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  Präsidenten-Wahl GastroZürich: Austausch über die dringlichen Anliegen der Zürcher Gastronomie. Müller wollte über die Zukunft diskutieren. Pfäffli und Fatzer rechtfertigten die Vergangenheit. Ein Protokoll…

 

… darüber, was Gastronomen sagten. Es war eine Einladung für alle und jeden, öffentlich publiziert im Amtsblatt des Verbandes. Jeder durfte sich anmelden und kommen. Daniel Müller wollte sich am Montag, 6. September 2021 mit Branchenkollegen über die Zukunft der Gastronomie und die entsprechenden Aufgaben des Verbandes austauschen. Für Müller war es eine Wahlveranstaltung, da ihn der Verband GastroZürich offensichtlich um jeden Preis und mit jedem Mittel verhindern will (lesen Sie hier die Hintergründe). Unter den 35 teilnehmenden Wirtinnen und Wirte befanden sich auch die zwei Kontrahenten Müllers, Karl Fatzer (der ehemalige offizielle Kanditat von GastroZürich) sowie Urs Pfäffli (der aktuelle offizielle Kanditat von GastroZürich)

Text: Romeo Brodmann / Titelbild: zVg
 

 

Daniel Müller will Präsident von GastroZürich werden. Wer ihn kennt, weiss, er ist in der Sache hart und trotzdem stets freundlich, zuvorkommend und höflich. Und er ist kaum aus der Fassung zu bringen. Ganz offensichtlich hat das GastroZürich mehrfach zustande gebracht. 

Die Vehemenz, mit der GastroZürich versucht, seine Kandidatur und letztendlich seine Wahl zu verhindern, erscheint denn auch ziemlich fragwürdig. Die Frage drängt sich auf, was da verhindert und verheimlicht werden soll. Im Grunde wäre alles ganz gemächlich verlaufen, hätte der Zürcher Gastro Verband Ende 2020 wie andere Verbände es auch tun, allen Kandidaten gleichermassen den Zugang zu den Sektionen und Delegierten gewährt, um sich vorstellen zu können. Es hätte eine ruhige Wahl gegeben können. Hat es aber nicht.

Das Pauli Magazin stellte im Verlauf dieses «Austausches über die dringlichen Anliegen der Zürcher Gastronomie» die Gretchenfrage, die vielen auf der Zunge brannte und zu der Daniel Müller wohl aus Anstand und Respekt seit Jahren eisern schwieg. 

«Sie waren doch einmal Teil des Vorstandes von GastroZürich, wollten sich beteiligen, haben den Bettel hingeschmissen und jetzt wollen sie wieder mitmachen? Wieso sind Sie damals denn überhaupt zurückgetreten und treten jetzt wieder an?» 

Daniel Müller rollte mit den Augen und sagte, die Frage sei zu erwarten gewesen, jetzt müsse er diese wohl auch beantworten. Er sei damals mit der Strategie des Verbandes für die zukünftige Ausrichtung nicht einverstanden gewesen. Insbesondere die Nachfolgeregelung von Präsident Ernst Bachmann, Geschäftsführer Karl Schröder und der Schulleiterin Elisabeth Ruf hätte er in dieser Form nicht billigen können. Obwohl schon im Pensionsalter, wollte die Schulleitung noch zwei Jahre warten und gemeinsam mit dem Geschäftsführer abtreten.

Müller war der Ansicht, eine gestaffelte Übergabe sei sinnvoller. Das Ganze endete offenbar im Streit um die Nachfolge von Elisabeth Ruf, deren Tochter den Posten übernehmen sollte. Müller vertrat die Ansicht, dass eine Stelle, die mit CHF 150'000 Anfangslohn besoldet ist, zumindest ausgeschrieben werden müsse, um in Erfahrung zu bringen, was denn der Arbeitsmarkt biete, damit stellte er «ihre gute Arbeit» keineswegs in Frage. Was Müller offensichtlich empörte und verstörte, war die abschliessende Bemerkung von Karl Schröder: «Wir stellen die junge Ruf jetzt ein, und wenn du Präsident bist, kannst du sie ja dann wieder entlassen.» War das ein blöder Witz oder eine sagenhafte Despektierlichkeit gegenüber Menschen? Jedenfalls trug Ernst Bachmann diese Haltung mit und gleichzeitig überlud sie die Geduld Müllers. Er verliess den Vorstand von GastroZürich. 

