Die Gastronomie wird gerade von schwierigen Entwicklungen gebeutelt. Die Branche hat beispielsweise noch nie derart viele Restaurants verloren wie 2017. Netto waren es 856. Auch die Ausbildungszahlen des Berufs Koch / Köchin EFZ sanken in den letzten Jahren drastisch. Gegen 3000 Auszubildende pro Jahr waren es Ende der 90er Jahre. 2017 zeigte die Kurve nach unten gegen 1000 Auszubildende pro Jahr. Zudem rangiert der Beruf des Koches in den Top 5 der Aussteiger-Berufe. Dies gilt sowohl für die Schweiz als auch, mit einem Blick auf unsere Nachbarn, für Deutschland und Österreich. Im Frühjahr 2018 wurde beschlossen, das Berufsbild Koch / Köchin EFZ zu überarbeiten. Was Rolf Böhi sagt:

Das Pauli Magazin: Es ist immer wieder die Rede von der Verschulung der Berufe. Braucht es in der Zukunft mehr Theorie oder eher weniger Theorie und dafür mehr Praxis?

Rolf Böhi: Ich glaube nicht, dass es mehr oder weniger Theorie und Praxis braucht. Was es braucht sind Ausbildner die selbst gut ausgebildet sind und die Ansprüche an den Kochberuf, die in der Bildungsverordnung klar definiert sind, kennen. Wir machen oft die Beobachtung, dass die Ausbildner die Instrumente wie Betriebliche Ausbildungsunterlagen, Bildungsbericht, Lern- und Leistungsdokumentation mit Ausbildungsplan des Kochs EFZ, stufengerechte Probekochen usw. sowie deren Anwendung nicht kennen, von der Kontrollfunktion gar nicht zu reden. Und genau da wäre das Amt für Berufsbildung gefordert die Kontrollfunktion war zu nehmen. Wir stellen bei dem Qualifikationsverfahren oft fest, dass Teile der Ausbildung gar nicht vermittelt wurden. Es fehlt bei einem Teil der Auszubildenden aber auch die Eigenverantwortung ausserhalb des Lehrbetriebes Teile selbst zu üben - wobei ich festhalte, dass ein grosser Teil unserer zukünftigen Berufsleute gut vorbereitet zum QV erscheinen.

Das Pauli Magazin: Was kommt heute in der Praxis zu kurz?

Rolf Böhi: Den Kenntnissen über Anwendung der Garmethoden muss unbedingt wieder mehr Beachtung geschenkt werden. Der Koch muss wissen, was bei einem Garprozess im verarbeitenden Lebensmittel vor sich geht und die Auswirkungen auf das Gargut bei falscher Anwendung kennen. Obwohl es viele qualitativ gute Convenience Produkte gibt, die massvoll eingesetzt, ihre Berechtigung haben ist es unabdingbar, dass der Koch die Herstellung von frischen Grundfond und die Zubereitung der daraus hergestellten Saucen und Suppen beherrscht.

Das Pauli Magazin: Wenn wir die Lernorte betrachten, dürfen grob geschätzt etwa zwei Drittel aller Lehrstellen den Bereich Gesundheits-, Spital-, Pflegeküche sowie Gemeinschaftsverpflegung angegliedert sein, also wird «nur» noch 1 Drittel der Köche in der klassischen Gastronomie ausgebildet: Was glauben Sie, wie wird sich der Beruf des Koches in Zukunft verändern?

Rolf Böhi: In allen der genannten Lehrbetriebe kann eine gute Ausbildung vermittelt werden. Es darf in den verschiedenen Betrieben keine unterschiedlichen Massstäbe geben. Sollten Ausbildungsbereiche in den einzelnen Betrieben nicht möglich sein, muss ein Austausch der Lehrlinge stattfinden. Das gilt sowohl für die Gastronomie, wie auch für die anderen Betriebe.

