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  INTERVIEW | BERUFSBILDUNG: Renovium und Pauli Fachbuchverlag AG an der Gastia. Warum sich Ausbildner und Lernende die digitale Innovationskultur zeigen lassen sollten, erklärt Martin Erlacher.

Die Gastronomie-Fachverlage Renovium und Pauli Fachbuchverlag AG präsentieren an der Gastia in St. Gallen vom 23. Bis 25. März 2025 ihre digitalen Lösung, die auf der Innovationskultur und der digitalen Transformation des Tech-Unternehmens «Get More Brain» aufgebaut sind.

Martin Erlacher, der Fachbereichsleiter am gewerblichen Berufs- und Weiterbildungszentrum in St. Gallen erklärt, weshalb sich Ausbildner und Auszubildende die Renovium, sowie Pauli Digital Solution persönlich erklären lassen sollten.

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Text: Romeo Brodmann | Bilder: zVg
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Hier klicken: Pauli Fachbuchverlag AG und Renovium an der GASTIA in St. Gallen vom 23. - 25. März 2025. Halle: 2.0 / Stand: 2.0.16

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Das Pauli Magazin: Auf Biegen und Brechen werden in der Berufsbildung Lehrbücher abgeschafft und durch sogenannte digitale Lernplattformen ersetzt. Martin Erlacher, Sie haben Kontakte zu vielen Berufsbildungsverantwortlichen in anderen Ländern. Ist das ein Prozess, der um uns herum in Europa generell um sich greift? Was machen andere Länder?

Martin Erlacher: Die Digitalisierung der Berufsbildung ist ein europaweiter Trend, jedoch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Umsetzungsformen. Während einige Länder bereits auf digitale Lernplattformen umgestellt haben, ist in anderen Ländern ein klarer Trend zu hybriden Lösungen erkennbar. Dann wiederum gibt es Länder, die sich von digitalen Lösungen wieder abgewandt haben. Ich denke, dass jedes Land aufgrund seiner Ressourcen seine eigenen Erfahrungen machen will. Es ist schade, dass in diesem Bereich der Erfahrungsaustausch nicht ganz funktioniert. Auf globaler Ebene ist die Entwicklung meist aufgrund der finanziellen Möglichkeiten um einiges langsamer.

DPM: Sie sagen es, einige Länder fallen bereits wieder ab von digitalen Lernformen. Die Bedenken hinsichtlich Digitalisierung und Bildung nehmen spürbar zu. Es gibt einige anerkannte Studien, die z.B. den haptischen Erfahrungen beim Lernen, also dem Blättern und Lesen in Büchern, dem erstellen von handschriftliche Notizen etc., ziemlich deutlich eine tiefere Verarbeitung der Lernprozesse und bessere Gedächtnisleistung attestieren. 

ME: Spannend ist, dass in der Bildungsdebatte die vermeintliche Effizienz digitaler Lösungen häufig höher gewichtet wird als deren tatsächliche Effektivität. Dabei zeigen wissenschaftliche Studien und die daraus gewonnenen Erkenntnisse, dass der Lernerfolg nicht von der digitalen Verfügbarkeit abhängt, sondern von didaktischer Qualität, kognitiven Prozessen und der Art der Wissensvermittlung. Zudem wird oft weder die Ausbildungsstufe noch die Art der Ausbildung ausreichend berücksichtigt. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob es sich um eine technikaffine Branche oder einen rein handwerklichen Beruf handelt.

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Martin Erlacher ist Fachbereichsleiter am Gewerblichen Berufs- und Weiterbildungszentrum in St. Gallen und leitet dort das Team der Restaurationsberufe. In seiner Funktion als Experte und Coach hat er mehrere Schweizer Restaurationsfachleute erfolgreich auf die WorldSkills-Berufsweltmeisterschaften vorbereitet, wobei einige von ihnen Goldmedaillen gewannen. Für sein internationales Engagement in der Berufsbildung wurde er mehrfach mit dem Förderpreis der Berufsbildung ausgezeichnet. Neben seiner Tätigkeit als Ausbilder ist Marin Erlacher ebenfalls als Autor aktiv. Er hat unter anderem, das erste «Internationale Referenzbuch für den Restaurant-Service» verfasst, das in mehr als 35 Ländern als Standardwerk gilt und durch den Verlag ReNovium herausgegeben wird. Seit 2019 ist er Mitglied der Geschäftsleitung von SwissSkills und als technischer Delegierter für die gesamte Schweizer Berufs-Nationalmannschaft bei internationalen Wettbewerben verantwortlich. Dadurch pflegt er einen intensiven Austausch zu Berufsbildungsverantwortlicher vieler Ländern.
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DPM: Köchinnen und Köche, Restaurantfachfrauen und -männer sind Handwerksberufe. Also, sie als Autor von mehreren mit Gold ausgezeichneten Fachbüchern, Hand aufs Herz, was ist besser? Buch oder Lernplattform?