Die Frage sei hiermit geklärt und werde hoffentlich nicht mehr gestellt, merkte Daniel Müller an. Das Thema bewegt den gestandenen Gastro-Chef sichtlich noch immer.

Wieso er jetzt doch wieder kandidiert, betonte letztendlich Rudi Bindella Senior mit seinem Votum. Klipp und klar zusammengefasst: Das Gastgewerbe, diese wunderbare Branche, brauche endlich eine Führung und eine Vertretung, die sie auch verdiene. Punkt.

Damit wäre der Anfang sowie das Ende dieser Veranstaltung in etwa beschrieben. Dazwischen war es ein Seilziehen zwischen Daniel Müller, der Themen und Wege der Zukunft diskutieren wollte und den zwei tatsächlich teilnehmenden Kontrahenten um das Präsidentenamt, Karl Fatzer und Urs Pfäffli, die die Diskussion um die Zukunft mit ihren Rechtfertigungen kontinuierlich in die Vergangenheit zurückkatapultierten.

Beide sind freundliche Menschen, zu respektierende Wirte und auch integre Persönlichkeiten, die ihren Kopf hinhalten für das, was sie sagen und tun. Das ist in der heutigen Zeit nicht mehr selbstverständlich und verdient Respekt. Bedauernswerterweise hängen sie beide mit einem Hosenbein im kaputten Verbandsgetriebe fest, hüpfen auf einem Bein nach der Pfeife des Ancien Regimes und müssen deren Treiben mittragen.

Kernaussagen von Karl Fatzer wie «alles sei korrekt und vollkommen Transparent» sowie von Urs Pfäffli, der verdeutlichte, «der Verband werde als Kollegium geführt und Entscheide miteinander gefällt», kamen bei den anwesenden Wirten nicht wirklich gut an, obwohl sie im Grunde gar nicht so falsch liegen, sie befinden sich im rechtschaffenen Glauben, richtig zu liegen. Im Führungskontinuum (nach Robert Tannenbaum und Warren H. Schmidt) existiert die partizipative bzw. demokratische Führung als Gegensatz zur autoritären Führung durchaus, theoretisch. In der Praxis ist die partizipative Führung kaum anzutreffen, da es sich dabei um die herausforderndste und schwierigste Form der Führung handelt - angefangen mit der Voraussetzung zur Fähigkeit, loslassen zu können. Das ist der GastroZürich-Spitze kaum zuzutrauen, indes dürfte es sich um die sogenannte Scheinpartizipation handeln. Der Boss entscheidet alles, gaukelt den Steakholdern aber vor, mitentscheiden zu dürfen.

In Bezug auf die Informationsdurchlässigkeit, wie offen und transparent GastroZürich handle, zeigt die zweimalige Anfrage von Das Pauli Magazin für eine Stellungname und dem Angebot, auch den (damals) offiziellen Kandidaten Karl Fatzer zu Wort kommen zu lassen. Die Anfragen wurden mit Schweigen beantwortet. So behält sich Das Pauli Magazin auch vor, GastroZürich erst gar nicht mehr um eine Stellungnahme anzufragen.

Eine Reaktion von GastroZürich gab es dann doch, allerdings hinter vorgehaltener Hand: Ernst Bachmann sagte Michel Péclard gegenüber «der Brodmann hat halt noch eine Rechnung offen». Dazu sagt Brodmann: «Nein, Ernst, die Ungerechtigkeiten, die du anderen Menschen zufügst, musst du mit dir selbst ausmachen. Der Brodmann hat keine Rechnung offen. Aber bei solchen Konfusionen kann der Brodmann als Journalist nicht wegsehen.» Hätte Das Pauli Magazin, das der Unabhängigkeit und Transparenz verpflichtet ist, von GastroZürich, Karl Fatzer oder Urs Pfäffli eine ordentliche Stellungnahme erhalten, wäre diese auch publiziert worden. Würden Fatzer und Pfäffli fordern, ihre Sicht der Dinge in Das Pauli Magazin darzulegen, würde das in der Redaktion aufgenommen werden. So einfach ist das.

