Der Umsatz mit proteinangereicherten Lebensmitteln steigt steigt seit Jahren. Der Markt für Nahrungsergänzungsmitteln, einschliesslich proteinbasierter Produkte, wächst konstant und wurde für das Jahr 2023 auf 165 bis 170 Milliarden US Dollar (www.lebensmitteltechnik-deutschland.com) geschätzt. Die DACH-Region trägt einen erheblichen Teil zu diesem Wachstum bei. Proteine haben das Zeug dazu, die Wertschöpfung eines «normalen» Produktes überproportional zu steigern.
Fotocredits: Unsplash, Amanda Vic | Geht auch in der Gastro-Küche. Werschöpfungswunder Proteinshake.
Eines der Besten Beispiele: Joghurt. Während 100 Gramm Joghurt Natur von 17 bis 32 Rappen kosten, liegt der Preis für ein Protein-Angereichertes Joghurt locker bei 1.32 Franken. Die Konsumenten bezahlen also mit der Wimper zu zucken bis zu 8 Mal mehr für dasselbe Produkte, das bei unwesentlich mehr Warenaufwand, das zusätzliche Proteinisolat, Süssmittel und Aroma fallen kaum ins Gewicht.
Interessant ist, dass Menschen, also auch die Gäste der Gastronomie, immer mehr Geld ausgeben für mit Protein gepimpte Produkte, ist ein Trend, der seinesgleichen sucht. Erstaunlich ist, dass er von der Gastronomie nie aufgegriffen wurde.
Das interessante an der Geschichte ist denn auch, dass nicht die teuersten Lebensmittel am meisten Proteine haben, sondern eigentlich die günstigsten: Quark, Hüttenkäse, Hülsenfrüchte, Hühnchenfleisch, Eier etc.. Fährt man eine Ovo-Lacto-Vegetarische Linie, lassen sich die billigsten Zutaten am teuersten verkaufen. Proteinshake: 250 Gramm Magerquark (42 Gramm Protein) mit einer Banane zum einem Shake mixen. Warenkosten: 90 Rappen plus 70 Rappen für zwei Bahnen. Verkaufspreis: 8 Stutz locker. Kocht man bei ähnlich tiefen Warenkosten ein Linsencurry und serviert es mit Naam und Joghurt, zahlen die Gäste gerne gut 20 Franken. Gehen sie mal ins Hiltl. Vegane Küche macht reich. Wieso tut sich die Gastronomie damit und mit den Proteinen nur so schwer?
Doch fangen wir von vorne an.
Die Elon Musk- und Kim Kardashian-Diät: Werden sie ein Ozempic-Junkie und lassen sie sich Semaglutid spritzen. Der GLP-1-Rezeptor-Agonist wurde ursprünglich für die Behandlung Diabetes Typ 2 entworfen, der Wirkstoff senkt den Zuckerspiegel. Die Nebenwirkung: Der Appetit wird reguliert bzw. gedrosselt und das Sättigungsgefühl erhöht. Es ist also eine natürliche Zwangsmanipulation des eigenen Verlangens zu Fressen. Kurzfristig ist da nichts zu machen, wer schlank bleiben will, muss weiter Spritzen. Wer Ozempic absetzt, fängt sofort wieder an mehr oder weniger unkontrolliert zu futtern.
Foto Credits: Frank Rietsch, AI generadet | Elon Musk, nachdem er Ozempic abgesetzt haben werden wird.
Schlank werden kann also heute jeder, der an den Stoff Semaglutid bzw. das Produkt Ozempic herankommt. Das ist mit Muskelaufbau und Kraftsport anders. Manchem mögen ob der Erscheinung riesiger Muskelmassen die Augenverdrehen oder beim Anblick eines Frauenoberschenkels, der den Umfang des Brustkorbes eines Kindes aufweist, angewidert den Mund verziehen. Eines jedoch ist klar: Wer Muskeln will, braucht eisernen Willen, Geduld, Durchhaltevermögen sowie eine optimale Ernährung. Selbst bei von Gesundheitsämtern und Pöpel geächteten Hilfsmitteln wie die synthetischen Abkömmlinge von Testosteron geht ohne hartes und brutales Training nichts. Eine Tablette wie «Ozempic für Muskelwachstum» gibt es nicht.
Muskelmasse = (Intensität des Trainings) × (Proteinaufnahme) × (Regeneration)
Dafür sind in Dokumentationen des öfteren Bodybuilder:innen zusehen, die mal schnell 500 bis 1000 Gramm Poulet braten und in sich reinstopfen.