Alle könnten profitieren und die Auszubildenden könnten ihren beruflichen Horizont erweitern. Personen aus der Gastronomie würden z.B. in einer Spitalküche Einblick in die Diätetik und schonende Garmethoden und umgekehrt die Personen aus den Spitälern, Heimen und der Gemeinschaftsgastronomie lernen das Zubereiten von kleine Mengen unter Zeitdruck im à la Carte Geschäft kennen. Der Austausch wäre für alle ein Gewinn, bedingt aber ein Umdenken und eine grosse Flexibilität des verantwortlichen Ausbildners und Patrons voraus.  Vielen angehenden Berufsleuten würde dieses Modell wieder einen neuen Anstoss geben und dadurch könnten vielleicht einige Berufsabgänge vermieden werden.

Das Pauli Magazin: Die Entwicklung der Küche- von der Nouvelle Cuisine über Molekular- bzw. der Avantgardistische Küche bis zu Trends wie Fusion-Kitchen oder die Peruanische Küche von heute- was kommt als nächstes?

Rolf Böhi: Was als nächste kommt weiss wohl niemand. Ich bin der Meinung, dass alle oben genannten Style ihre Spuren hinterlassen und nachhaltig in die Küche integriert wurden und werden. Alle sprechen von regionalen Lieferanten, Produkten und Gerichten und wie sich dadurch die Küche verändert hat –  dann wären wir wieder bei Grossmutters Küche! Zu deren Zeit wurde gekocht was zur jeweiligen Jahreszeit Garten, Keller und Stall hergegeben haben, also regional. Sicher werden in Zukunft vegetarische und vegane Gerichte vermehrt verlangt, was wiederum grössere Kenntnisse von den Köchen voraussetzt.

Das Pauli Magazin: Wie werden sich die beruflichen, fachlichen und handwerklichen Anforderungen in Zukunft verändern?

Rolf Böhi: Es ist wichtig, dass die Köche wieder vermehrt der Behandlung der Lebensmittel von der Lieferung über Lagerung, Verarbeitung bis hin zum Teller, Beachtung schenkt. Nur wenn man die Abläufe kennt, die beim Garprozess stattfindet wird in Zukunft als Berufsmann/frau Erfolg haben.

Das Pauli Magazin:  Hat die klassische Französische Küche als absolute Grundlage weiterhin bestand? Ja/Nein und weshalb

Rolf Böhi: Ja, die klassische Küche wird immer ein Teil der Ausbildung sein und ist die Grundlage jedes Kochs, wobei die «neuen» Methoden wie z.B. Sous vide oder Niedertemperaturgaren und Teile der Molekular – Küche einen Einfluss haben werden.

Das Pauli Magazin: Werfen wir für die nächste Frage einen Blick auf die Automechaniker. Die Fahrzeugdiagnosetechnik hat dazu geführt, dass kaum mehr einer an einem einfachen Motor z.B. wie der Renault R 4 Von 1978 einen Fehler finden geschweige den reparieren kann. In Anbetracht der fortschreitenden Technik in Verbindung mit immer besseren Convenience – wie werden sich die Ansprüche an die beruflichen, fachlichen und handwerklichen Forderungen entwickeln. Wie sieht der Kochberuf/ die Kochberufe von Morgen aus?

Rolf Böhi: Alles ist immer im Wandel, davor ist auch der Kochberuf nicht ausgenommen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass in Zukunft der Computer oder vielmehr der Laptop und deren fachgerechte Anwendung in der Küche an Gewicht zunimmt. Ich hoffe nicht, dass auch der dreidimensionale Drucker in jeder Küche eingesetzt wird. Vereinzelt und wenn die Drucker in Zukunft erschwinglicher werden kann ich mir das gut vorstellen, würde aber noch vermehrt Kenntnisse in der Zubereitung der Lebensmittel vorrausetzten.

 

Das könnte Sie auch Interessieren - was andere Berufschullehrer zu den Themen sagten:

Carlos Egli

Thomas Riesen

Max Gsell