1905 kaufte Gennaro Fabbri in Portomaggiore nahe Bologna ein damals schon altes Lebensmittelgeschäft, das Liköre und Sirupe produzierte und verkaufte. Es war nicht die Amarena, die Fabbri zuerst bekannt machte, sondern unter anderem ein slowenischer, in Eichenfässern gelagerter «Cognac Gran Forte».
«Amarena ist eine Sauerkirsche. Zu Zeiten meiner Urgrosseltern waren die Zeiten hart, die Leute hatten nicht viel Geld. Nichts wurde verschwendet. Deshalb kochte meine Urgrossmutter diese Kirschen, um sie zu verwerten», sagt Gennaros Urenkel Dottore Nicola Fabbri.
Die recht saure und herbe Kirsche ist sehr aromatisch, hat unter anderem ein schönes Bittermandelaroma, ist allerdings auch betont bitter (Amarena - amére = bitter). Rachele, der Ehefrau von Gennaro Fabbri, gelang es die Bitternote zu entfernen, sodass das bestechende Aroma vollends zur Geltung kam. Die semikandierte Sauerkirsche wird unter anderem mit etwas Bitterorange unterstrichen.
Erst zehn Jahre später begann Gennaro die Kirschen, die seine Frau Rachele in Zuckersirup einkochte, seinen Kunden anzubieten. Amarena kam also 1915 auf den Markt. Als 2015 die 100 Jahr-Feier zu Ehren der Amarenakirsche anstand, entschloss sich der heutige Chef, Dottore Nicola Fabbri, seine Urgrossmutter Rachele zu ehren und lancierte dafür den Bar-Contest «Lady Amarena» - auch mit der Absicht, etwas für die Gleichberechtigung und die Gleichstellung der Frau zu tun.
Gerade in der Gastronomie arbeiten 54 Prozent Frauen, aber kaum eine Frau ist in den Führungsetagen. Natürlich ist man sich bei Fabbri bewusst, keine Berge versetzen zu können. Doch: «Mit Lady Amarena können wir die Frauen und die sozusagen erziehungsrelevante Thematik der Gleichstellung sichtbar machen», sagt Johannes Roiner, der Geschäftsführer der deutschsprachigen Länder für Fabbri.
«Ich habe sehr jung, im Alter von 19 Jahren, bei Fabbri angefangen. Mein erster Job war die Unterstützung des Barkeeper-Verbandes in Italien. Ich habe mich in diese glitzernde Welt verliebt. In all den Jahren habe ich nun die besten Bars auf der ganzen Welt besuchen können. Und meine Liebe für diese Branche ist stetig gewachsen. Während meiner Karriere habe ich festgestellt, dass die Zahl der Frauen als Barkeeperinnen wirklich nicht hoch ist. Und mir fiel auf, wie Frauen an den Getränken arbeiten, wie sie sie dekorieren. Ganz anders als ihre männlichen Kollegen», erzählt Nicola Fabbri. Die Erfinderin von Lady Amarena sei also seine Urgrossmutter und als Zeichen der Wertschätzung wollte er alle Frauen ins Rampenlicht stellen. «Deshalb habe ich den Lady Amarena-Wettbewerb ins Leben gerufen. Meines Wissens ist es der einzige Wettbewerb in der Welt nur für weibliche Barkeeper.»
Bis jetzt seien alle Botschafter in der Welt der Mixgetränke Männer. «Wir wollen, dass auch Frauen Botschafterinnen sind – unsere Botschafterinnen. Das unterscheidet uns von anderen. Wir wollen offener sein und das Beste aus der Kreativität und den Fähigkeiten der Frauen herausholen. Es ist nicht länger ein Männerberuf», sagt der Dottore Fabbri sichtlich stolz.
Natürlich ist auch Corona nicht am Wettbewerb Lady Amarena spurlos verbeigegangen. Der seit 2015 durchgeführte Bar-Mix-Contest wurde vorderhand als Online-Wettbewerb lanciert und anschliessend im kleinen Rahmen sozusagen Corona-konform live durchgeführt. 23 Länder nehmen am Wettbewerb bereits teil.Die Gewinnerinnen jedes Landes werden dann im Oktober 2022 am Grande Finale in Bologna teilnehmen.
Kriterien zur Bewertung der Drinks sind Aroma, Geschmack, Präsentation, Story Telling, Reproduzierbarkeit sowie Arbeitstechnik.
Am Schweizer Final vom 6. Dezember 2021 in der Barfachschule BARADOX teilgenommen haben
Eileen Chamberlain, Güterschuppen Arosa
Andrea Linzner, 4 Tiere Bar, Zürich
Noemi Marras, Widder Bar, Zürich
Gewonnen hat Noemi Marras - siehe Interview hier.
Veranstalterin des Events war die Eurodrink AG, welche die Produkte von Fabbri 1905 in der Schweiz vertreibt. Erwähnenswert ist dabei auch der Marendry, der italienische Bitter-Aperitif von Fabbri auf Amarena-Basis. Entdeckenswert.
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Die Amarena-Kirschen werden heute noch genauso zubereitet, wie es Nicola Fabbris Urgrossmutter Rachele in ihrer Küche gemacht hat. Nur die Mengen haben sich geändert. Was sich laufend ändert ist die Ernte – die Kirsche ist ein Naturprodukt, das nicht jedes Jahr gleich ist. Für die Amarena von Fabbri werden die besten Sauerkirschen der Mittelmeerländer ausgewählt.
Sie werden sieben Tage lang zusammen mit den richtigen Zutaten gekocht bzw. kandiert.
Entscheidend ist am Schluss nicht einfach nur der Geschmack, sondern vorallem die Textur der Kirsche. Sie muss an der richtigen Stelle knackig sein.
Amarena vs. rote Kirsche: Die Cocktail- bzw. Maraschino-Kirsche war einst, wie die Amarena, ein Naturprodukt. Die ursprünglich aus Dalmatien stammende Sauerkirsche Maraska wurde in der Gegend um die kroatische Stadt Zadar in Salzwasser gewaschen und im aus Maraska-Kirschen hergestellten Likör Maraschino eingelegt.
Doch das Produkt verkam mit der industriellen Produktion zur chemischen Grausamkeit an einer kulinairschen Tradition, deren abschliessendes Ergebnis der heutige geltenden technische Begriff ist: Die Belegkirsche – eine fürchterliche Kreuzung aus Zombie und Frankensteins Monster, ein rotes Ding, das sich kein vernünftiger Mensch in den Mund steckt.
Hier wird verständlich, weshalb es für Fabbri eine Herzensangelegenheit ist, die Barkeeper der Welt zu überzeugen, von der Cocktailkirsche auf die Amarena-Kirsche umzusteigen. Diesem Unterfangen stimmt auch die Redaktion vollumfänglich zu.