisestärke und / oder Gelatine gestockt und oftmals mit geschlagener Sahne noch gehoben wird. Blanc-manger bedeutet übersetzt «weiss Speise» und es ist nicht ausgeschlossen, dass die herstellungs Art mit der aus dem Arabischen «Weissen Speise oder weisse Suppe» (isfidhabaj), die aus gekochter und zerstossener Hühnerbrust zubereitet wird, zusammenhängt. Was heute im Kontext der. klassischen französischen Küche als Süssspeise daherkommt, kann also durchaus aus einer Fleischlosem Alternative hergeleitet sein. Umgekeht bedeutete das, dass eine Mandelmilch oder eine Mandelsulz durchaus auch im salzigen, herzhaften Bereich eingesetzt werden kann. Apropos Mandelmilch als Vegane Milchalternative, diese wurde schon vor Jahrhunderten zubereitet.