Als sich die Europäer der Bronzezeit vor ein paar tausend Jahren ein Pfeifchen anzündeten, verwendeten sie dafür die getrockneten Blätter des Echten Alants. Dieser Korbblütler ist am Rande erwähnt mit Sonnenblume, Schwarzwurzel, Kamille, Kopfsalat, Ringelblume &Co. direkt verwandt. Jedenfalls würzten sie diesen Urtabak mit Kräutern wie wildem Majoran und Lavendel. 
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Was den Sorten-Ursprung des Tabaks angeht, kann mit Sicherheit gesagt werden, dass die heutigen Tabak-Varietäten ganz sicher nichts mit dem Echten Alant zu tun haben. Was den Ursprung der Tabaksorten für Zigarren angeht, ist einiges klar und vieles nicht.

Von den über 70 Tabakarten könnten der Nicotiana sylvestris (Wald-Tabak) und die Nicotiana Tomentosiformis (Filziger-Tabak) aus dem Raum Mittelamerikas und nördlichen Südamerikas als UrUrgrosseltern des Kulturtabaks Nicotiana Tabacum (Virginischer Tabak) geltend gemacht werden  Der virginische Tabak wiederum dürfte den meisten Tabaken für Zigarren zugrunde liegen. Das ist eine bewusste Intonation des Konjunktives, denn es gibt ja noch den Nicotiana Rustica (Bauern-Tabak) der überwiegend in Südamerika heimisch zu sein scheint und vor allem den kräftigen, würzigen und Handfesten brasilianischen Tabaken zugrunde liegen dürfte. So sicher, wie die Herkunft des Tabaks meist dargestellt wird, ist diese beileibe nicht.

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Wer an einer Genomweiten Analyse von Nicotiana sylvestries und Nicotiana Tomentosiformis freude hat, kommt unter folgendem Link auf seine Kosten: Reference genomes and transcriptomes of Nicotiana sylvestris and Nicotiana tomentosiformis (BMC)
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Sicher ist, das kreuz und quer durch die Tabakwelt geschleifte Pseudosynonym Tabaco Habanensis, das sozusagen Kubas Status Quo als alleiniger Ursprungsort des Zigarren-Tabaks suggerieren soll, ist natürlich Nonsens bzw. blanke Marketingstrategie. Allerdings, ja, auf Kuba waren die Bestrebungen Anfang des 20. Jahrhunderts, den Tabak durch Züchtungen weiter zu entwickeln und zu verbessern, besonders gross. Davon zeugt das Saatgut als Kubas Erbe, insbesondere für den Tabakanbau des amerikanischen Kontinents.

Dieser Umstand zeichnet sich auch deutlich in der untenstehenden Liste von Begriffen und deren Erklärungen ab. Viele Tabak-Abkömmlinge sind Kubanischen Ursprungs. Was allerdings auch klar ist, Kuba hat die Führung in Bezug auf Entwicklung längst verloren – paradoxerweise wohl durch die eigene Vormachtstellung. Die Tabak und Cigarren produzierenden Länder rund um Kuba waren gezwungen, ihre Produkte laufend zu entwickeln um den Habanos auf dem Weltmarkt stand halten zu können. Hinzu kam der förderliche Umstand der Exilkubaner, die Ihr ganzen Wissen in die Lateinamerikanische Welt hinaustrugen und weiterhin Zigarren produzieren wollten. Es ist sozusagen die Geschichte der dynamischen Entwicklung Lateinamerikas versus fatalistischer Glaube, an eine naturgegebene Vorbestimmung des Schicksals Kubas (Mit naturgegeben gemeint ist das idealde Zusammenspiel  von Bodenzusammensetzung, Klima und Saatgut.)

Die Abkürzungen und Begriffe zu den Cigarrentabaken sind dabei oft ein klares Abbild dieser meist aus kubanischem Saatgut abstammenden Tabaken.

