Motivation beginnt mit Ehrlichkeit

«Kreativ sein» – das klingt nach Freiheit, Gestaltung, Selbstverwirklichung. Für viele junge Menschen ist dieser Impuls der Auslöser, eine Ausbildung im Kochberuf zu beginnen. Doch die tägliche Praxis verlangt etwas anderes: Disziplin, Wiederholung, Präzision. Die Kunst des Kochens liegt weniger in spontaner Kreativität als im beharrlichen Erlernen eines Handwerks, das unter wechselnden Bedingungen konstant hohe Qualität liefern muss.

Diese Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität ist ein zentraler Grund, warum gerade der Kochberuf eine der höchsten Lehrabbruchquoten aufweist. Was untergräbt die ursprüngliche Motivation? Die Antwort liegt in einem oft unterschätzten Begriff: Klärung.

Die dunklen Ecken zeigen – bevor das Licht ausgeht

Bereits in den 1990er Jahren formulierte Hotelier Klaus Kobjoll eine Führungsphilosophie, die heute aktueller denn je ist: «Begeisterung ist übertragbar – aber nur, wenn sie auf Klarheit trifft.» In seinem Betrieb zeigte er Bewerbenden zuerst die unangenehmsten Seiten des Jobs – die „dunkelsten Ecken“. Und: Er liess sie ihren Lohn selbst bestimmen. Warum? Weil Transparenz Vertrauen schafft – und Vertrauen Motivation ermöglicht.

Unternehmen, die Mitarbeitende gewinnen und halten wollen, müssen nicht nur inspirieren, sondern ehrlich sein. Erwartungen, Belastungen, Arbeitsrhythmen – all das gehört auf den Tisch, bevor Begeisterung ins Spiel kommt.

Motivation: Ein biologisch-sozialer Hybrid

Motivation ist kein Gefühl, sondern ein komplexes Zusammenspiel aus inneren und äußeren Impulsen. Sie entsteht durch emotionale Zustände wie Freude oder Stolz – aber auch durch körperliche Reaktionen wie Hormonausschüttung oder neuronale Aktivierung. Sie ist der Motor für Handlung – ob zum Beginnen oder zum Beenden.

Ein Lehrabbruch ist also nicht das Ende der Motivation, sondern deren Umwandlung: von einem positiven Impuls zu einem negativen Schutzreflex. Die ursprüngliche Freude an Kreativität wird durch nicht geklärte äußere Faktoren – etwa körperliche Überforderung oder enttäuschte Erwartungen – in eine aktive Vermeidung verwandelt.

Zwei Quellen, ein Risiko

Motivation lässt sich grob in zwei Quellen unterteilen:

  • Intrinsisch: Der innere Antrieb, etwas um seiner selbst willen zu tun – etwa aus Freude, Neugier oder Selbstverwirklichung.

  • Extrinsisch: Der äußere Impuls, etwas für ein Ziel zu tun – etwa für Lohn, Anerkennung oder Zugehörigkeit.

Beide sind legitim. Doch beide sind verletzlich, wenn Erwartungen nicht geklärt werden. Wenn Unternehmen nur auf Begeisterung setzen, ohne die Realität zu zeigen, entsteht eine Täuschung – und jede Täuschung endet irgendwann in Enttäuschung.

Einsicht: Klärung ist die neue Motivation

Motivation ist kein Geschenk, das man überreicht – sondern ein Prozess, der gepflegt werden muss. Unternehmen, die langfristig Mitarbeitende binden wollen, müssen nicht nur fördern, sondern ehrlich kommunizieren: über Belastung, Arbeitskultur, Entwicklungsmöglichkeiten und Grenzen.

Denn je höher die gegenseitige Klärung, desto stabiler die Motivation. Und desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass aus Begeisterung ein Rückzug wird.