Die Ausbildung Koch/Köchin EFZ basiert immer noch weitgehend auf der klassischen französischen Küche. Wer sich allerdings auf den Tellern umschaut, welche die Spitzenküchen verlassen, sieht sich sehr oft mit Airs, Sous-Vide-Gegartem, Fermentiertem und mit dem Bunsenbrenner Geflämmtem konfrontiert. Und oft stellt sich einem die Frage, welche Stellung das klassische Genre im «oberen Segment» der hiesigen Küchen noch wirklich hat. Für Andreas Caminada ist das keine Frage: «Die französische Küche ist ja noch immer die Basis von Allem», sagt er. Das sei auch die Grundlage seiner Ausbildung gewesen, von der Lehre im Hotel Signina in Laax bis zu den Fachkursen in Weggis. Erst auf diesem Fundament können die heute neuen «technischen Geschichten» ausgebaut werden. Caminada kommt auch heute noch immer wieder auf diese «super Basis» zurück. Die dürfe auf keinen Fall verloren gehen, wie er meint: «So kochen wir in der Schweiz seit eh und je, und das darf man in der Ausbildung nicht einfach auf der Seite lassen, finde ich.»
Und «Übung macht den Meister», sagt eine alte Volksweisheit. Dazu gibt der 19 Punkte- und 3-Sterne-Koch Gelegenheit. Herausragende Talente individuell fördern und ihnen Rückhalt geben mit finanzieller, menschlicher und fachlicher Unterstützung. Das ist die Idee der Fundaziun Uccelin. Hierbei stellt sich allerdings für Bewerber*innen vorderhand schnell die Frage, wie Talent definiert wird. «Wir haben eine Plattform geschaffen, die grundsätzlich einmal alles und alle zulässt», sagt Caminada. «Ich habe die Fundaziun Uccelin (Uccelin aus der Rätoromanischen = Vögelchen oder Vögeli uf Schwiizerdütsch) ins Leben gerufen, um innerhalb der Gastronomie etwas abzudecken, das es so nicht gibt.» Individuelle Förderung für Talente. Um auf die Talent-Frage zurückzukommen … Das spezielle Gefühl, welches jemand für eine Sache hat plus das verstärkte Interesse daran. Dazu gehört nach Ansicht von Caminada auch die grundsätzliche Fähigkeit zur Selbstreflexion, also dass jemand weiss, wo er steht, was er kann und was nicht. Schlussendlich sei aber in Bezug auf eine Bewerbung bei der Fundaziun Uccelin das Motivationsschreiben ausschlaggebend. Hier müssen sich die Bewerber*innen nachweislich outen und sich auf die Herausforderung einlassen. Das Motivationsschreiben dürfte deshalb so wichtig sein, weil die Förderer sich auf die Motivation der zu Fördernden berufen können. Letztendlich geht es ja dabei nämlich auch um die wahrhafte Bereitschaft für Gastronomie, Fleiss und den Willen das Handwerk wirklich zu erlernen. «Da spürt man schnell, ob jemand passioniert dahinter ist», also hinter seinem eigenen Versprechen für sich selbst steht oder nicht.
Allerdings sagt Andreas Caminada auch, dass man grundsätzlich das Talent nicht so schnell beurteilen könne. Er selber wähle zukünftige Mitarbeiter zuerst einmal nach den Sympathien, dann nach deren Motivation aus. Entscheidend sei auch ganz einfach, ob jemand Anstand hat.
Ja, wenn jemand das Talent nicht hat … Grundsätzlich kann dies ja nicht so schnell be- und geurteilt werden. Erst wenn jemand im Team seinen Platz gefunden hat, angekommen ist und sich integrieren und einbringen konnte, könne beurteilt werden, wieviel Potential von wem für was vorhanden ist. Anschliessend müsse versucht werden, diese Menschen abzuholen und zu fördern. Wie es um jemanden stehe, sehe und spüre man erst dann. Da treten dann beispielsweise auch diejenigen zutage, die zuerst zurückhaltend und verschlossen waren, dann aber zeigten, dass sie bereit sind, mehr zu geben und die Erwartungen übertreffen. Es gibt dann auch solche, die zwar über viel Talent verfügen, aber nicht willig sind, die notwendige Leistung zu erbringen, die es bräuchte um weiterzukommen.