Kuba
Habano Seed - Gemeint ist damit die «alte» bzw. «originale» Tabaksorte Kubas, die auch als Criollo oder selten als kubanischer Schwarztabak bzw. Tabacco Negro Cubanobezeichnet wird. Da der Begriff Havana (auch Havanna) sowie Cuba bzw. Kuba weitgehend geschützte Herkunftsbezeichnungen sind, ist die Bezeichnung hierbei heikel. Zuletzt wurde 2018 in einem Entscheid des Landesgerichts München bestimmt, dass unter anderem schon der Begriff «Piloto Cubano» für Zigarren, die nicht aus Kuba stammen, unzulässig ist. Deshalb wird bis dato mit der Bezeichnung «Piloto» und «Habano Seed» angezeigt, dass es sich um Tabak handelt, der aus dem Saatgut der traditionellen kubanischen Tabaksorte gezogen, angebaut und verarbeitet wurde.

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Corojo ist eine alte Tabakpflanze, die wohl in den 1940er Jahren von einem kubanischen Tabakfarmer namens Diego Rodriguez für die Deckblattproduktion gezüchtet wurde. Sein Sohn Daniel Maria Rodriguez entwickelte die Sorte weiter. Die Familie verliess mit der kubanischen Revolution das Land. Das Saatgut nahmen sie mit. So verbreitete sich die Tabaksorte ausserhalb Kubas und überlebte in ihrer Reinkultur z.B. in einigen Regionen Honduras. Heute wird der offenbar zwischenzeitlich selten gewordene original Corojo-Tabak, neben weiteren Corojo-Weiterzüchtungen, in Ecuador für die Deckblattproduktion angebaut. Dem Corojo eigen ist die pfeffrige Note und das Aroma nach nassem Leder.
HVA
HVA von Habana Vuelta Arriba, eine Tabaksorte für vorwiegend dunkle Tabake, insbesondere auch Maduro-Deckblätter aus dem gleichnamigen Tal Kubas.
Habano 2000
Habano 2000 ist eine Kreuzung aus der Sorte Corojo und einem unbekannten und nichtkommerziellen dunklen Tabak. Letzterer ist zwar markttechnisch nicht relevant, brachte aber für die Kreuzung die Eigenschaft mit, gegen allgemeint und insbesondere gegen Grauschimmel resistenz zu sein. Diese Eigenschaft ist auf die Tabakpflanze Habano 2000 übergegangen.
San Vincente - siehe Dominikansiche Republik
Cubra - siehe Brasilien

Brasilien
Brasilianischer Tabak hat eine Jahrhunderte alte Kultur mit eigenen Tabaksorten, die für ihre besondere Würzigkeit bekannt sind. Dabei stechen zwei Regionen heraus: In Recòncavo sind die ausgeprägt starkwürzigen doch eher nikotinarmen Tabake zuhause. Hier werden die ganzen Tabakpflanzen zum Trocknen aufgehängt. Durch die andauernde Saftzirkulation auch während des Trocknungsprozesses werden Aromen entwickelt und Nikotin abgebaut. Erst nach dem Trocknen und vor der Fermentation werden die Blätter abgenommen. Aus der Region Arapiraca kommen die milderen Tabakvarietäten. Beide Gebiete liegen im Nordosten Brasiliens. Das Bewusstsein um die Güte der Brasil-Tabake ging mit der Massenfabrikation von Stumpen und Trockenwaren, Medium- und Shortfillern etwas verloren und wurde erst in den letzten Jahren für die feinen Puros wiederentdeckt.
Cubra (= Cuba + Brasil) ist eine Kreuzung von «Habano Seed» und der traditionellen Tabakpflanze aus Brasilien. Es ist eine gelungene Kreuzung, welche die eher erdig-süsslichen kubanischen Tabake mit der aussergewöhnlichen Würze brasilianischer Tabake verbindet.

Honduras
Copaneco
 nennt sich die einheimische Tabaksorte von Honduras.

