Aufgrund des Fortschritts von Technologien und der Auffassung, Lernen an Handlungen festzumachen, ist die Zeit reif, Ausbildungsprogramme fürs Lernen in der beruflichen Praxis zu digitalisieren. Dazu ist jedoch ein Umdenken erforderlich.

  1. Aufhänger sind das der Kundin oder dem Kunden geschuldete Lieferobjekt und fundierte (Wissens-)Grundlagen.
  2. Selbstständigkeit der Lernenden und die Bereitschaft, Berufsidentität zu entwickeln, sind unverzichtbare Erfolgsfaktoren.
  3. Durchdigitalisierte Ausbildungsprogramme verlangen nach didaktischer Struktur.

Dazu folgende Erklärungen und Fragestellungen: 

Lieferobjekte und fundierte (Wissens-) Grundlagen

Lernen am Arbeitsplatz, auf der Baustelle oder bei anderen betrieblichen Gelegenheiten bietet gegenüber dem Lernen in der Berufsfachschule, im Weiterbildungskurs oder während des Studiums zahlreiche Möglichkeiten, in der Handlung Wissen anzuwenden. Beim Lernen in der Berufsfachschule, im Weiterbildungskurs oder im Studium steht das Erarbeiten von Wissensgrundlagen im Vordergrund, um in anschliessenden darauf aufbauenden Übungen Sicherheit für die Anwendung in der betrieblichen Praxis zu erlangen. Was in der Schule Schritt für Schritt entwickelt wird, präsentiert sich am Arbeitsplatz und im richtigen Leben von einer anderen Seite. Für die Erarbeitung des Grundlagenwissens fehlt die Zeit. Dafür bieten sich zahlreiche Gelegenheiten, Können unter Beweis zu stellen. Handlungsnotwendiges Wissen entwickelt sich im Tun oder muss schnellstmöglich aufgebaut werden. In der Handlung selbst liegt viel Wissen. Die zentrale Frage lautet: Wie lassen sich im Nu handlungsnotwendige (Wissens-)Grundlagen fundiert aufbauen?

Selbstständigkeit und Berufsidentität 

Am Arbeitsplatz wird von Berufsleuten viel verlangt. Sie erhalten Lohn und schulden dafür Leistung. Aufgrund des Wettbewerbs, der Digitalisierung und Technologisierung sind Mitarbeitende gefordert, sich ständig mit neuen Gegebenheiten, Vorschriften und Vorgehensweisen auseinanderzusetzen. Damit noch nicht genug, es kommen auch neue Formen der Zusammenarbeit hinzu. Hierarchien und Verantwortung werden bei Produktentwicklungen und bei den Erbringungen von Dienstleistungen aus der Linie gebrochen und den Projektteams oder sogar einzelnen Projektmitarbeitenden vollständig übertragen. Für eine Angewöhnung bleibt oft (zu) wenig Zeit und das frisch formierte Team muss Ergebnisse abliefern. Unerfahrene junge Berufsleute sind in dieser Situation besonders (heraus)gefordert, Motivation zu halten, ihren Platz und ihre Rolle in Teams und in der Arbeitswelt zu finden. Wie lassen sich Selbstständigkeit und Berufsidentität in der dynamischen Arbeitswelt entwickeln und erweitern?

Durchdigitalisierte und gut strukturierte Ausbildungsprogramme

Wollen Berufsbildner/innen dem Zufall des handlungsnotwendigen Wissens zuvorkommen, braucht es Didaktik und eine gut strukturierte Ausbildung. Dazu ist der Griff zum Ausbildungsprogramm erforderlich.

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«Es fällt den Lehrbetrieben die anspruchsvolle Aufgabe zu, das betriebliche Ausbildungsprogramm nach Kundenaufträgen auszurichten, handlungsnotwendige Kenntnisse und Fertigkeiten zu bündeln, um so für das Entwickeln und Erweitern von beruflichen Handlungskompetenzen zu sorgen.»
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Gelingt es, Ausbildungsprogramme für Lehrbetriebe und überbetriebliche Kurse automatisiert und digital unterstützt herauszugeben, können schnell Wettbewerbsvorteile erwachsen. 👉🏻 Welche Voraussetzungen sind zu erfüllen, um praktikable und für Lehrbetriebe administrativ entlastende Ausbildungsprogramme zu entwerfe?

