An einem sonnigen, aber windigen Herbsttag, steht sie auf der flachen Wiese mit vielen jungen Nussbäumen, die an ihren Bio-Hof an der Via da l'Alt 22 grenzt, und begutachtet das Gedeihen der insgesamt 200 Walnussbäume (an drei Standorten). Heidi Costa-Frauchiger, 59 Jahre alt, bodenständig, kritischer Typ mit grau melierten Haaren, blauem Hemd und einer starken Stimme mit Berner Dialekt, erzählt gerne von sich. Das halbe Leben verbrachte die Deutschschweizerin aus Aarwangen BE im italienischsprachigen Dorf Prada bei Poschiavo in Südbünden – auf rund 1'000 Meter. Diese Sprache kann sie – auch das Pus'ciavin – den Puschlaver Dialekt. Sie mag die Offenheit der Menschen, den Freiraum und die sogenannte Italianità (bis zum Grenzdorf Campocologno GR und in die italienische Stadt Tirano sind es nicht mal 15 Kilometer). Dem folgenden Puschlaver Motto kann auch Costa zustimmen: «S'oggi seren non è, diman seren sarà, se non sarà seren, si rasserenerà»? Was etwa bedeutet: «Ist's heut nicht klar, wird's morgen klar, ist's dann nicht klar, wird's sich schon klären.» 

Von Aarwangen nach Poschiavo

Adelheid «Heidi» Frauchiger wurde am 2. November 1962 in Langenthal geboren und ist in Aarwangen BE aufgewachsen. Zur Scholle hatte sie keinen besonderen Bezug. Ihre Mutter war Säuglingsschwester, ihr Vater Lokomotivführer. Die Bernerin machte 1979 eine Ausbildung zur Hauswirtschaftlichen Angestellten. Bereits mit 16 arbeitete sie in einem Altersheim. In Chur erlangte sie 2017 das Diplom als Fachfrau Gesundheit EFZ. Menschen und Pflege interessieren sie. 

Doch wie kam die Unterländerin ins italienischsprachige Bündner Südtal? «Ich wollte Italienisch lernen und fand 1981 durch eine Bekannte in Poschiavo eine Stelle als Babysitter. Auf einem Frühlingsball lernte ich im gleichen Jahr Caryl Costa kennen und wir heirateten einige Monate später», erzählt sie. Sie zogen nach Prada mit rund 300 EinwohnerInnen. Caryl, Jahrgang 1960, mit englischem Vornamen, den seine Bündner Mutter in einem englischen Roman entdeckte, war früher Maurer, Zollbeamter und vor allem Landwirt. Im Puschlav kamen auch ihre vier erwachsenen Kinder zur Welt.

Grauvieh und Kamerunschafe

Der Hof oberhalb des Dorfes – den schon ihre Schwiegereltern bewirtschafteten, umfasst 14 Hektaren, vor allem Weideland und ein kleiner Weinberg. Der Landwirtschaftsbetrieb hat sich auf die Haltung von Grauvieh (26 Kühe und Rinder) spezialisiert. Zudem besitzen sie auch 22 widerstandsfähige «Kamerunschafe»(Westafrikanisches Zwergschaf), die Costas im Engadin kauften.

Die Bäuerin kümmert sich gerne um Pflanzen, Tiere und Menschen. Sie schwärmt von ihren wilden Aprikosen und den Walnüssen ums Bauernhaus: «Ich mag den Duft von Aprikosen und liebe seit meiner Kindheit frische Nüsse.» Hinter ihrem Hof ragt der 2'862 Meter hohe Sassalbo, der «Hausberg» von Poschiavo in den Himmel. Auf dem Gipfel war sie noch nie.

Seit Jahren gehört Heidi Costa der Trachtentanzgruppe «Nuovo gruppo folkloristico de Poschiavo» an. Zu ihren Hobbys gehören kochen, schwimmen, Phytotherapie und Homöopathie (für die Tiere auf ihrem Hof). 

Ab 2009 war sie sechs Jahre im Vorstand des Bündner Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes (BBLV) im Ressort Familienhelferinnendienst tätig. Er zählt heute 31 Sektionen mit rund 1200 Mitglieder. Warum? «Ich repräsentierte und vertrete mit Freude meine Landwirtschaftsregion, die in der Vielfalt des mehrsprachigen Kantons Graubünden gerne in Vergessenheit gerät.»

