Der Karpfen, einer der nicht mehr so bekannten, dafür einer der wohl ältesten Zuchtfische, wurde während Jahrhunderten ohne ökologisch negative Folgen kultiviert. Die Karpfenzuchten kommen auch heute noch nahezu ohne Kraftfutter und medikamentöse Behandlung durch. Zudem gedeihen Karpfen auch in sauerstoffarmem Wasser. Die Fische sind damit für Teiche und Weiher, auch solche mit Niedrigwasser, prädestiniert.

Es waren die alten Römer, welche die Zucht von Karpfen begründeten. Den Fisch fanden sie in wilder Form in den Schwemmlandschaften der Donau vor. Heute gelten die Bestände der Wildkarpfen vielerorts als bedroht.

Die grosse Verbreitung in Europa hängt ursächlich mit der christlichen Kirchengeschichte und den 150 Fastentagen zusammen, an denen kein Fleisch gegessen werden darf. Zudem konnten die für Mühlen angelegten Wasserrückhaltebecken (Teiche) mit einer Zweitnutzung durch Fischzucht bewirtschaftet werden. Der Karpfen hat die kulinarische Tradition sowie die Ernährung in Europa also wesentlich beeinflusst. Er besteht aus Fett (über 5.5g/100g) und Eiweiss (über 17.8g/100) und Wasser. Darüber hinaus liefert das Fleisch nahezu den ganzen Vitamin B-Komplex sowie Vitamin D ab.

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Ausgerechnet dieser wertvolle Zuchtfisch ist heute nahezu gänzlich vom Speisezettel verschwunden. Das hat auch verständliche Gründe.

Neben der Tatsache, dass in der Gesellschaft christliche Fasten-Traditionen nahezu vollständig aufgegeben wurden und es keine Müller mehr gibt, die nebenher einen Karpfenteich bewirtschaften, ist auch der Kampf mit den Gräten sicherlich ein Grund, weshalb der Fisch aus dem Angebot verschwand.

Karpfen verfügen im Rückenmuskelbereich über eine ausserordentliche Anzahl, um nicht zu sagen Masse an Zwischenmuskelgräten. Die Bayern bzw. die Franken haben eine einfache Lösung – das Grätenschneiden. Dafür wurde sogar eine Maschine entwickelt: die Grätenschneidmaschine. Von Hand wird das Filet auf die Hautseite gelegt und alle 3 mm eingeschnitten, dabei werden die Gräten durchtrennt. Die so entstandenen kurzen Stückchen sind dann beim Essen kaum mehr störend. Übrigens wird das Karpfenfilet anschliessend gewürzt, mit Mehl bestäubt und schwimmend in heissem Öl gebacken. Das nennt sich dann «Karpfen Fränkisch». Und wen wunderts, die Bayern servieren den Karpfen auch gerne in Biersauce. In Mitteleuropa, vor allem in Böhmen, wird das Filet paniert, gebraten und mit Zitrone serviert und so als «Weihnachtskarpfen» bezeichnet.

Die klassische französische Küche kennt für das Grätenproblem ebenfalls eine Lösung – eine Fischfarce herstellen und durch ein Sieb streichen, wie für Carpe à l’Ancienne (siehe hier).

Allerdings kann das Grätenproblem auch einfach ignoriert werden. Im Balkan wird der Karpfen auch am Spiess über der Holzkohlenglut ganz gebraten und in Deutschland und Frankreich als Ganzes im Sud «blau gekocht».

Auch nicht gerade förderlich für den Karpfen als Speisefisch ist seine Grösse.

Er wird 30 bis 120 cm lang und bis zu 40 kg schwer. Gegen die anderen vermeintlich «edleren» Zuchtfische wie z.B. Egli, Zander und Forelle, die sich wesentlich einfacher portionieren und verarbeiten lassen und sich beim Konsumenten grösserer Beliebtheit erfreuen, hatte der Karpfen in den letzten Jahrzehnten nie wirkliche eine Chance.

Der Karpfen ist auch gustatorisch nicht unumstritten. Was die einen als moosig und schlammig empfinden, beschreiben andere als nussig. Abhilfe für den moosigen und schlammigen Goût bietet das «Auswässern». Das Tier wird vor dem Töten in frischem, leicht fliessendem Wasser ohne Nahrung gehalten. Die störenden Geschmacksbeeinflussungen, die Hauptsächlich in Haut und Kiemen stecken, gehen dabei weitgehend verloren.

Unterschieden wird zwischen der Wildform Flusskarpfen und der Zuchtform Teichkarpfen. Die Wild vorkommenden Flusskarpfen sind in ihrer Gestalt etwas «gestreckter». 

Zu den Teichkarpfen gehören folgende Formen:

  • Schuppenkarpfen: Die Fische sind noch vollständig von einem Schuppenkleid bedeckt. 
  • Zeilkarpfen: Nur noch teilweise, dafür aber von grossen, perlmutartigen Schuppen bedeckt, die sich hauptsächlich über die Mitte vom Kopf in einem Band zur Schwanzflosse erstrecken.
  • Spiegelkarpfen: Nahezu schuppenfrei, nur noch vereinzelte Schuppen auf der Oberseite.
  • Lederkarpfen: Vollkommen schuppenlos.

Eine jüngere, in kulinarischen Kreisen kaum bekannte Zuchtform, die eher aus der Sportfischerei stammt, ist der F1-Hybridkarpfen, der aus der Kreuzung zwischen dem gemeinen Karpfen und der Karausche hervorgegangen ist (Carassius Carassius × Cyprinus Carpio Carpio). Die überall in Europa vorkommende Karausche gehört ebenfalls zur Familie der Karpfenfische, ist allerdings eher klein. Selbst im Extremfall mit einer maximalen Länge von gut 60 cm und einem maximalen Gewicht von 3 kg ist die Karausche deutlich kleinwüchsiger als der Karpfen. Zudem ist die Karausche näher mit dem gemeinen Goldfisch verwandt denn mit dem Karpfen. Die Kreuzung F1-Hybridkarpfen ist also in der Folge «nur» ein mittelgrosser Fisch, der bis zu 2 kg schwer wird, dafür aber sehr schnell wächst und deshalb gerne von Fischern ausgesetzt wird, um ihn zu angeln. Das Wichtigste, der voll beschuppte F1-Hybridkarpfen ist ein ausgezeichneter Speisefisch.

Kulinarisch uninteressant dafür witzig und erwähnenswert ist der Ghostkarpfen als hybride Schöpfung aus Karpfen und Koi, die einen weissen Albino-Karpfen hervorbringt.