Erste Antworten auf die entworfenen Praxisfragen

👉🏻 (Wissens-)Grundlagen erfordern eine Fachsystematik. Diese lässt sich auf  Inseln des Wissens als aufbereiteter Content  allein  oder in Teams  erarbeiten. Wichtig ist, dass der Content auf den Kundenauftrag (Praxisauftrag) ausgerichtet ist.

👉🏻 Selbstständigkeit und Berufsidentität entwickeln sich im Lernumfeld. Dieses ist Lernenden gerecht zu gestalten. In einem positiven Betriebs- und Lernklima herrschen günstige Bedingungen, die Eigenschaft des ➡KÖNNENS zu entwickeln. Im KÖNNEN erfahren die Lernenden Schutz, Raum und Halt. Die Lernenden beschäftigen sich mit der Frage: KANN ich diesen Beruf ausüben? KANN ich Elektroinstallateur, Maler, Koch usw. sein? 

In einem nächsten Schritt geht es ums ➡ MÖGEN. MAG ich Schaltschränke verdrahten? MAG ich kochen, streichen usw.? Die Lernenden beschäftigen sich bei diesem Schritt gedanklich mit ihren eigenen Anteilen im Lernumfeld und der Beziehungsgestaltung mit Kundinnen und Kunden sowie mit Lernenden und  Mitarbeitenden.

Selbstständigkeit der Lernenden wird für Berufsbildende auf der nächsten Stufe sichtbar, jener des ➡ DÜRFENS. Lernende übernehmen Verantwortung, schreiten zur Tat. Sie fordern Beachtung und geben Wertschätzung zurück. Sie beschäftigen sich mit der Frage: DARF ich mich selbst sein? Lernende akzeptieren Grenzen, lernen mit diesen umzugehen und sie ergreifen die Initiative, Beiträge an Lieferobjekte beizusteuern. 

Daran schliesst die Eigenschaft des ➡ SOLLENS an. Wofür SOLL ich da sein? Die Lernenden wissen nun, wofür sie da sind. Aus dem SOLLEN wächst mit der Zeit die Berufsidentität und diese wiederum verschafft den Jugendlichen Antrieb: Ich WILL!

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«Berufsidentität entfaltet sich im positiven Betriebs- und Lernklima bei der Beantwortung der existentiellen Fragen des KÖNNENS, MÖGENS, DÜRFENS und SOLLENS.» 
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Es ist nicht unüblich, dass sich die Beantwortung dieser Fragen über eine längere Zeitspanne der Ausbildung erstreckt und die Lernenden auch im späteren Berufsleben begleitet. (Lehr-)Betriebe, welche die Lernenden hierbei begleiten, legen womöglich den Grundstein für erfolgreiche Arbeitskräfte, die später zurück zum Lehrbetrieb finden.

👉🏻 Voraussetzungen von praktikablen, für Lehrbetriebe administrativ entlastende Ausbildungsprogramme sind von Berufsbildner/innen entwickelte Lernpfade, die individuelles Lernen wie auch die Erarbeitung in Teams ermöglichen. Es braucht eine ausgewogene Konzeption von Wissen, Können und Wollen mit zugehörigen Bewertungskategorien von Handlungskompetenz. Regelmässige Selbst- und Fremdeinschätzung (Reflexion) entwickelter und erweiterter Ressourcen wirkt als Katalysator und motiviert Jugendliche, sich auf nächste Kundenaufträge einzulassen.

((In einem Kästchen hervorheben)) Die MSL-Plattform und das MSL-Team unterstützen Lehrbetriebe und üK-Zentren gerne bei der Didaktisierung und Durchdigitalisierung von Ausbildungsprogrammen.

 

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