Talent oder nicht? Das Kochen, das Handwerk, können alle erlernen. Die Freude dafür, sich zu interessieren und für den Beruf Liebe und Zuneigung zu entwickeln, diesen Weg müssen alle für sich selbst finden und gehen. So gesehen, das ist klar wie Klossbrühe, kann Talent durch Fleiss erarbeitet werden, es ist eine Willensfrage.
Beim Thema Anstand und Sympathie ist es das nicht. Caminada dazu: «Wenn so ein «kleiner», hochnäsiger und unfreundlicher Typ zu mir in die Küche kommt, kommt der wahrscheinlich nicht weit.» Er selber würde vermutlich noch versuchen, so jemandem auf den richtigen Weg zu helfen, zwischen den Zeilen sagt er damit, alle haben das Anrecht auf eine zweite Chance. Allerdings, wenn das nicht klappt … «Anstand braucht es, um menschlich zu überleben», sagt er dazu, «Kochen ist ja kein Einzelsport».
Talent? Es sind sehr viele Komponenten, die zusammenlaufen oder nicht – von Bereitschaft über Anstand bis Fleiss, ein Rezept allerdings gebe es nicht.
Im Schloss Schauenstein in Fürstenau ist Andreas Caminada seit 2003 Pächter und natürlich Küchenchef sowie Taktgeber. Publizistisch betrachtet ging es mit einem Artikel in der Sonntagszeitung los. Um diesen kam auch der GaultMillau nicht herum. Um es im Konjunktiv auszurücken: Man wünschte, man hätte damals die Gelegenheit noch ergriffen. Damals hätte die Möglichkeit noch bestanden, bei Caminada einfach essen zu gehen. Abgesehen davon kostete damals das Menü zwischen 80 und 120 Franken. Seit den ersten 16 Punkten Mitte der 2000er Jahre läuft ohne Reservation gar nichts mehr. Schon gar nicht seit das Restaurant 2011 auf der Liste «The World’s 50 Best Restaurants» platziert wurde und bis zum heutigen Tag nicht mehr von dieser Liste genommen wurde.
Andreas Caminada fragt man besser nicht nach DEM Gericht, in dem sich sein Talent und Erfolg seiner Ansicht nach widerspiegelt.
«Wir sind jetzt seit 18 Jahren hier. Was wir erreicht und geschaffen haben, ist ein Gesamterlebnis.» Natürlich, es gebe beispielsweise grossartige Gerichte von früher, die heute noch aktuell wären, genauso serviert werden könnten wie damals und den Entwicklungen der gesellschaftlichen Bedürfnisse immer noch klar entsprechen würden. «Aber, das kann man nicht auf ein Gericht reduzieren, bitte nicht...». Es sei doch alles wichtig, auch alles rund ums Essen: das Besteck, der Stuhl und der Tisch.
Was er noch tun möchte, bevor er die Radieschen von unten zähle. «Viel», sagt er. Allerdings sei das ein kontinuierlich laufender Prozess, zu dem immer wieder etwas Neues hinzukomme. Spürbar am Herzen liegt ihm dabei seine Fundaziun Uccelin.
«Irgendwann habe ich gemerkt, ich brauche neuen Motivation, neue Projekte für mich, und auch für die Mitarbeitenen, damit wir dynamisch bleiben, vorausschauen können.» Diese Leaderposition rund um die 19 Punkte im GaultMillau und die 3 Sterne im Guide Michelin seien gleichsam auch eine Verantwortung. «Alle schauen auf uns und ich habe das mehrmals hinterfragt, mich gefragt, was meine Rolle, meine Verpflichtung ist. Daraus ist die Fundaziun Uccelin entstanden. Ich habe mich verpflichtet gefühlt, die Vorreiterrolle zu übernehmen und der Branche etwas zurückzugeben.»