ME: Diese Frage ist aus meiner persönlichen Sicht recht einfach zu beantworten. Ich bevorzuge ein Buch – ob digital oder analog. 

DPM: Dann sind sie ja auf der guten Seite. 

ME: Wieso? 

DPM: Der Neurobiologe Gerald Hüther schrieb: «Kinder verlieren die Freude am Lernen, wenn sie nur noch vor Bildschirmen sitzen. Begeisterung ist der Dünger für das Gehirn, und diese Begeisterung entsteht oft durch echte, greifbare Erfahrungen.» Das ist noch freundlich, gegenüber dem, was der Neurowissenschafter und Psychiater Manfred Spitzer von sich gab: Bildschirmmedien machen dick, unaufmerksam, senken die Leistung in der Schule und führen zu mehr Gewalt in der realen Welt. Wer das anzweifelt, hat entweder die wissenschaftlichen Studien dazu nicht gelesen oder lügt.»

Also jetzt mal ganz sachlich. Können sie eine kleine Auslegeordnung der Vorteile und Nachteile zwischen analogem und digitalem Lernen in der Berufsbildung machen?

ME: Digitale Wiedergabemedien haben den Vorteil, Inhalte schnell zu finden, mit eigenen oder weiterführenden Inhalten anzureichern und überall abzurufen. Das physische Buch hingegen ist ein Ritual, etwas Beständiges. Was ich aber meine, ist die Struktur – und genau hier liegt der grösste Nachteil vieler Lernplattformen. Sie sind angereichert mit unglaublich viel Inhalt, Tiefe und Breite, mit interaktiven Elementen wie Spielen, Quiz, Filmen und weiteren Lernmöglichkeiten. Diese Fülle macht es jedoch oft schwer, den Überblick zu behalten, sodass man nahezu eine „Landkarte“ zur Navigation benötigt. Für das menschliche Gehirn ist diese Komplexität nur schwer fassbar und – wie mir auch Neurowissenschaftler bestätigen – nur für wenige wirklich effektiv zu handhaben. Meiner Meinung nach, will man einfach ein viel zu grosses Spektrum abdecken. Als ich in der Ausbildung war, reichte ein Buch und ein Ordner mit Arbeitsblättern. Wir waren deshalb aber nicht schlechter im Beruf. Wer aber heute den gesamten Inhalt einer Plattform ausdrucken will, der wird staunen…

Ein klassisches Buch, ob analog oder digital umgesetzt, folgt einer klaren „didaktischen Reduktion“. Diese hilft der Leserin und dem Leser, den Inhalt besser zu verarbeiten. Eine Buchstruktur folgt gewissen Prinzipien. Das Gehirn kann dadurch die Informationen besser aufnehmen sowie räumlich verknüpfen und speichern. Während Bücher einen klaren roten Faden bieten, lassen digitale Lernplattformen den Nutzer oft in einer Vielzahl von Optionen ohne eindeutige Richtung zurück. Dies kann schnell zu kognitiver Überforderung führen. Speziell wenn es doch darum geht, Grundwissen aufzubauen. Alle sind oft geblendet von den vielen Möglichkeiten und Vernetzungen. Aber niemand fragt sich, ob diese wirklich sinnvoll und entscheidend für das Resultat sind und generieren sehr hohe Kosten

Mir hat mal eine Auszubildende gesagt: «Wissen sie, ich arbeite lieber mit einem Buch, da sehe ich ein Anfang und ein Ende.» Es mag banal klingen, so ist es aber tatsächlich. 

DPM: An der Gastia in St. Gallen präsentieren Sie die Digitale Lösung des Fachverlages Renovium zusammen mit der Pauli Fachbuchverlag AG, die ihrerseits die Digitale Lösung für den Kochberuf präsentiert. Was ist das für eine Digitale Lösung von Renovium?