Mexico
San Andres bezeichnet sowohl die Herkunft bzw. den Anbauort des gleichnamigen mexikanischen Gebietes San Andres Tuxtla im Bundesstaat Veracruz als auch die alte einheimische Sorte.
In Bezug auf Mexico gilt es, auch folgendes anzumerken: Oft wird Kuba gleichgesetzt als «Ur-Herkunfts- und Heimatland» von Tabak und Zigarren. Im Sozialanthropologischen Kontext gilt es als erwiesen,  dass für die Maya Tabak schon seit Tausenden von Jahren sowohl im Okkultistischen Sinne als auch in ihrer Gesundheitslehre eine grosse Rolle Spielte.

Dominikanische Repbublik
Olor Dominicano
 ist die originale Tabaksorte der Dominikanischen Republik.
San Vincente ist eine Kreuzung zwischen Habano Seed bzw. Piloto Cubano und Olor Dominicano.
Monte Plata ist ein Tabakanbaugebiet bzw. Verwaltungsgebiet in der Region Higuamo der Dominikanischen Republik. 
Yamasa liegt ebenfalls in der Region Higuamo und ist zwar ein jüngeres aber mittlerweile schon fast legendäres Anbaugebiet. Die Familie Kelner hat den Tabak speziell für diese Regionen gezüchtet. Lange Zeit galt für das Sumpfland Yamasa, es könne kein Tabak angebaut werden. Heute liefert die Familie Kelner mit ihren eigenen Züchtungen herausragende Tabake inklusive Deckblätter, die schon jetzt legendären Zigarren den Namen aber vor allem einen eigenständigen Charakter verleihen.
Andullo - siehe unter Peru.

Nicaragu
Die Kombination, der vom Pazifik beeinflussten, klimatischen Verhältnissen rund um die Hauptanbaugebiete in Esteli mit deren Böden, die von Vulkanstein geprägt ist, ermöglicht ganz spezielle und eigenständige, kräftige Tabake. Mit den Exil-Kubanern, die sich in dieser Gegend niederliessen, haben sich auch die Abkömmlinge kubanischen Saatgutes durchgesetzt. Mit der nicaraguanischen Revolution, der anschliessenden Sandinistischen Zeit, und vor allem dem von den USA angezettelten und finanzierten Contra-Krieg, kam der Tabakanbau in diesem wunderbaren Land unter die Räder (Apropos: Wer sich über einen Tatsachenroman aus der Sandinistischen Zeit in die Leiden des Landes hineinversetzten möchte, dem sei «Die Erde dreht sich zärtlich, Companero» empfohlen). Hier noch eine Episode zu nicaraguanischem Tabak: Nicht zuletzt war es der Patron und Schweizer Stumpen-Fabrikant Christian Burger (der sich Zeit seines Lebens von der Öffentlichkeit fernhielt und sich nie zu einem Interview bereit erklärte) von Burger Söhne, der Evelio Oviedo, besser bekannt als Jipio, Ende der 1990er anheuerte, um eine ganz neue Cigarre zu lancieren. Jipio rollte in Kuba einst die Montecristo Nr. 1, bevor er flüchtete und der Legende nach in New York einen Waschsalon eröffnete. Jipio ist einer, der neben Alejandro Robaina (Kuba) und Hendrik Kelner (Dominikanische Republik) zu den grossen Tabak-Giganten zählt und vor allem die ursprüngliche Produktionsweise beherrschte, welche ohne Pressstock auskam. Christian Burger und Jipio entwickelten gegen Ende der 1990er Jahre (aus der Erinnerung des Autors heraus) die Artist Line - eine reine nicaraguanische Cigarre nach alter Art: HBPR – Hand bunched pressed rolled.

