Man arbeite nicht mit Al’s* war dann natürlich die Zusammenfassung seiner Erklärung. Und ja, Tiziano Marinello darf das, ein Hervorragendes Rüebli lässt sich auch nicht aus dem Boden ziehen, ohne dass Dreck dran klebt. Das mit den Labels sei so eine Sache. Es gibt wirklich solche, die Sinn machen, damit sich Handel und Kunden orientieren können. Doch emotional fühlte sich Marinello von keinem Label getriggert, und das wäre eben wichtig. Viele Kunden verlangen nach Labels und wollen dann darüber dokumentiert werden, damit sie die Infos ihren Kunden weiter- und damit Rückhalt geben können. «Für mich gibt es allerdings kein Label, über das ich etwas hätte erzählen können, das mir auch Spass gemacht hätte.» Also wieso sollte er nicht sein eigenes Label aus der Taufe heben? Der Begriff Farm lag dabei nahe, der stehe ja per se schon für alles Emotionale in Bezug auf Lebensmittel. Bisher wurde das Prinzip der Nachverfolgbarkeit und der Benennung der Produzenten hauptsächlich auf Tiere angewendet – von welchem Hof kommt das Säuli zum Beispiel, und hatte es Freigang? Das funktioniert aber auch mit einem Blumenkohl oder einer Tomate. Es geht darum, den Produzenten ein Gesicht zu geben und deren Produkt zu erzählen.

«Wir verleihen das Label denjenigen Produzenten, die wir kennen und mit denen wir schon lange zusammenarbeiten.» Bei all den grossen Labels sei immer wahnsinnig viel Geld im Spiel. Bei Farm ist es das Bauchgefühl Tiziano Marinellos, addiert mit einem grundlegenden Vertrauen, das im gegenwärtigen Zeitgeist vollkommen aus dem Rahmen fällt. «Wir brauchen mit Produzenten keine Verträge, wir reden miteinander.» Das Resultat für die Marinello-Kunden ist erfreulich fundamental: «Wenn ein Kunde von uns nicht an das Farm-Label glaubt, dann glaubt er mir nicht, und er glaubt der Firma Marinello + Co AG nicht.»

Das Label Farm steht also für Regionalität, Vertrauen, Sympathie und Freude. «Es macht doch alles einfacher, wenn man sagen kann, die Tomate im Salat kommt von Daniel Rüttimann vom Enzikerhof in Cham anstatt einer aus der Lombardei. Und ja, letztendlich ist das damit auch ein Marketinginstrument. Da bin ich ehrlich.»

Der Lokalismus hat aber noch eine parallele Entwicklung, die gegensätzlicher nicht sein könnte. Der E-Markt, also der Onlinehandel. Auch zu dieser Zerrissenheit hat Tiziano Marinello eine deutliche Meinung.

«Es geht um Lebensmittel und da finde ich Onlinehandel grauenhaft.»

Alles ist überall zu jederzeit von überallher verfügbar. Wertvolles, also das, mit dem wir uns ernähren, wird auf Verfügbarkeit auf einen Klick herabgestuft und entwertet. Doch mit Wertschätzung fängt alles an, oder hört auf, je nach Gesichtspunkt.

«Über Lokalismus und Nachhaltigkeit sollte man erst reden, wenn man ein Produkt auch schätzt. Der Onlinehandel macht aus diesem Blickwinkel die Welt zu einem schlechteren Ort. Tut mir leid, dass ich das so sagen muss.»

Aber was bedeutet regional im Kontext von Farm? Die 14 Produzenten von Farm kommen im Durchschnitt aus einem Umkreis von 24 Kilometer. Die einen liegen näher, die die anderen etwas weiter weg, aber alles innerhalb eines vernünftigen Radius. Und ist das jetzt viel oder wenig? 

«Der «Papst» unter den Brutal Lokal-Restaurants, das Nobelhart und Schmutzig in Berlin (Who the Fuck is Bocuse) definiert für ihre Regionalität ganz andere Distanzen, die beziehen auch noch Produkte aus dem grenznahen Polen mit ein. In Deutschland redet man von ganz anderen Distanzen.» Die Farm-Produzenten sind also im internationalen Kontext nah.