10'000 vor Christus

Der biologische respektive vegetative Herkunftsort des Zuckerrohrs liegt in der pazifischen Inselwelt (Polinesien, Mikronesien, Melanesien). Die Einwohner waren seit jeher Seefahrer - Zuckerrohr - energiereich und nahezu unverderblich, war unter anderem deren wichtigster Proviant. so konnte der Zucker über Neuguinea, das Gebiet des heutigen Indonesiens und über die Philipinen nach Indien und in den Persischen Raum gelangen.

600 nach Christus

Lange Zeit war Zuckerrohr eine ortsgebundene Nutzpflanze die lokal verarbeitet und verwendet wurde. Im Laufe der Zeit entwickelte sich im persichen Raum die Methode, kristallisierten Zucker herzustellen. Ein kegelförmiger Tiegel mit einem kleinen Loch in der Spitze wurde mit dem eingekochten Zuckerrohrsaft gefüllt. Durch das kleine Loch konnte das nahezu zuckerfreie Wasser stetig abtropfen, während der Zucker fest wurde und kristallisierte. Das Ergebnis war der Zuckerhut oder Zuckerstock. Diese Produktionsmethode hatte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Bestand.

700 nach Christus

Als 711 die Araber und Berber über Gibraltar nach Spanien drangen und in einem siebenjährigen Feldzug die iberische Halbinsel einnahmen, brachten sie den Zucker mit, der sich unter ihrer Herrschaft nach und nach in Europa etablierte. Die Araber wurden nur langsam zurückgedränkt. Andalusien, also der Süden Spaniens, war bis 1492 unter muslimischer Herrschaft. Im gleichen Ausmass kam mit den Arabern der Zucker von der anderen Seite Europas. Ab 700 überrannten die Muslime Sizilien und klopften 720 an der Küste Sardiniens an.

1000 nach Christus

Mit den Kreuzrittern, die gegen die Muslime in den Krieg zogen, gelangte der Zuckerstock vollends nach Mittel- und Nordeuropa. Es war weisses Gold, an dem sich der Adel an den Höfen erfreute.

1500 nach Christus

Zeitgleich mit dem Ende der letzten muslimischen Herrschaft auf spanischem Boden entdeckte Christoph Kolumbus 1492 Amerika. Und schon auf seiner zweiten Reise, nahm er Zuckerrohr-Saatgut mit, wohlweisslich, dass sich das Klima dort hervorragend für den Zuckerrohranbau eignete. Die europäische Nachfrage nach Zucker war unglaublich gross. Das Süsse respektive weisse Gold war von da an ein Taktgeber sowohl der industriellen Entwicklung als auch der Sklaverei. 1503 wurden die ersten dunkelhäutigen Sklaven aus Afrika in die Karibik verschifft. Der Grund war einfach. Die einheimischen «Indianer» waren gegenüber den von Europäern eingeschleppten Krankeiten äusserst anfällig. Sie starben zu schnell.

Dasselbe taten in der Folge die Portugiesen, Engländer und und Franzosen. Der Zucker und die Sklaverei waren der Antrieb für die Oekonomie und Kolonialherrschaft Europas und Schliesslich auch Nordamerikas.

1600 nach Christus

Von Mittel und Südamerika aus wurden Zucker, Gold und Tabak nach Europa transportiert. In Europa wurden dieselben Schiffe mit Waffen, Schnaps und Stoffen sofort wieder beladen, an die Westafrikanische Küste verschifft und dort direkt an die afrikanische Oberklasse verkauft. Mit den Einnahmen kaufte man von derselben Afrikanischen Oberklasse Sklaven ein, verlud sie auf die Schiffe und verfrachtete diese nach Südamerika. Dort wurden die Sklaven verkauft und die Schiffe wiederum mit Zucker, Gold und Tabak beladen. Es war das vollkommene System mit unglaublichem Gewinn unter voller Ausschöpfung der Transportkapazitäten. Dieser «Güterverkehr» war und ist unter der Bezeichnung «Transantlantischer Dreieckshandel» bekannt und berüchtigt.

1700 nach Christus

Der entscheidende Antrieb für diesen menschenverachtenden Handel war derselbe wie heute immer noch: Der Preis. Die europäischen Konsumenten wollte Kolonialwaren, also Zucker, Tabak, dann auch Kaffee, Kakao und Tee, und das zum billigsten Preis. Die Arbeitskosten lagen nahezu bei null. Man liess die Sklaven durcharbeiten, gab ihnen fast keine Nahrung, liess sie sterben, denn es war billiger, neue Sklaven zu kaufen als sie gut zu ernähren. Der Zuckerpreis in Europa wurde immer billiger.

