Der Sbrinz ist kaum verformbar, leicht bis mittelbrüchig. Oft ist eine feinkörnige, bisweilen kristalline Struktur wahrnehmbar. Die Optik hat oft den Anschein von Elfenbeinfarben. Und von Auge beurteilt hat der Sbrinz eine eher glatte Struktur. Im Aroma ist er fruchtig und gleichzeitig auch herb-würzig mit feinen Röstaromen, die ganz fein an gerösteten und glacierten Chicorée erinnert.

Der Parmesan ist sowohl im Auge als auch im Gaumen feinkrümelig, trocken, oftmals aber noch immer ein klein wenig teigig. Im Aroma ist er im Gegensatz zum Sbrinz eher «nussiger» und er hat dieses «leicht Ranzige», das von Buttersäurenverbindungen herrührt. 

Beide Käse haben einen sehr hohen natürlichen Gehalt von über einem Gramm Glutamat auf 100 Gramm Käse. Deshalb haben beide Käse, was das «Würzen mit Käse» betrifft, einen hohen Umami-Faktor. Ein Tipp für Köche: Der Sbrinz ist genau unter der Rinde derart verhärtet, dass sich diese etwa drei Millimeter dicke Schicht oftmals kaum essen lässt. Lassen Sie das Stück trocknen und zerstossen Sie es zu einem Pulver. Das war der Geschmacksverstärker der Köche vor über hundert Jahren. Das führt am Rande erwähnt auch oft zu Missverständnissen bei der Interpretation von alten Rezepten, wenn aus «assaissoner avec un peu de fromage» «ajouter un peu de fromage» wird.

Die Schweizer haben oft ein komisches Verhältnis zu ihrem Käse. Der Freiburger Vacherin beispielsweise ist meiner bescheidenen Meinung nach einer der am meisten unterschätzten Käse, der zu oft als Bindemasse für Fondue missbraucht wird. Gerade noch zwei Prozent aller Freibuger Vacherin werden aus Rohmilch gekäst, in Holzrinde und Gaze eingepackt, rund ein halbes Jahr gereift, bis sich die Oberseite «Kräuselt». Solch ein Vacherin Frisé kostet auch in Pariser Fachgeschäften 50 Franken pro Kilo aufwärts. Der weiche und cremige Teig, das fruchtige Aroma, das von einer wunderbaren Säure und einer leichten Bitterkeit unterstrichen wird, ist einmalig. Die wissen was gut ist, die Franzosen.

Dasselbe mit dem Sbrinzo in den Käseauslagen norditalienischer Metropolen. Dort ist der Sbrinz meist fein säuberlich nach Jahren assortiert anzutreffen, und das geht hoch bis zu vier oder fünfjährigem Sbrinz. Die wissen, was gut ist, die Italiener. Schweizer greifen meist beim in den Aktionsauslagen zu Bergen aufgeschütteten Parmesan zu. 

Ich bin ein Schweizer und versteh das nicht. Als gebürtiger Baselbieter kommt mir in meine Mehlsuppe ausschliesslich der grosse Bruder des Freiburger Vacherins, der Greyerzer, Schweizer natürlich, keine Franzosenkopie, und wenn ich eine Busecca koche, die Nationalsuppe der Schweiz oder Italiens, auf welcher Seite der Grenze man eben steht, dann kommt da für mich nur ein Sbrinz in Frage - und nicht zu fein, sondern grob gerieben, oder gehobelt und zerbrochen. Der Sbrinz ist sozusagen der Priester für die Heirat von Kutteln und tomatiertem Gemüse. Okay, einen Tessiner Alpkäse passt ebenfalls hervorragend. Wie dem auch sei, in meiner historischen Aufarbeitung «Die Suppen der klassischen französischen Küche» kamen nur Schweizer Käse Frage. Es war übrigens Auguste Escoffier, der in seinem Guide Culinaire von 1903 die Schweizer Käse lobte.

Aber ja doch, wenn ein Spitzenkoch wie Antonio Colaianni im Ristorante Ornellaia von Bindella mit Parmesan arbeitet, ist das doch nichts anderes als passend.