Peru
Peruanischer Tabak profitiert von dem an den Anden stehenden Hochnebel der von Mai bis Oktober ganze Gegenden dauerhaft einhüllen kann. Es ist wie ein natürlicher Schatten, unter dem die Pflanzen in mildem und gleichmässigem Klima gedeihen. Die Tabake sind daher eher mild und weich mit einer angenehmen Schwarzteenote. Auch Peru hat sowohl eine eigene Tabaksorte als auch eine eigene alte Tabakkultur, dies analog zur alten Art, Tabak zu fermentieren in der Dominikanischen Republik. Die Blätter werden extrem satt zu langen Stangen gerollt, die ein klein wenig aussehen wie Bambusstangen. Unter diesem Druck «macht» der Tabak eine langsame kontinuierliche Fermentation. 
In Peru wird dieser Tabak Mapacho genannt, in der Pfeife geraucht und für spirituelle Rituale genutzt. In der Dominikanische Republik produziert die Tabakfabrik La Aurora  auf diesselbe Art so den dort heimischen, sehr kräftigen Andullo, um damit Zigarren eine spezielle Note zu geben.

Ecuador
Mit den an den Anden anstehenden, natürlichen Hochnebelfeldern hat Ecuador ebenfallsein natürliches Beschattungssystem für den Tabakanbau und in den letzten zwei Jahrzehnten hat sich das Land zum Deckblattproduzenten Nr. 1 entwickelt. 

USA, Connecticut, Broadleaf
Apropos Deckblatt und Beschattung –es waren offenbar die Tabakfarmer und Zigarrenproduzenten Connecticuts, welche Ende des 18., Anfangs des 19. Jahrhunderts als erste anfingen, ihre Deckblattplantagen mit Stoffbahnen abzudecken. Dies nicht primär einfach als Schattenspender wie heute üblich, sondern um vorderhand im trockenen Klima unter der nördlichen Sommersonne Feuchtigkeit zurückzuhalten, um ein tropisches Milieu mit Regenwaldnebel zu schaffen, in dem die Tabakpflanzen aus Saatgut von Sumatra gedeihen konnten. Das Resultat ist allseits bekannt – mitunter die besten Deckblätter. Bedauerlicherweise haben Klimaveränderung und verschärfte Restriktionen der USA gegen Tabak ihre Wirkung nicht verfehlt. Die Bedeutung ist zurückgegangen. Doch qualitativ sind die Tabake immer noch ein Wunderwerk. Das gilt insbesondere auch für die heute eigene Sorte, das Connecticut Broadleaf. Die Tabaksorte hat ausgeprägt breite Blätter, deshalb der Name Broadleaf – Laubblatt.

Welche Blätter für was?

Volado: Die Blätter der untersten beiden Blattebenen. Diese werden hauptsächlich verwendet, um das Brennen der Zigarre zu unterstützen, da sie weniger ätherische Öle und eher weniger bzw. erdige Aromen enthalten. 

Seco: Die Blätter der dritten und vierten Reihe. Sie enthalten gemässigt ätherische Öle und Nikotin und entwickeln einen milden, zurückhaltenden Geschmack, der dominantere Tabake bzw. deren. Aromen gut unterstützt. 

Viso: Die fünfte und sechste Blattreihe. Diese Blätter enthalten mehr ätherische Öle und Nikotin. Sie sind stärker und entwickeln eigenständige, charaktervolle Aromen und Geschmäcker. 

Ligero: Die obersten Blattreihen der Tabakpflanze. Der Sonne ausgesetzt sammeln sich in diesem Teil der Pflanze die meisten ätherischen Öle, aber auch das meiste Nikotin. Diese Blätter bieten zwar das grösste Aromenspektrum, gleichzeitig werden daraus mit dem hohen Nikotingehalt auch die stärksten Tabake, die oft mit Fingerspitzengefühl eingesetzt werden sollen.

Damit das vollständigkeitshalber ebenfalls angemerkt ist: In Kuba sind die Bezeichnungen etwas anders gelagert bzw. sie stimmen nur teilweise überein, da für die als Volado bezeichneten Tabake gegebenenfalls auch die untersten Fussblätter (Libre de Pie) der Tabakpflanze mitverwendet werden, dies im Gegensatz zur Dominikanischen Republik. Ausserdem werden die Blätter der Corona, also der obersten Blätter, in Kuba als Medio Tiempo und die Reihe davor als Ligero bezeichnet.