Junge Menschen und ihr Talent auf die Dinge, deren wir alle harren, vorzubereiten, dafür ist Schloss Schauenstein ein angemessener Ort. 1824 bis 1840 war hier ein Erziehungsheim eingerichtet, dass Junge aus den italienisch- und romanischsprachigen Tälern für die Kantonsschule vorbereitete. Und später wurde es vorübergehend Treffpunkt für Künstler und Wissenschaftler.
Die «Remisa – la Tavlada», die ehemalige Kutscherwerkstatt unterhalb des Schlosses, das übrigens aus dem alten Turm der mittelalterlichen Wehranlage von Fürstenau entsprang, erhält gerade ein neues Konzept und dafür den nötigen Umbau. Ein vegetarisches Lokal soll es werden. Auch hier will Schloss Fürstenau in der Art und Weise eine Vorreiterrolle übernehmen, und auch Verantwortung. Eier werden nicht ausgeschlossen. «Eier sind hier wichtig, wir sind in einer Bergregion», sagt Andreas Caminada. «Es sind solche Projekte, die uns allen Freude machen. Der Gesellschaft, den Mitarbeitenden und mir. Und wir können unsere Position nur bestätigen, wenn wir dynamisch sind und nicht auf dem beharren, was wir bisher erreicht haben.
Andreas Caminada zum Pauli:
Der Pauli, ja, das Lehrbuch der Küche, das hatte auch ich in der Lehre. Das ist jetzt auch ein paar Jährchen her. Der Pauli ist ganz einfach die Grundlage von allem. Es ist das Lehrbuch. Und das Lehrbuch nimmt man immer wieder mit. Auch jetzt, wenn man irgendetwas Klassisches braucht, man kann immer nachschlagen, hat dann eine supergute Basis, um diese zum Beispiel weiterzuentwickeln. Eine Basis, auf der man aufbauen kann oder die man einfach so hernehmen kann, wie sie ist. Es ist die Grundlage für jeden Koch, jeden auszubildenden Koch und es wäre auch eine gute Grundlage für jede Hausfrau und jeden Hausmann.
Fundazium Uccelin
Anderea Caminada auf uccelin.com: «Es liegt mir am Herzen, ambitionierte Talente aus der Gastronomie individuell zu fördern, indem wir sie finanziell und menschlich unterstützen. Dieser Rückhalt soll ihnen den Weg dazu ebnen, Einblick in die weltweite kulinarische Vielfalt zu bekommen, damit sie die Qualität ihres wunderbaren Handwerks nachhaltig sichern können.»
Um die Qualität in der Spitzengastronomie nachhaltig gewährleisten zu können, ist es erforderlich, Talente gezielt zu fördern. Aktuell werden weltweit in diesem Bereich diverse Ausbildungen akademischer Natur angeboten. Die individuelle Förderung einzelner handwerklicher Talente bleibt aussen vor.
Hier setzt die Fundaziun Uccelin an – sie vermag diese Lücke zu schliessen. Ihr Ziel ist es namentlich, in- und ausländischen Koch- und Servicefachkräften die Möglichkeit zu bieten, sich in ihrem jeweiligen Handwerk weiter fortzubilden, damit sie als Botschafter die Qualität der schweizerischen Spitzengastronomie entweder in die Welt hinaustragen oder diese in der Schweiz repräsentieren können.
Schloss Schauenstein
Ein von Andreas Caminada geführtes historisches Schloss, welches neben dem mehrfach ausgezeichneten Restaurant auch neun einzigartig und individuell eingerichtete Zimmer anbietet.
Schloss Schauenstein
Schlossgass 77
CH-7414 Fürstenau
+ 41 81 632 10 80
kontakt@schauenstein.ch
www.schauenstein.ch