ME: Ich habe den Markt lange beobachtet und mich gefragt, wann endlich eine Lösung kommt, die beide Welten optimal verbindet. Mit «Get More Brain» haben wir einen Partner gefunden, dessen Lösung unsere Ansprüche zu erfüllen vermag. Wir sind auf ein offenes, flexibles System gestossen, mit dem die Struktur eines klassischen Grundlagenwerks erhalten bleibt, gleichzeitig aber dort, wo es erforderlich ist, mit individuellen Inhalten ergänzt oder angepasst werden kann. Es lässt sich mühelos an betriebliche oder schulische Situationen anpassen – in kürzester Zeit, ohne IT-Support, kostengünstig und benutzerfreundlich.

Zudem können Inhalte in mehr als 130 Sprachen übersetzt werden, was den Zugang zu Wissen erheblich erleichtert. 

An diesem System gefällt mir aber besonders, dass es komplett unabhängig ist. So kann eine Schule Inhalte von verschiedensten Verlagen oder Anbietern beziehen und aus diesen auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Inhalte kreieren und sogar mit eigenen Inhalten von Lehrpersonen ergänzen. Das ist eine optimale Lösung für die ganze Branche.  Unabhängig, preiswert und einfach. 

DPM: Weshalb sollten sich sowohl Ausbildner als auch Auszubildende diese Lösung von «Get more Brain» an der Gastia zeigen lassen?

ME: Viele digitale Lernplattformen tragen dazu bei, dass Theorie und Praxis weiter auseinanderdriften, statt sie zu verbinden. Ein grosser Fehler liegt nämlich darin, dass Plattformen oft nach schulischen Prinzipien entwickelt wurden und primär auf die Theorievermittlung ausgerichtet sind.

Wir brauchen aber eine unabhängige, dynamische, kostengünstige und praxisnahe digitale Lösung, die betriebliche Erfahrungen direkt mit der Theorie verknüpft – und zwar in einem Format, das für Ausbildner, Auszubildende, Lehrpersonen und ÜK-Instruktoren gleichermassen leicht zugänglich und anpassbar ist.

Das neue Tool von «Get More Brain» schliesst genau diese Lücke. Es ermöglicht eine individuelle und flexible Nutzung, ohne dabei die ursprüngliche Grundstruktur zu verlieren. So kann beispielsweise für Mitarbeiter mit Sprachbarrieren ein einfaches Onboarding im Betrieb gestaltet werden, das gleichzeitig auf relevante theoretische Inhalte verweist. Diese lassen sich je nach Bedarf an betriebliche Anforderungen anpassen oder erweitern.

Genauso einfach kann ein Lernender mit dem Handy eine Zubereitung dokumentieren und sie mit nur einem Klick in die ÜK- oder Schulunterlagen integrieren. Ganz nach dem Motto: Dort, wo nötig – sinnvoll, schnell, einfach und intuitiv.

DPM: Sie sprechen davon, eine Grundstruktur mit eigenen Erfahrungen zu ergänzen. Entspricht das nicht dem Konzept, mit dem früher in der Schule gelehrt wurde – beispielsweise, indem Auszubildende Zusammenfassungen zu einem Thema schreiben mussten oder einen Rezeptordner geführt haben? Ist ein solches Vorgehen, eine solches Lernen heute überhaupt noch gewünscht?

ME: Viele digitale Lernsysteme sind darauf ausgelegt, vorgefertigte Strukturen vorzugeben, in denen Aufträge zugewiesen und abgearbeitet werden. Doch wirklich effektives Lernen erfordert mehr als reine Aufgabenverwaltung – es braucht Werkzeuge, die es Lernenden ermöglichen, Wissen aktiv zu strukturieren, kreativ zu verarbeiten und mit eigenen Gedanken zu verknüpfen. Digitale Plattformen sollten daher nicht nur dazu verleiten, Texte wahllos zu kopieren, sondern vielmehr gezielt Anleitungen und Strukturierungshilfen bieten, die ein aktives, reflektiertes Lernen unterstützen. Nur so lässt sich das Potenzial neuer Technologien mit bewährten Lernmethoden sinnvoll verbinden.

Trotz der Vorteile digitaler Plattformen bleibe ich ein Befürworter handschriftlicher Notizen und Zusammenfassungen. Die Wissenschaft zeigt eindeutig, dass das Schreiben von Hand eine tiefere Verarbeitung im Gehirn fördert, da es komplexe motorische und kognitive Prozesse aktiviert. Feinmotorische Bewegungen binden das sensorische Gedächtnis stärker ein, und die langsamere Schreibweise zwingt zur aktiven Verarbeitung und Strukturierung der Inhalte. Dies verbessert das Verständnis und die langfristige Gedächtnisleistung deutlich.