Entscheidend waren auch die Entwicklungen in den Hofküchen, dort setzte sich der weisse Zucker durch. Gegenüber dem traditionellen Süssungsmittel Honig war Zucker billiger und geschmacklich neutral.

Aus dieser Zeit stammen auch wesentliche kulinarische Entwicklungen wie Marzipan, Kandierte Früchte, Pralinées, Liköre, Limonaden und Speiseeis wie wir es heute kennen – ein Filippo Baldini schrieb und publizierte 1775 mit «De Sorbetti» das erste Glacé-Reszeptbuch über die Kunst der Speiseeiszubereitung.

Der billige Zucker in Verbindung mit der Sklaverei war nach wie vor der wirtschaftliche Motor Europas und er würde bald auch das Fundament der Industriellen Entwicklung sein.

Die Frage war nur, wie lange es dauern würde, bis Zucker innerhalb Europas noch billiger hergestellt werden kann. Es war der deutsche Chemiker Andreas Sigismund Marggraf, der 1747 den Zucker in der normalen Runkelrübe (Futterrübe oder Dickwurz) entdeckte. Es war zuwenig für eine Produktion und er ging der Sache nicht weiter nach.

1800 nach Christus

Es war Marggrafs Schüler Franz Carl Achard, der die Sache 1782 aufgriff und aus der Runkelrübe die Zuckerrübe züchtete. 1799 war er soweit. Achard war ein entschiedener Gegner der Sklaverei. Sein Gedanke war es, mit europäischem Zucker das Zuckermonopol der Kolonialmächte zu brechen und so die Sklaverei zu beenden.

König Friedrich Willhelm II erkannte das Potenzial und finanzierte Achards Bestreben, Zucker aus Rüben herzustellen. Achard kaufte ein Gutsbetreib, erntete im Spätherbst 1801 250 Tonnen Zuckerrüben die in der ersten europäischen von ihm erbauten Zuckersiederei respektive der ersten Rübenzuckerfrabrik Anfang 1802 zu weissem Zucker verarbeitet wurden.

Der vierte Koalitionskrieg, in dem Napoleon 1806 bis 1807 gegen die Preussen zog, beendete jedoch den Traum. In den Kampfhandlungen wurde das Gut und die Fabrik von Franz Carl Achard zerstört. Von der Verschuldung für den Wiederaufbau erholte sich Achard nicht. 1810 übernahm Friedrich Wilhelm III die Schulden, lies die Fabrik wiederaufbauen und als Forschungsanstalt für Rübenzucker weiter betreiben. Franz Carl Achard wurde krank und starb 1821 verarmt und vergessen.

Es brauchte noch weitere zehn Jahre, bis sich ab 1830 alle Rahmenbedingungen soweit formiert hatten, um Zucker aus Rübenzucker im Industriellen Stil so herzustellen, wie es Achard 30 Jahre zuvor schon entwickelt hatte: Extrahieren, filtrieren, zentrifugieren und zum Schluss Kristallisation mittels Verdampfung. Das war so effizient, dass das Zuckermonopol der kolonialen Rohrzuckerproduzenten sehr schnell zum Erliegen kam.

Am Rand anzumerken ist: Bereits 1800 boten die Kolonialen Zuckerfabrikanten Franz Carl Achard Unsummen, wenn er seine Forschungsergebnisse für die industrielle Produktion als ungeeignet erklären und seine weiteren Bestrebungen abbrechen würde. Er tat es nicht.

Das gab jedoch noch eine weitere wichtige dynamische Komponente, die der Produktion von europäischem Zucker aus Zuckerrüben in die Hände spielte. Es war die von Napoleon im November 1806 bis 1813 errichtete Kontinentalsperre, ein Wirtschaftskrieg mit dem Grossbritannien in die Knie gezwungen und die französische Wirtschaft gegen die transatlantische Konkurrenz geschützt werden sollte. Die Kontinentalsperre schwächte die kolonialen Zuckerproduzenten derart, dass der Boden für den Rübenzucker vorbereitet war, noch bevor dieser in grossem Massstab produziert werden konnte.

Mitte des 19 Jahrhunderts, gab es in Europa kaum mehr Zucker aus kolonialem Zuckerrohr und auch der Zuckerhut oder Zuckerstock ging immer mehr verloren.

Der Zuckerkonsum lag Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland pro Jahr und pro Kopf bei etwas 6 Kilogramm.

Fortsetzung: Die Moderne Zuckerindustrie ab Mitte Oktober 2017.

 

Quellen:

www.planet-wissen.de / www.wissen.de Daten der Weltgeschichte / «Zucker für die Welt: Die Anfänge der Sklaverei und der Fabrikgesellschaft in Amerika» Dr. Peter Martin, 2012 / www.wikipedia.ch