Eigentlich ist der gelernte Koch und Kaufmann Andreas Balazs vorderhand ein Jäger und Sammler. Seine letzte Trophäe: Breil Pur, der Gin aus der Surselva. «Das Einzige, was an diesem Geschäft nicht wirklich perfekt war, war der Zeitpunkt der Übernahme», sagt der Unternehmer und Inhaber der Eurodrink AG in Illnau-Effretikon.

Nach einem Produkt-, Marken- und Marktaufbau von sieben Jahren war urplötzlich Schluss. Der Gin, der von der Neuen Zürcher Zeitung bis zur Weltwoche jahrelang durch die Schweizer Presse gelobt wurde und bis 2020 in jeder renommierten Bar stand, sollte es ab Juni 2020 nicht mehr geben. Dann war zuerst einmal Ruhe und Nichts. Die Bar-Szene war baff. Ende August erreichte die Nachricht dann auch den Gin-Liebhaber Balazs. Der fackelte nicht lange, nahm Kontakt auf und kaufte die Marke. Er rettete, was noch davon übrig war, ging sofort wieder in die Produktion und zusammen mit seinem Sohn Alain an den Markt damit. Im Frühjahr 2021 scheint es so, als wäre nie etwas passiert. «Okay, der Preis war nicht unerheblich», sagt Balazs, «aber so ein Produkt mit dieser Güte durfte nicht sterben, das konnte ich nicht zulassen».

Ein Produkt mit dieser Güte? Nun ja, Gin oder der holländische Vorläufer Genever ist ja ein recht einfacher Schnaps mit einer unrühmlichen Geschichte, in der sich einst ganze Nationen niedergesoffen haben. Alleine in London gab es Mitte des 18. Jahrhunderts um die 7000 Gin-Geschäfte, wobei das oft mit Terpentin und Säure gestreckte «Gesöff» nichts mehr mit dem feinen Getränk von heute zu tun hat.

Trotzdem, was den Gin-Hype – der ja von sogenannten Trendscouts bereits wieder totgesagt wird – in dieser Ausprägung erst ermöglichte, ist die Einfachheit der Herstellung. Für einen Brandy muss man ja immerhin einen Wein herstellen, brennen und diesen dann auch noch im Fass lagern. Für Gin reicht es, Drink-Sprit von der Alkoholverwaltung einzukaufen, ein paar Botanicals vom Gemüse- und Gewürzhändler sowie Wacholder aus einem der grossen Anbaugebiete Osteuropas oder Italiens dazugeben, beim Lohnbrenner brennen, nette Flasche aussuchen, etikettieren, eine Story «tellen» und fertig. Gin kann jeder. Oder eben nicht.

Es ist ja wie so oft mit den ganz einfachen Dingen «die jeder kann.» Es braucht schon wahnsinnig viel, um eine derart gewaltige Masse an Belanglosigkeit überwinden zu können. Oft reichen nicht einmal die hohe Qualität und die Güte eines Produktes aus, um herauszustechen.

Wenn dann also ein Gin innerhalb von zwei Jahren in jedem Sortiment der angesagtesten Bars hinter den Barfachleuten steht und auch noch nachhaltig Bestand hat, steckt mehr dahinter.

Anfang der 2010er Jahre suchten zwei Aussteiger, der Wirtschaftsjurist Beat Sidler aus Basel und der Vermögensverwalter und Banker Gustav Inglin aus Zug, ein gemeinsames «Betätigungsfeld», das der ihnen gemeinsamen Liebesbeziehung zur Surselva entspricht. Gefunden haben sie die Idee eines biozertifizierten Alpen-Gins. 

Die Gin-Vollanfänger Inglin und Sidler dürften ihre Erfahrungen und Kenntnisse als Wirtschaftsjurist resp. Vermögensverwalter zu ihrem grossen Vorteil ausgeschöpft haben: Analyse und Vertiefung, Erkenntnis und Einsicht waren ihr Kerngeschäft. Das, kombiniert mit einer gehörigen Portion Interesse und Beziehung zum Ursprung – in ihrem Fall die Surselva, waren denkbar gute Voraussetzungen.

Die zwei «Unterländer» klemmten sich also hinter ihren Gin aus Brigels und verbanden die anstehenden Hypes: Hand Crafted, Brutal Lokal, Wild Food, Bio, Gin.

Irgendein anonymer Lohnbrenner? Nein, man interessierte sich für einen lokalen Brenner und fand den Lokalhelden Gion Candinas in sechster Generation. Wacholder aus italienischer Massenproduktion? Nein, man fand einen älteren Herrn - den sie als «Kräuter-Harry» bezeichneten. Dieser organisierte das Suchen von Kräutern: Alpenwachholder aus der Surselva, Alpenröschen vom Lukmanier und Schokominze aus dem Tessin. Rezept? Man fand den britischen Chemiker David Clutton, die einzige Person der Welt, die mit einem PhD in Gin aufwarten kann. (PhD philosophiae doctor). Dr. Gin, wie er sich selbst auch gerne bezeichnet, kreierte bereits zusammen mit dem ältesten Wein- und Spirituosenhändler Londons (Berry Bros. & Rudd est. 1698) und einem Team von Spirituosenspezialisten sozusagen als Projekt in 730 Tagen den besten Gin der Welt: den No.3.

Dr. Gin, das passte. Inglin und Sidler fragten bei David Clutton um Mithilfe und erhielten diese auch. Die Proben wurden nach England gesendet und Rezeptkorrekturen kamen zurück. So ging das hin und her, bis der Gin allen passte. 

Das Resultat: Inglin und Sidler konnten mit einem wunderbar feingliedrigen Bio-Local-Hand Made-Gin auf Tour durch die besten Bars der Schweiz gehen. Der Erfolg spricht Bände, das vermeintliche Ende ebenfalls - irgendetwas lief schief, doch darüber ist nichts bekannt. Viel zu sagen gibt es eh nicht. Bei dem Gin. Inglin und Sidler haben alles richtig gemacht. Balazs auch.