Die Gastronomie wird gerade von schwierigen Entwicklungen gebeutelt. Die Branche hat beispielsweise noch nie derart viele Restaurants verloren wie 2017. Netto waren es 856. Auch die Ausbildungszahlen des Berufs Koch / Köchin EFZ sanken in den letzten Jahren drastisch. Gegen 3000 Auszubildende pro Jahr waren es Ende der 90er Jahre. 2017 zeigte die Kurve nach unten gegen 1000 Auszubildende pro Jahr. Zudem rangiert der Beruf des Koches in den Top 5 der Aussteiger-Berufe. Dies gilt sowohl für die Schweiz als auch, mit einem Blick auf unsere Nachbarn, für Deutschland und Österreich.

Im Frühjahr 2018 wurde beschlossen, das Berufsbild Koch / Köchin EFZ zu überarbeiten. Diesbezüglich stellen Das Pauli Magazin den Ausbildungsprofis einige Fragen: Diese Woche Carlos Egli.

 

Das Pauli Magazin: Es ist immer wieder die Rede von der «Verschulung» der Berufe. Braucht es in Zukunft mehr Theorie oder eher weniger Theorie und dafür mehr Praxis?
Carlos Egli: Es braucht eine Ausgewogenheit zwischen Theorie und Praxis. Tatsache ist, dass in den Lehrbetrieben immer mehr relevante Arbeitsvorgänge/-techniken nicht mehr gelehrt werden, immer mehr Convenience-Produkte eingesetzt werden und der/die Lernende diesbezüglich zu kurz kommt. Es kann doch nicht sein, dass Lernende eine Consommé, eine Hollandaise oder einen Fond mit frischen Zutaten erstmals am Qualifikationsverfahren zubereiten oder einen Monat vor dem Qualifikationsverfahren in ihrer Freizeit beim Fischlieferanten lernen, einen Fisch zu filetieren, weil der/die Lernende im Lehrbetrieb während den drei Ausbildungsjahren kaum einen Fisch zu sehen bekam!
 

Das Pauli Magazin: Was kommt heute in der Ausbildung zu kurz?

Carlos Egli: Zum einen wurde die Ernährungslehre in der letzten Lehrplanrevision stark gekürzt, was meiner Meinung nach falsch ist. Das heutige Ernährungsbewusstsein der Gäste in der Gastronomie bedingt, dass Köchinnen und Köche in der Ernährungslehre besser geschult werden. Die Anzahl der Gäste mit Allergien, Unverträglichkeiten oder speziellen Ernährungsformen wächst, und dem gilt Rechnung zu tragen.
Im Weiteren wären Grundlagen der Chemie/Biologie von Vorteil um die Veränderungsprozesse beim Garen und Verarbeiten von Lebensmitteln (physikalisch-chemische Vorgänge) besser zu verstehen.

Im Weiteren wünschte ich mir, dass in den Lehrbetrieben vermehrt wieder mit frischen Zutaten gearbeitet wird, gehaltvolle Fonds hergestellt und daraus die entsprechenden Saucen zubereitet werden. Die Herstellung einer Sauce Hollandaise oder einer Consommé gehört zum Repertoire eines jeden Kochs.

 

Das Pauli Magazin: Wenn wir die Lernorte betrachten, dürften grob geschätzt etwa zwei Drittel aller Lehrstellen den Bereichen Gesundheits- Spital-, Pflegeküche sowie Gemeinschaftsverpflegung angegliedert sein, also wird «nur» noch 1 Drittel der Köche in der klassischen Gastronomie ausgebildet: Was glauben Sie, wie wird sich der Beruf des Kochs in Zukunft verändern?
Carlos Egli: Betriebe der Gemeinschaftsgastronomie gelten heute als Top-Ausbildungsbetriebe, zahlreiche Betriebe mit klassischer Gastronomie kränkeln unter den finanziellen Belastungen. Man muss davon ausgehen, dass unsere Gesellschaft mit vielen Seniorinnen und Senioren vermehrt Spitäler, Pflegebetriebe und Heime beanspruchen werden, somit wird der Bedarf an diesen Betrieben steigen. Ich könnte mir vorstellen, das Lernende ihre Ausbildung in zwei Lehrbetrieben absolvieren sollten (Partnerlehre), wo der Lernende einen Teil seiner Ausbildung in der klassischen Gastronomie absolviert (à la Carte-Service) und ein Teil der Ausbildung in einem Betrieb der Gemeinschaftsgastronomie. Hierbei müssten allerdings die Verantwortlichkeiten klar geregelt werden. Für einen Lernenden wäre dieses Modell sicher attraktiv und würde schlussendlich eine umfassendere Ausbildung ermöglichen.

 

Das Pauli Magazin: Die Entwicklung der Küche – von der Nouvelle Cuisine über die Molekular- bzw. der avantgardistischen Küche bis zu Trends wie Fusion-Kitchen oder die Peruanische Küche von heute – was kommt als nächstes?
Carlos Egli: Ich glaube, dass die Zukunft Betrieben gehört, die konsequent auf regionale Produkte setzen und diese kreativ veredeln. Jeder Koch kann in seiner Region einzigartige Produkte finden, wenn er sie sucht und es gibt sicher eine Vielzahl von Gärtnern und Landwirten, die Produkte nach unseren Wünschen anbauen oder Tiere nach unseren Vorstellungen züchten, wenn wir im Gegenzug die Abnahme garantieren. Der heutige Gast interessiert sich, woher die Produkte stammen (wie und wo hat das Tier gelebt?) und ist auch bereit, für regionale Produkte, verträglich und jahreszeitenkonform produziert, etwas mehr zu bezahlen.
Die Zeit der Tellermalereien, Pinzettendekorationen, der undefinierbaren Schäume und der molekularen Exzesse gehört hoffentlich endgültig der Vergangenheit an. Zwei bis drei harmonierende Geschmäcker auf dem Teller genügen, mehr überfordert die meisten Menschen und wird auch nicht gewünscht. Dazu kommt, dass heutige Speisekarten in der Gastronomie immer noch zu umfangreich sind – auf ein Minimum reduzieren und diese wenigen Gerichte frisch und qualitativ hochwertig zubereiten. Die Unterteilung in Vorspeisen und Hauptgerichte ist Vergangenheit, der Gast soll drei bis vier Gerichte wählen können, die ihm zusagen, deren Reihenfolge er selber bestimmt.
 

Das Pauli Magazin: Wie werden sich die beruflichen, fachlichen und handwerklichen Anforderungen in Zukunft verändern?

Carlos Egli: Produktekenntnisse werden wieder vermehrt an Bedeutung gewinnen. Ich kann ein Lebensmittel nur dann mit der nötigen Sorgfalt zubereiten, wenn ich seine Entstehungsgeschichte, Besonderheiten und Herkunft kenne. Der Kochberuf wird (hoffentlich) ein handwerklicher Beruf bleiben, der Koch der Lebensmittel mit der nötigen Sorgfalt gekonnt veredelt und nicht einen Fisch oder ein Stück Fleisch nach seinem Tod noch weiter quält!

 

Das Pauli Magazin: Hat die klassische Französisch Küche als absolute Grundlage weiterhin noch Bestand?
Carlos Egli: Die klassische französische Küche ist nach wie vor die Basis des Kochberufes. Das Beherrschen der Grundlagen ist unabdingbar. Basierend auf diesem Fachwissen kann sich dann jeder aufgrund seiner Wünsche und Ideen verwirklichen und einen eigenen Stil entwickeln und nicht den Kollegen nebenan kopieren.

 

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