Tatsächlich: Wer Muskelmassen in überdimenstioniertem Masse aufbauen will, braucht neben dem harten Training im Schweisse seines Angesichts ganz einfach auch eine massiv erhöhte Proteinzufuhr. Die Empfehlung: Je nach Trainingsintensität 1.6 bis 2.2 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht. Ein Mensch von 80 Kilogramm sollte also 128 bis 176 Gramm Protein zu sich nehmen. Erst ab dieser Menge ist Muskelreparatur – wachstum optimal gewährleistet.
Um 125 Gramm verwertbares (biologisch hochtwertiges) Protin zu erhalten, werden z.B. etwas 400 Gramm Hühnchenbrust benötigt. Hat ein Bodybuilder ein Kampfgewicht von 130 Kilogramm und steht voll im Training, benötigt er schon alleine diese Menge Protein, um die Muskelmasse zu erhalten.
Der Körper ist ein schlauer Kerl – bei Muskeln, die nicht wirklich belastet werden, beginnt er relativ rasch mit dem Abbau. Energieeffizienz spielt dabei eine wichtige Rolle. Der Körper baut Muskelgewebe ab, das nicht benötigt wird, um Energie zu sparen oder diese anderswo einzusetzen. Z.B. für das Anlegen von Energiereserven. Es gibt also für den Muskelaufbau und den Muskelerhalt nur eines. Konsequentes Training, das Arnold Schwarzenegger in «shocking the Muscle» als Technik beschrieb, die Muskeln durch Veränderung der Trainingsroutine und der hohen Gewichte zu schocken, um das Muskelwachstum zu fördern.
Fotocredit: Unsplash, Alora Griffiths
Ein entscheidender Aspekt beim Muskelaufbau, um das zwischen den Absätzen hier auch noch anzumerken, ist die Regeneration. Der Körper benötigt zwingend Pausen. Am besten Schlaf zwischen den Trainigs. In dieser Zeit werden Muskeln repariert, Energiereserven aufgefüllt und die Wachstumshormone ausgeschüttet. Zudem wird mit genug Erholung ein kontraproduktives Übertraining verhindert.
Wichtig in der Ruhephase ist auch der Proteinabbau und -synthese, der Grundlage für das Muskelwachstum. Wieviel Eiweiss der Körper aufnehmen kann, darüber bestimmt das «limitierenden Aminosäurenkonzept». Diejenige essentielle Aminosäure, von der am wenigsten vorhanden ist, bildet den Massstab für die Verwendungsmöglichkeit aller anderen Aminosäuren. Dieser Verfügbarkeit wird als Biologischen Wertigkeit BW bezeichnet. Das Hühnerei dient als Referenz, da es die beste Verfügbarkeit aufweist. Die Aminosäuren des Ei-Proteins ergänzen sich besser als die anderer Lebensmittel. Daher hat das Ei die Biologische Wertigkeit von 100. Kombiniert man jedoch Eier mit Kartoffeln, erhöht sich die BW auf 136.
Biologische Wertigkeit BW von Lebensmitteln
Eiprotein BW 100
Milchprotein BW 91
Quinoa BW 83
Rindlfeisch BW 80
Hühnchenfleisch BW 79
Sojaprotein BW 74
Weizenprotein 59
Linsen BW 55
Bohnen BW 55
Die besten Kombinationen:
Ei + Kartoffel BW 136
Milch + Linsen BW 101
Rindlfleisch + Kartoffel BW 106
Hühnerfleisch + Reis BW 106
Soja + Reis BW 111
Weizen + Linsen BW 88
Linsen oder Bohnen + Reis BW 72
Quinoa + Bohnen BW 80
Die Auflistungen zeigt, wie einfach sich Proteine in Gewicht und Biologischer Wertigkeit für das Angebot berechnen und darbieten lassen.
Fotocredit: Unsplash, Kate Remmer | Biologische Wertigkeit von 100.
Drei Eier pro Woche? Drei Eier pro Stunde! Oder Proteinisolate.
Aber natürlich steht man dann schnell am Punkt, dass für 125 Gramm Protein pro Tag, gut 1 Kilogramm Magerquark gegessen werden müssten. Das ist eine ordentliche Menge, welche die meisten kaum innert nützlicher Frist essen können. Mit Hühnchenfleisch von ca. 400 Gramm ginge das zwar noch, ist aber ethisch und ökologisch eher eine der unteren Schubladen. In einem Youtub-Video sah sich der Deutsche Bodybuilder Markus Rühl mit der Forderung konfrontiert, 3 Eier in der Woche seien ökologisch akzeptabel. Seine Antwort: 3 Eier pro Stunde. In Bezug auf die Trainingszeit kommt das in etwa hin. Um 125 Gramm Protein zu erhalten, bedarfs es mindestens 20 Eier.