Unter vielen anderen wichtigen Themen dieses Diskurses sind zwei besonders hervorzuheben. Das eine betrifft das heutige Engagement von Wirtinnen und Wirten, das andere die Verbandsfinanzierung.

Eine Zeitlang lief die Diskussion zum Thema «Delegierte». Eine einheitliche Meinung herrschte über den Zerfall der Sektionen mit dem einhergehenden Verlust der Bereitschaft, sich an der Gemeinschaft zu beteiligen. Es seien kaum noch Mitglieder zu finden, die bereit seien, sich zu engagieren und sich z.B. als Delegierte aufstellen zu lassen. Das wurde mehrmals von verschiedenen Gastronomen betont. Diese Struktur der Verbundenheit zerfällt also immer mehr. Die Verbände scheinen das mehrheitlich einfach so hinzunehmen. Die einzige verbleibende Marketingmassnahme der Gastro-Vereine, über eine Mitgliedschaft bei der Sozialversicherung abrechnen zu können, genügt den meisten. Hauptsache der Mitgliederbeitrag fliesst.

Zur Verbandsfinanzierung warf ein sichtlich aufgebrachter Wirt ein, dass es eine «Sauerei» sei, dass die Verbände immer mehr überteuerte Schulungen anbieten, um sich über die Hintertür des L-GAV-Bildungsfonds zu finanzieren. Besonders genannt wurden die viele Kurse vom Wasser- bis zum Bananensommelier für CHF 3'000.- bis 4'000.-. Solche Kurse kosten auf dem freien Markt kaum CHF 1’000.-, sagte das Mitglied von GastroZürich. «Weiterbildung inklusive» benennt der L-GAV- Slogan dieses System. Tatsächlich sei es eine unsägliche Methode, mit der sich die Verbände über angebotene Schulungen aus einem Topf bedienen, der aus den verpflichtenden sozialpartnerschaftlichen Abgaben, also aus dem Portemonnaie der Unternehmer und Angestellten, entspringt. Fast möchte man an dieser Stelle den alten Definitions-Witz von Partnerschaft anbringen – der eine ist Partner, der andere schafft. Wie lukrativ und wie überlebensnotwendig das für die Verbände mit ihren oft überdimensionierten Administrationskosten sei, zeige der Umstand, dass diese mit den Mitgliederbeiträgen ja meist noch nicht einmal die Personalkosten decken können. Diese Voten blieben genauso im Raum stehen. Wer die Beweggründe nachvollziehen will, dem hilft die Milchbüechli-Rechnung: (Anzahl Mitglieder x Beiträge) – (Vorstände + Angestellte x durchschnittlicher Lohn). So ist dann das Ausmass der Unterdeckung schnell zu erkennen.

Mit der Aus- und Weiterbildung – dank L-GAV seit 2010 für Absolventen kostenlos, soll laut der Organisation Kontrollstelle für den L-GAV des Gastgewerbes in Basel in erster Linie dem Fachkräftemangel in der Branche entgegengewirkt werden. Das Erfolgsresultat ist im Moment grad besonders deutlich: Der Gastronomie gehen an allen Ecken und Enden die Mitarbeiter aus.

Aufbrechen ist in jeder Hinsicht dringend notwendig. Daniel Müller bezeichnet sich selbst als «zu alter Sack». Sein Wunsch ist es lediglich, in den nächsten vier Jahren Junge dazu zu bewegen, sich zu engagieren. Er will für sie den Boden vorbereiten, damit sie dann ihre Zukunft selbst gestalten können.

 

Mit der Einladung sendete Daniel Müller auch ein Fragebogen mit. Die Auswertungen dazu finden Sie nachfolgend als PDF zum Downloaden.