Da wäre man dann also bei der Frage, welcher Käse der bessere sei. Der Tessiner Kassensturz «Patti-Chiari» hat sich dem Thema angenommen und Sbrinz mit dem Parmesan bezüglich Transparenz, Qualität, Tierwohl und Preise verglichen. Unmittelbar vor der Sendung ergab die Umfrage einen Beliebtheitswert von 37.8 Prozent für den Sbrinz. Nach der Sendung waren dann 58.3 Prozent für den Sbrinz. 

Das gute an dieser Patti-Chiari-Sbrinz-Ausgabe vom Tessiner Fernsehen RSI ist nicht die gestiegene Prozentzahl, der wirkliche Wert liegt darin, dass sich in der Öffentlichkeit wieder ein kleines Stück mehr Bewusstsein und damit Wertschätzung für die heimischen Produkte und ihre Geschichte manifestierte. 

Geschichte? Schriftlich erwähnt wurde der Sbrinz ein erstes Mal als «Brientzer Käs» im Berner Staatsarchiv zwar «erst» 1530. Doch produziert wurde der wohl lange vorher. Die Entwicklung des alten Namens Spalenkäse geht auf die Säumer zurück, welche die Käselaibe in Fässern verpackt auf Pferderücken transportierten. Spalen kommt von Terminus Spalon, lat. Palus also Palisade, etwas, das mit Holzpfählen oder Brettern eingehagt ist. Der Käse aus der Innerschweiz wurde zuerst über den Brünig-Pass gebracht und in Brienz gesammelt, auf der Route über den Grimsel nach Domodossola gebracht wurde. Wurde also möglicherweise der Spalen-Käse zum «Prienser-Käs» der zu den «Jtaliänern» gebracht wurden?

Nun ja, der Parmesan war mit der Bezeichnung und der Erwähnung etwas früher dran, Giovanni Boccaccio erdichtete für seine Novellensammlung Decamarone, die um 1350 herauskam, einen Berg von geriebenem Parmesankäse, auf dem Menschen standen, die Makkaroni und Ravioli zubereiteten.

Und wer hat es jetzt erfunden? Zu dieser Frage eine Buchempfehlung: The Oxford Companion to Chees ISBN-13: ‎ 978-0199330881. Auf 888 Seiten haben 325 Autoren aus 35 Ländern zu Entstehung, Geschichte, Kultur, Wissenschaft und Herstellung von Käse alles zusammengetragen, was möglich war. In der Jungsteinzeit vor etwa 8000 Jahren in Kleinasien könnte es Menschen ein erstes Mal gelungen sein, Eiweiss mit Säure auszufällen. Das mit dem Lab kam dann ein paar tausend Jahre später. Aber so richtig genau weiss es keiner. Das dürfte auch für Sbrinz und Parmesan gelten.

Sicher ist aber: Sbrinz ist eine Spezialität aus Molkereimanufakturen. 25 Käsereien, 8 davon in Alpbetrieben, stellten 2021 aus Rohmilch insgesamt 1630 Tonnen von dem blinden (ohne Löcher), vollfetten Extrahartkäse her, der mindestens 18 Monate reifen muss, aber eigentlich erst ab 22 Monaten sein Aroma so richtig entfaltet.

Ganz anders geht es in der Heimat des Parmesans, in den Provinzen Parma, Reggio Emilia, Modena und Bologna zu und her – man könnte sagen im Ruhrpott der weissen Kohle der flächenmässig so gross ist wie die Innerschweiz, Graubünden und Tessin zusammen. Hier liefern pro Jahr über 2’800 Milchbetriebe die Milch an über 330 industrielle Molkereien, die 167'000 Tonnen Parmesankäse oder 3.7 Millionen Laibe produzieren.

Soll sich also die grosse Masse vom Aktionsparmesan aufreiben lassen. Dann bleibt mehr vom raren, guten alten Sbrinz für unsereins übrig, das den auch zu schätzen weiss.