Deshalb hilft die Industrie mit Proteinisolaten nach. Das sind hochkonzentrierte Proteinquellen aus Milch, Soja, Eiern und seit neuestem auch aus Insekten.
Es bedarf viel Kreativität und einige Experimente bis Rezepte mit Proteinisolaten funktionieren. Wenn dann aber Speisen bei erhöhtem Proteingehalt und gestenktem Fett und Kohlenhydraten angeboten werden können, schätzen das sicherlich viele Gäste.
Es gibt verschiedene Arten von Proteinisolaten, darunter:
- Whey Protein Isolate: Gewonnen aus der Molke bei der Käseherstellung, enthält sehr hohe Mengen an essentiellen Aminosäuren und ist ideal für den Muskelaufbau.
- Eiweißisolat: Gewonnen aus Eiern, enthält alle essentiellen Aminosäuren und ist ebenfalls sehr proteinreich.
- Sojaisolat: Gewonnen aus Sojabohnen, ist eine gute pflanzliche Proteinquelle und enthält alle essentiellen Aminosäuren.
Proteinisolat wird oft von Sportlern, Bodybuildern und Menschen verwendet, die ihren Proteinbedarf erhöhen möchten, ohne zusätzliche Kalorien oder unerwünschte Bestandteile zu sich zu nehmen
Foto Credit: Unsplah, Kofi Buckley | Proteinshake im Restaurant. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Wert schöpfende Nahrungsergänzung geht auch in der Gastroküche
Wenn man gerade bei Nahrungsergänzung ist – es gibt für den Musekelaufbau auch einige zulässige Hilfsmittel und Tricks, mit denen das Angebot ebenfalls angereichert werden kann. Was die Industrie kann, können wir Köch:Innen doch schon lange – theoretisch wenigstens.
Kreatin: Organische Säure in den Muskelzellen. Wichtig bei der Energieversorgung bei kurzen intensiven belastungen. Ein bewährter Booster für Kraft und Masse, der die Leistungsfähigkeit und Muskelmasse erhöhen kann.
BCAAs (Branched-Chain Amino Acids): Diese Aminosäuren unterstützen die Muskelproteinsynthese und helfen bei der Erholung.
Omega-3-Fettsäuren: Entzündungshemmend und regenerationsfördernd, unterstützen sie die allgemeine Gesundheit und das Muskelwachstum.
Vitamin D: Ein oft unterschätzter Muskelverstärker, der wichtig für die Knochengesundheit und Muskelfunktion ist.
Foto Credit: Unsplash, Kofi Buckley | Eigentlich könnten es Köche besser. Theoretisch.
Die Frage bleibt: Warum zögern Gastronomen, sich dem Muskel- und Protein-Trend anzuschließen? Mangelnde Flexibilität, veraltete Konzepte oder einfach fehlende Kreativität? Was auch immer der Grund sein mag, eines ist sicher: Die Nachfrage nach proteinreichen Optionen wächst weiter, und wer diesen Trend ignoriert, verliert allenfalls eine Lukrative Möglichkeit, die Wertschöpfung zu steigern.
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Quellen:
www.lebensmitteltechnik-deutschland.com
Studie des American Journal of Physiology-Endocrinology and Metabolism (Mai 2021): Diese Studie untersuchte, ob eine höhere Proteinzufuhr bei untrainierten Personen mittleren Alters zu einem signifikant höheren Kraft- oder Muskelzuwachs führt. Die Ergebnisse zeigten, dass eine höhere Proteinzufuhr keinen signifikanten Unterschied im Kraft- oder Muskelzuwachs brachte1.
Studie von Muskelaufbau.Coach: Diese Studie verglich den Proteinbedarf für Kraft- und Muskelaufbau und kam zu dem Schluss, dass eine tägliche Proteinzufuhr von 1,6 bis 2,0 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht ausreichend ist, um den Muskelaufbau zu unterstützen.
Studie in der Zeitschrift Sportmedizin: Diese Untersuchung verglich die Effekte verschiedener Proteinmengen auf Sportler mit unterschiedlichen Trainingsregimen. Die Ergebnisse zeigten, dass eine Proteinzufuhr von 1,6 g pro kg Körpergewicht ausreichend für signifikanten Muskel- und Kraftzuwachs ist, ohne die Leber und Nieren zu belasten3.