Freude an der Nuss

2014 trafen sich Ralf Hug (Agronom, Plantahof), Johannes Janggen (Landwirt, Malans), Jasmine Said Bucher (alpinavera, Chur) und Heidi Costa im Bildungszentrum «Plantahof» in Landquart GR zum Thema Baumnüsse und die Bündner Nusstorte und gründeten einen entsprechenden Verein. «Damals interessierte sich hier kaum jemand für die einheimische Walnuss», erinnert sich Costa. 2018 gründete man die Genossenschaft «Swiss Nuss – Schweizer Baumnuss» mit Walnuss-Kompetenzzentrum in Malans GR in der Bündner Herrschaft. Costa: «Jasmine Said Bucher von der IG ‹alpinavera› wollte endlich Nüsse aus der Region für die Bündner Nusstorte, deshalb unterstützt sie das Projekt bis heute.» Alpinvera ist eine Marketing- und Kommunikationsplattform für zertifizierte Regionalprodukte aus Graubünden, Uri, Glarus und Tessin mit dem Ziel, Absatzmärkte und Verkaufskanäle für Partner aus der Land- und Ernährungswirtschaft zu erschliessen. Aber auch die Schweizer Berghilfe oder die Kantone Graubünden, Luzern und St. Gallen unterstütz(t)en die Genossenschaft.

Aufschrei wegen 200 Nussbäumen…

Weshalb Costas grosses Engagement für die Nuss? «Ich hatte genug von reiner Vieh-, Milch- und Fleischwirtschaft, wo es doch auch Bio-Kräuteranbau in Le Prese und Cantone gibt. Zudem benötigt unsere Genossenschaft zum Erfolg auch Betriebe, die Nüsse anbauen. Ich bin keine Vegetarierin, aber es muss Alternativen geben», sagt Heidi Costa. Deshalb kaufte sie und ihr Mann vor sechs Jahren 200 Walnussbäume der Sorten Mars, Franquette und einige andere. «Anfänglich», so Costa, «gab es einen Aufschrei und viel Gesprächsstoff hier, weil man nicht verstand, dass wir auf flachen Wiesen Bäume pflanzten, statt sie für Weideland, Heu und anderes zu nutzen.» Heute würden Nussbäume im Puschlav insgesamt wieder mehr geschätzt – nicht nur als «Blitzableiter» am Haus. «Sie sind auf den Geschmack gekommen und geben ihre privaten Baumnüsse nicht mehr her», sagt Heidi Costa. In Brusio GR haben drei Landwirte und die Gemeinde über 300 weitere  Walnussbäume gepflanzt. Costas Nussernte und -ertrag ist in diesem Jahr noch klein. Ihre Bio-Nüsse kann sie an Bäckereien in Chur und im Val Müstair verkaufen. 

Ihren Weg gefunden

Heidi Costa hat ihren Weg gefunden. Neben ihrer Tätigkeit als Bäuerin arbeitet sie im Oberengadin mit dementen Menschen, die ihre Persönlichkeit langsam verlieren. Zweieinhalb Tage pro Woche ist die Fachfrau Gesundheit im Pflegeheim «Promulins» in Samedan tätig. Was ist wichtig im Leben, wenn man nicht mehr auf die Zukunft, sondern auf die Vergangenheit blickt? Hat das alles einen Sinn? Ist das Leben wertvoller als alles Geld der Welt? Heidi Costa-Frauchiger: «Das finde ich schon, wenn man dort arbeitet.»

 

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Genossenschaft und Kompetenzzentrum «Schweizer Baumnuss – Swiss Nuss»
«Schmackhaft und sehr gesund»

«Schweizer Baumnuss – Swiss Nuss» ist eine 2018 gegründete Genossenschaft mit Walnuss-Kompetenzzentrum von Bauern und Bäuerinnen aus den Kantonen Graubünden, St. Gallen und Luzern in Malans GR. Präsidiert wird sie von Johannes Janggen, Landwirt in der Bündner Herrschaft. «Wir produzieren, knacken und sortieren feine Schweizer Baumnüsse, heuer rund 20 Tonnen. Abnehmer unserer geknackten Baumnüsse sind Bäckereien und weitere Lebensmittelverarbeiter. Der Nussbruch wird beispielsweise für die Bündner Nusstorte, regionale Joghurts und Glacés veredelt. Unsere in der Schweiz einzigartige Knackanlage in Malans, sowie moderne optische Sortierung garantieren die hohe Qualität unserer Produkte», sagt Janggen. Auch in Brusio im Puschlav werden die Nüsse gewaschen und getrocknet, Nüsse seien im Bündner Südtal eine Alternative zur Milch- und Fleischwirtschaft. Heidi Costa: «Baumnüsse sind nicht nur schmackhaft, sondern auch sehr gesund.» (uok)

Information: Genossenschaft «Schweizer Baumnuss – Swiss Nuss», Walnuss-Kompetenzzentrum, Geschäftsstelle, Neuberg 2, CH-7208 Malans GR, Telefon +41 77 509 25 44, info@swissnuss.ch, www.swissnuss.ch